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TGrünendeicher ist jetzt TV-Doku-Star – Seit 27 Jahren Seenotretter

Vier hauptamtliche und ein freiwilliger Seenotretter der DGzRS-Station Cuxhaven (von links): Ralf Sarközy, Kai Schöps, Keno Pelz, Jens Gralfs und der 1. Vormann Holger Wolpers haben gerade Dienst.

Vier hauptamtliche und ein freiwilliger Seenotretter der DGzRS-Station Cuxhaven (von links): Ralf Sarközy, Kai Schöps, Keno Pelz, Jens Gralfs und der 1. Vormann Holger Wolpers haben gerade Dienst. Foto: Leuschner

Holger Wolpers ist der dienstälteste Seemann der Cuxhavener Crew. Im NDR-Fernsehen kommt er jetzt groß raus und berichtet von seinem bislang größten Einsatz.

Von Heike Leuschner Sonntag, 16.02.2025, 07:30 Uhr

Cuxland. Fest vertäut liegt die Anneliese Kramer an ihrem Liegeplatz im Cuxhavener Fährhafen. Es ist still an Bord. Bis 15 Uhr herrscht Mittagsruhe. Eine Zeit, die der Besatzung wichtig ist, solange es ruhig ist draußen auf See. Doch mit der Ruhe kann es jederzeit vorbei sein.

Wie am frühen Dienstagmorgen des 24. Oktober 2023. Die Besatzung des Seenotkreuzers Anneliese Kramer liegt noch in ihren Kojen, als sie ein Anruf erreicht. In der Deutschen Bucht sind zwei Frachter kollidiert. „Das ist eigentlich nicht unser Einsatzgebiet“, erinnert sich Holger Wolpers, „aber wenn draußen was los ist, werden alle zusammengezogen.“

Wolpers ist 1. Vormann der Cuxhavener Station der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Mit 27 Dienstjahren an Bord ist er der Dienstälteste der Cuxhavener Besatzung, die neun Hauptamtliche und mehr als ein halbes Dutzend Freiwillige zählt.

Auf dem Seenotkreuzer, der in Cuxhaven stationiert ist, beziehen immer vier Besatzungsmitglieder Quartier. Zwei Wochen ist die Crew Tag und Nacht an Bord, danach wird gewechselt.

Arbeitsgerät und Wohnort für die 14-täglich wechselnde Crew der Cuxhavener DGzRS-Station ist der Seenotkreuzer „Anneliese Kramer“. Immer mit an Bord ist das Tochterboot „Mathias“.

Arbeitsgerät und Wohnort für die 14-täglich wechselnde Crew der Cuxhavener DGzRS-Station ist der Seenotkreuzer „Anneliese Kramer“. Immer mit an Bord ist das Tochterboot „Mathias“. Foto: Heike Leuschner

Einsatz in der Deutschen Bucht: Zwei Frachter kollidieren

Ein Männer-WG-Leben auf Zeit. Die Besatzung kauft ein, kocht selbst, wartet die Technik und wartet auf Einsätze, die im Sommer häufiger und im Winter seltener sind.

Als die Frachtschiffe Polesie und Verity im Herbst 2023 in der Deutschen Bucht kollidieren, steht Wolpers selbst am Steuer. Nach dem Anruf ruft er seine Leute aus ihren Kammern und den Kameramann des Fernsehteams an Bord. „Innerhalb von fünf Minuten waren wir startklar.“

Vom Ausmaß des Frachterunglücks erfährt die Crew während der Fahrt

Erst während der gut zweistündigen Fahrt bei Windstärke 6 und drei Meter hohen Wellen erfährt die Besatzung über das Unglück, dass einer der Frachter bereits gesunken ist und mehrere Seeleute im Wasser gesucht werden.

Angst kennt Wolpers nicht: „Man muss Respekt vor der See haben. Vertrauen in sich selbst, ins Material, in die Schiffe. Wenn man dieses Vertrauen nicht hat, muss man gehen.“ Über die Straße gehen und Brot holen sei gefährlicher, sagt er und schmunzelt. „Ist so.“

Wolpers stammt aus Grünendeich im Alten Land. Nach der Schule lernt er Schiffsmechaniker. Nach der Ausbildung und einigen Jahren auf See erwirbt er das Kapitänspatent. Zehn Jahre fährt er für die Reederei SAL Schifffahrtskontor Altes Land mit Schwer- und Stückgut um die Welt. 1995 wechselt er für zwei Jahre als Schiffsgutachter in den Hamburger Hafen; danach muss er sich einen neuen Job suchen.

Hanno Renner will schon als Kind Seenotretter werden

In Cuxhaven ist eine Stelle bei den Seenotrettern frei. Er habe sich ohne große Emotionen beworben: „Ich wusste damals nicht viel über die DGzRS.“

Bei Hanno Renner, Wolpers‘ Vertreter und 2. Vormann an Bord der Anneliese Kramer, ist das anders. „Ich wollte von vornherein zur DGzRS.“ Sein Großvater hat ihn inspiriert. „Als Kind bin ich oft bei ihm in Heiligenhafen gewesen, da bleibt was hängen“, sagt der 52-Jährige. Als er erfährt, dass die Seenotretter Seeleute mit Patent suchen, schlägt er die Seefahrtlaufbahn ein.

Wie Wolpers absolviert er zunächst eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker. An der Seefahrtschule in Hamburg erwirbt er sein Kapitänspatent. Er fährt auf Frachtern, Containerschiffen, Küstenmotorschiffen, ehe er vor 25 Jahren zu den Seenotrettern wechselt. Cuxhaven ist nach Borkum und Helgoland die dritte Station für den gebürtigen Uelzener.

„Auf See sind wir der Rettungsdienst“: Hanno Renner über seine Mission

Das größte Neuland bei der DGzRS sei für ihn der medizinische Bereich gewesen. „Da hat man in der Seefahrt schon was mitgekriegt, aber man ist nun mal kein Mediziner, sondern Seemann.“ Mittlerweile, so Renner, erhalten Neuanfänger bei der DGzRS eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. „Das war zu meiner Zeit noch anders, da gab es eher maßgeschneiderte Schulungen.“

Wenn klar ist, dass sich an Bord ein medizinischer Notfall befindet, nehmen die Cuxhavener Seenotretter oft einen Arzt mit. „Aber im schlimmsten Fall sind wir auf uns allein gestellt und müssen unter ungünstigen Bedingungen auch noch eine medizinische Versorgung hinbekommen. Am Land ist nach zehn Minuten der Rettungsdienst da, auf See sind wir der Rettungsdienst.“

Hauptamtliche greifen auf freiwillige Seenotretter zurück

Wolpers und Renner fahren die Anneliese Kramer als 1. und 2. Vormann im zweiwöchentlichen Wechsel. Außer den Vormännern braucht es immer auch Nautiker und Maschinisten an Bord. „Ansonsten funktioniert es nicht“, erklärt Wolpers. „Wir brauchen immer zwei Leute auf dem Kreuzer und zwei Leute für das Tochterboot.“

Weil die Personaldecke in Cuxhaven zuletzt dünn gewesen ist, mussten immer wieder auch freiwillige Seenotretter an Bord geholt werden. Das sind Frauen und Männer, die gegen eine Aufwandsentschädigung ihre Freizeit der Seenotrettung widmen.

Leute wie Jens Gralfs. Er betreibt ein Ingenieurbüro in Cuxhaven und ist selbst Sportschiffer. Nach einem Kaffee, ein paar Gesprächen und einer Probefahrt mit den Cuxhavener Seenotrettern habe er sich vor zwei Jahren entschieden, ehrenamtlicher Seenotretter zu werden. In mehreren Schulungen wurde er zum Trainee, Rettungsmann und Tochterboot-Fahrer ausgebildet.

„Der Dank hat mir gezeigt, dass ich hier richtig bin.“

In den zurückliegenden Monaten habe er im Schnitt eine Woche an Bord verbracht, erzählt Gralfs. Zeit, die er sich als langjähriger Selbstständiger freischaufeln konnte. „Als junger Familienvater im Angestelltenverhältnis wäre so etwas gar nicht möglich.“

Für Wolpers gehören die Ehrenamtlichen genauso zum Team wie die Hauptamtlichen. Ohne sie sei so mancher Einsatz gar nicht möglich. An seinen eigenen allerersten Einsatz erinnert sich der 56-Jährige noch genau: Ein Motorboot musste in den Hafen geschleppt werden. „Der überschwängliche Dank, den man danach erfahren hat, hat mir gezeigt, dass ich hier genau richtig bin. Das fühlte sich gut an.“

Größter Einsatz: Brand des Holzfrachters Pallas

Am 25. Oktober 1998 erlebt Wolpers seinen bis heute größten Einsatz: An Bord des Holzfrachters Pallas bricht ein Brand aus. Die Cuxhavener Seenotretter – Wolpers ist damals noch 3. Vormann – fahren zur Absicherung zur Unglücksstelle vor Amrum.

„Wir hatten acht bis zehn Meter See. Es war nicht so, dass man Angst hatte“, sagt der Vormann. Doch er erinnert sich an eine unglaubliche Übelkeit. „Man hat sich die Seele aus dem Leib gekotzt, hatte nichts mehr im Magen, trotzdem war man immer noch in der Lage, seine Arbeit zu machen.“

Cuxhavener DGzRS-Crew rettet Bernsteinsammler

Einsätze wie der an der Pallas kommen selten vor. Lebensretter sind die Seenotretter viel häufiger. Auch am 25. November 2023.

Drei Brüder, zwischen 16 und 19 Jahren alt, werden auf dem Leitdamm bei der Suche nach Bernstein von der Flut überrascht. Die Besatzung der Anneliese Kramer findet die drei jungen Männer im Dunkeln schließlich und bringt sie sicher an Land.

„Am nächsten Tag stand die Mutter der drei Jungs bei uns am Schiff und hat sich überschwänglich bedankt“, sagt Wolpers. Auch an Weihnachten 2024 habe sie der Besatzung eine Karte geschickt. Momente, die Wolpers immer wieder zeigen, wie wichtig der Job der Seenotretter ist.

  • Seenotretter im TV

Die zehnteilige Doku-Reihe „Die Seenotretter“ begleitet immer freitags im NDR-Fernsehen Menschen, die auf Nord- und Ostsee rund um die Uhr bei Wind und Wetter Hilfe leisten und Menschenleben retten.

Für diese Serie von NDR und Radio Bremen hat sich die DGzRS erstmals monatelang auf ihren gefährlichen Einsätzen mit der Kamera begleiten lassen.

Folge 1 „Gesunkener Frachter: acht Mann über Bord“ ist in der ARD-Mediathek zu finden.

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