Zähl Pixel
Urteil

T63-Jähriger erhält Bewährungsstrafe nach Kindesmissbrauch - Zeugen geschockt

Im Prozess am Landgericht Verden geht es um sexuellen Missbrauch von Kindern. Die Taten haben auch im Landkreis Rotenburg stattgefunden.

Im Prozess am Landgericht Verden geht es um sexuellen Missbrauch von Kindern. Die Taten haben auch im Landkreis Rotenburg stattgefunden. Foto: Sina Schuldt/dpa

Ein 63-Jähriger wurde in Verden für sexuellen Missbrauch von Kindern verurteilt. Obwohl die Vergehen als besonders schockierend gewertet wurden, geht er mit einer Bewährungsstrafe nach Hause.

Von Wiebke Bruns Dienstag, 18.11.2025, 05:45 Uhr

Landkreis Rotenburg. Lange mussten die Geschädigten auf das Urteil warten. Nicht nur, weil die älteste der in den Landkreisen Verden und Rotenburg begangenen Taten mindestens 19 Jahre zurückliegt. Am zweiten und letzten Verhandlungstag des Landgerichtsprozesses wurde das Urteil erst um 16.30 Uhr verkündet. Und inhaltlich stimmte es die Zuschauer überhaupt nicht zufrieden.

Wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 16 Fällen, davon in zehn Fällen tateinheitlich mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, bei diesen Taten wurden die leibliche Tochter und die Tochter der Lebensgefährtin zu Opfern, wurde der 63-Jährige zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. So hatte es die Verteidigerin beantragt. Die Staatsanwältin hatte dreieinhalb Jahre Haft gefordert, und diesem Antrag hatten sich die vier Nebenklagevertreterinnen angeschlossen. Eine Anwältin vertrat zwei Geschädigte.

Den Zuschauern, darunter zwei Mütter, die als Zeuginnen ausgesagt hatten, und mehrere junge Frauen, möglicherweise Nebenklägerinnen, die Urteilsgründe nachvollziehbar zu erklären, gelang der Vorsitzenden Richterin scheinbar nicht. Während der Urteilsverkündung hörte man nur leise Äußerungen aus dem Zuschauerraum. Anschließend machten die Personen auf dem Gerichtsflur ihrem Ärger Luft. Alles aber ganz gemäßigt.

Tathandlungen werden detailliert geschildert

Eine Zuschauerin hatte den Saal schon verlassen, während das Urteil begründet und dabei die festgestellten Tathandlungen mit vielen Details geschildert wurden. Zu welchen Berührungen es bei der ersten Tat durch die leibliche Tochter, damals im Kindergartenalter, beim gemeinsamen Baden gekommen war, die der Vater als erregend empfunden hatte. Welche Taten er später nachts an Freundinnen seiner Tochter begangen hat, die das Grundschulkind nach dem Scheitern der Ehe und dem Umzug des Vaters in den Landkreis Rotenburg besucht hatten.

Bei dieser erheblichen Anzahl an Taten und insgesamt fünf Geschädigten, komme erst mal keine Gesamtstrafe im bewährungsfähigen Bereich in Betracht, verdeutlichte die Vorsitzende Richterin. Genauso sei zulasten des Angeklagten der Tatort Kinderzimmer als „ureigenster Schutzraum eines jeden Kindes“ zu werten. Hinzu kämen die bleibenden Schäden und das missbrauchte Vertrauen der damaligen Ehefrau, seiner späteren Partnerin und der Eltern. „Die jeweils in bester Absicht“ dem Angeklagten ihre Kinder zur Aufsicht überlassen hatten. „In dem Vertrauen, dass sie ihr Kind heil und wohlbehalten wiederbekommen, was nicht der Fall gewesen ist“, so die Vorsitzende. Und besonders belastend sei es für sein Kind, die Tochter des Täters zu sein.

Angeklagter nennt weitere Taten

Der Angeklagte sei aber nicht vorbestraft, reuig und habe sich entschuldigt. Was eine mit den Ermittlungen befasste Kriminalhauptkommissarin und auch die Vorsitzende Richterin noch nie erlebt hatten: Der Angeklagte hatte gegen den Rat seines Anwalts und in Begleitung eines Therapeuten bei der Polizei von Taten berichtet, welche die Ermittlungsbehörden „noch nicht auf dem Schirm hatten“. Vorher war er von Eltern eines mittlerweile volljährigen Mädchens angezeigt worden. Kurz zuvor gab es unabhängig davon einen Hinweis von Teilnehmerinnen eines Seminars, wo er etwas von einem Missbrauch gesagt haben soll.

Seit sieben Jahren sei der Angeklagte in Therapie. Der Mann lebt mittlerweile in Baden-Württemberg. Er habe den Nebenklägerinnen eine Aussage in dem Prozess erspart und sich auf Zahlungen eingelassen, die mit 27 000 Euro an vier Opfer „nicht unerheblich sind“, so die Vorsitzende. Neben den im Urteil auferlegten Zahlungen in Höhe von 5210 Euro für Therapiekosten. Für seine Tochter wurden in dem Prozess keine Schmerzensgeldforderungen erhoben.

Nach Abwägung aller Gründe hielt die Kammer eine Strafaussetzung zur Bewährung für vertretbar. Auferlegt wurde dem 63-Jährigen, die Therapie fortzusetzen. „Das ist der Schlüssel, dass es nicht zu weiteren Taten kommt“, betonte die Vorsitzende Richterin. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Redaktion empfiehlt
Weitere Artikel