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TWie gefährlich ist Trampen? Paul Hußlein reist 55.500 Kilometer per Anhalter

Auf kurzen Strecken verzichtet Paul Hußlein auf konkrete Ortsnamen und greift zum Schild Kurzstrecke: „Das spart Pappe“, sagt der 25-jährige Frankfurter.

Auf kurzen Strecken verzichtet Paul Hußlein auf konkrete Ortsnamen und greift zum Schild Kurzstrecke: „Das spart Pappe“, sagt der 25-jährige Frankfurter. Foto: Leuschner

In den 1970er- und 80er-Jahren war Trampen sehr populär. Und jetzt erlebt der Trend ein kleines Comeback: Gerade ist der Trampsportler Paul Hußlein per Anhalter über die B73 gereist. Aber wie gefährlich ist Trampen?

Von Heike Leuschner Mittwoch, 28.02.2024, 00:02 Uhr

Landkreis Cuxhaven. Gelbe Jacke, Rucksack, zum Zopf gebundene Haare und ein breites Lachen: Paul Hußlein steht an der B73 und will von Neuhaus nach Otterndorf trampen. Nicht, weil er den Zug verpasst hätte oder kein Bus fahren würde. „Es macht einfach Spaß“, schwärmt er.

Hußlein ist 25, Erzieher in einer Kindertagesstätte und lebt in Frankfurt am Main. Gerade hat er vier freie Tage dafür genutzt, um von Hemmoor aus durch den Landkreis Cuxhaven bis nach Bremerhaven und weiter nach Norden-Norddeich zu trampen. Den Weg aus Hessen und von Ostfriesland zurück nach Frankfurt absolviert er mit dem Zug. „Die gesamte Strecke zu trampen, dafür hätte dieses Mal die Zeit nicht gereicht. Leider.“

Viele Stempel an der Nordsee für Nordsee-Reisepass sammeln

Inspiriert hat ihn sein Nordsee-Reisepass, ein blaues Büchlein, das die Tourismusagentur Nordsee (TANO) herausgibt. Bis zu 190 Stempelstellen an der niedersächsischen Nordsee können angesteuert werden. Hußlein will möglichst viele Stempel sammeln und dabei die Region entdecken. Am ersten Reisetag passiert er allein zwischen Hemmoor und Cuxhaven acht Stempelstationen.

Nach der Ankunft am Bahnhof in Hemmoor hält er den Daumen raus. Sein Ziel: das Hallenbad in der Wingst. Danach zieht es ihn zum kleinen Hafen in Neuhaus und nach Otterndorf, wo er sich im Puppenmuseum einen Stempel abholen kann. „Dort hab‘ ich eine Exklusivführung durchs Puppenmuseum bekommen“, erzählt er und schwärmt von der Gastfreundschaft, die ihm auf seinen Touren immer wieder begegne.

Eine seiner Touren per Anhalter führte Paul Hußlein mit einer Freundin durch Skandinavien. Sein Ziel: das Nordkap.

Eine seiner Touren per Anhalter führte Paul Hußlein mit einer Freundin durch Skandinavien. Sein Ziel: das Nordkap. Foto: privat

Schild mit der Aufschrift „Kurzstrecke“, um Pappe zu sparen

Auf seiner Tour zieht er immer wieder sein Pappschild mit der Aufschrift „Kurzstrecke“ aus einer Tüte. „Das spart Pappe, wenn ich nicht jedes Mal den Ortsnamen draufschreibe“, sagt er. Hußlein übernachtet in einer Herberge in Cuxhaven, bevor es ihn zum Wattenmeer in Sahlenburg zieht.

Am nächsten Tag geht es nach Bremerhaven. Hier sind der Fischbahnhof und das Schifffahrtsmuseum seine Ziele. Sein Ziel für die nächste Nacht: Jever.

Entdeckt hat Hußlein seine Leidenschaft fürs Trampen mit 19. Er macht sich schlau, was Tramper beachten sollten. Seine erste Tour führt ihn von Frankfurt nach Berlin.

„Am Anfang sollte das Ziel in einer Tagestour erreichbar sein“ empfiehlt er. Mittlerweile hat er mehr als 55.500 Kilometer mit fremden Autofahrern zurückgelegt, war am Nordkap, in Venedig, in Istanbul und hat mit dem Zipfelpass den nördlichsten, östlichsten, südlichsten und westlichsten Punkt Deutschlands erkundet. Seine Erfahrungen? „Ausschließlich positiv.“

Sprachbarrieren kennt Hußlein nicht. Als ihn einmal ein türkischer Lkw-Fahrer nicht verstanden habe, habe der seinen Sohn in Deutschland zum Übersetzen angerufen – nachts um 2 Uhr. „Ansonsten kommt man aber auch mit Händen und Füßen zurecht.“

Mit einem Freund wirbt Paul Hußlein für die Tramprally 2024 der Deutschen Trampsport-Gemeinschaft. Start ist am 11. Mai in Freiburg im Breisgau.

Mit einem Freund wirbt Paul Hußlein für die Tramprally 2024 der Deutschen Trampsport-Gemeinschaft. Start ist am 11. Mai in Freiburg im Breisgau. Foto: privat

Hußlein: Trampen ist nicht per se gefährlich

Dass Trampen per se gefährlicher sein soll als andere Arten des Reisens, verbannt der 25-Jährige ins Reich der Fantasie von Horrorfilme-Machern. Dabei verhehlt er nicht, dass 2018 der Fall einer Leipzigerin bekannt geworden ist, die beim Trampen getötet wurde.

„Dennoch finde ich Trampen heute sicherer als früher“, meint Hußlein. Auch deshalb, weil man übers Handy Freunden oder Familie immer mitteilen kann, wo man gerade mit welchem Fahrzeug man unterwegs sei. „Und man kann immer auch Nein sagen, wenn das Bauchgefühl nicht stimmt.“

Dass Trampen im Vergleich zu den 70er- oder 80er-Jahren heute weit weniger populär ist, führt Hußlein auf einen Wandel in der Gesellschaft zurück: „Flüge mit Billig-Airlines oder Fahrten mit Flix-Bussen sind so günstig, dass die Menschen aufs Trampen verzichten. So habe ich eine Garantie, dass ich zu bestimmter Uhrzeit ankomme.“ Diese Garantie gibt es beim Trampen nicht.

Den Zipfelpass mit dem nördlichsten, östlichsten, südlichsten und westlichsten Punkt Deutschlands hat sich Paul Hußlein bereits ertrampt.

Den Zipfelpass mit dem nördlichsten, östlichsten, südlichsten und westlichsten Punkt Deutschlands hat sich Paul Hußlein bereits ertrampt. Foto: Leuschner

Hußleins nächstes Ziel: Trampen um die Welt

Ersparte Reisekosten spielen für Hußlein keine Rolle. Sein Antrieb, für das Trampen und die Deutsche Trampsport Gemeinschaft zu werben, ist ein anderer: „Ich habe viele faszinierende Erfahrungen gemacht, von spontanen Einladungen zu Familien in Schweden bis zu aufregenden nächtlichen Fahrten mit Lkw-Fahrern von Rügen nach Frankfurt.“

Nebenbei geht es ihm auch um Umweltaspekte. „Es macht schon einen Unterschied für den ökologischen Fußabdruck, ob ich selbst fahre, fliege oder zwei Tage meinen Daumen raushalte und auch ankomme.“

Um Menschen ans Trampen heranzuführen, organisiert Hußlein gerade zusammen mit der Deutschen Trampsport-Gemeinschaft eine Tramprally. Sie startet in Freiburg im Breisgau. Der Wettbewerb besteht darin, zu zweit ein bestimmtes Ziel im Umkreis von 200 Kilometern zu erreichen.

Ende dieses Jahres will Hußlein zu einer Weltreise aufbrechen. Trampend natürlich. Um nach Australien zu kommen, möchte er von Gibraltar aus auf einem Segelschiff anheuern. „Auch das ist Trampen“, sagt er und lacht.

Acht Tipps, damit es mit dem Trampen garantiert klappt

Wenn der Frankfurter Erzieher Paul Hußlein eine längere Reise plant, beginnt diese oft an einer Autobahnraststätte oder einer Tankstelle. „Das funktioniert oft besser als Trampen mit dem Daumen, weil man Autofahrer direkt ansprechen kann.“ Und das ist nicht der einzige Tipp des 25-Jährigen:

  • Sei auffällig – bunt – gekleidet, damit du auffällst. Übertreibe es aber nicht, damit du in jeden Autotyp hineinpasst.

  • Nimm dir eine Freundin/einen Freund zum Trampen mit, insbesondere auf längeren Strecken. Denn zu zweit hat man immer auch noch ein zweites Bauchgefühl. Reisepartner kannst du auch übers Netz, etwa bei reisepartner-gesucht.de, finden.

  • Wenn du das allererste Mal trampst, plane deine Tour so, dass du spätestens am Abend am Ziel bist. Nachts zu trampen, ist etwas für Fortgeschrittene.

  • Such dir eine Stelle aus, an der der Fahrer gut anhalten kann. Am besten in einer Zone, wo die Fahrer vielleicht nicht 70 oder 100 fahren, sondern eher 50 oder 30. Gut geeignet sind Bushaltestellen.

  • Mache den Weg zum Ziel und plane eine angenehme Streckenlänge.

  • Nutze das digitale Netz, um dich über das Trampen zu informieren (hitchwiki.org).

  • Und hier noch ein Hinweis der Polizei: Informiere Familie oder Freunde per Handynachricht, wo du in welches Fahrzeug steigst – am besten mit Autokennzeichen.
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