TÄrger um Hafenschlick-Depot an der Oste: Lager ohne Genehmigung gebaut

Die Lagerfläche wird mit Hafenschlick (rechts im Bild) gefüllt. Links die Ostemündung, hinter der Baumreihe beginnt das Wildvogelreservat Nordkehdingen, das sich bis zur Elbe erstreckt. Foto: Allers
Am Ostesperrwerk in Balje lagern jetzt Tonnen von Hafenschlick aus Brunsbüttel. Die Nachbarn sind in Sorge. Zumal sie vom Bau des Lagers überrumpelt wurden. Genehmigt ist es nicht.
Balje. Wie vom Donner gerührt - so fühlten sich Alexandra und Falk Allers vor knapp drei Wochen, als sie plötzlich Beschallung von zwei Seiten hatten. Das Ehepaar lebt in Balje-Hörne, in Sichtweite des Osteufers und hatte von einem Tag auf den anderen nicht nur einen improvisierten Hafen an der Oste in der Nachbarschaft, sondern auch eine Großbaustelle samt etwa 1,5 Hektar großem Kleilager fast vor der Haustür - ohne Vorwarnung.
„Deichbau ja, aber auf legale Art und Weise und mit den entsprechenden Verfahren und Genehmigungen“, sagt Alexandra Allers. Das ist der Knackpunkt: Eine Baugenehmigung hatte der Deichverband Kehdingen-Oste nicht. Das bestätigen auf TAGEBLATT-Nachfrage der Deichverband und der für die Deichbau-Planungen zuständige Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN).
Denkmal auf der Warft
Allers’ leben in einem Denkmal. Sie hatten sich bewusst für die Alleinlage hinterm Deich entschieden, haben das Reetdachhaus auf der Wurt vor dem Verfall gerettet, Stück für Stück saniert und fühlen sich seit Mitte Juni im Ungewissen.
„Seit dem 16. Juni wird der Schlick von morgens an mit einem Baggerschiff entladen und von Traktoren mit Mulden zum Spülfeld gefahren“, schildert das Paar. Dies gehe mit erheblichem Lärm der Baumaschinen einher, „mitten in der Brut- und Setzzeit“. Außerdem sei eine Schotterstraße entlang des Schilfgürtels und damit noch auf Gebiet des Naturschutzgebietes Untere Oste gebaut worden. Auch die Anlegestelle liege noch im Naturschutzgebiet.
Schlick aus dem Brunsbütteler Hafen
Erst nach ihrem Protest und Nachfragen beim Landkreis gab es Informationen, vonseiten der beteiligten Bau- und Transportunternehmen. Inzwischen wurde das Paar informiert, der Schlick stamme aus dem Hafen Brunsbüttel. Er sei unbedenklich.
Ausgeräumt sind die Bedenken der direkten Nachbarn damit nicht. Das Schlickfeld liege nur 250 Meter entfernt und durch die starken Winde aus Nordwest direkt von der Elbe könne doch belasteter Staub bis zu ihrem Grundstück gelangen. Sie verweisen auf Krautsand. Auch dort hatten Bürger eine Schadstoffbelastung durch ein geplantes Schlicklager befürchtet. Andernorts werde jedes Schiff beprobt, sagt Alexandra Allers. Das Sickerwasser vor der Einleitung gereinigt. Sie hat sich in kürzester Zeit tief in die Materie geknieet und so manchen Planfeststellungsbeschluss zu ähnlichen Bauvorhaben durchgeackert.
Sorge um langfristige Entwicklung
„Wir haben den Eindruck, dass hier vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen“, kritisieren Alexandra und Falk Allers. „Es wurden uns keinerlei Baupläne, Skizzen oder Ähnliches vorgelegt.“ Ihre große Sorge ist auch, dass das umliegende Grünland später und vorher noch eine etwa zwei Hektar große Weide neben dem Klei-Depot ebenfalls als Kleilager genutzt werden könnten und ihr Haus „umzingelt“ wird.
Das Kleilager am Sperrwerk ist von Wällen umgeben. Auf dem aufgeschichteten Schlick steht das Wasser. Auf welche Weise Sickerwasser fachgerecht abgeleitet, gesammelt oder beprobt werden muss und ob das erfolge, sei ohne die entsprechende Genehmigung schwer nachzuvollziehen, so die Kritik. Aus Balje meldete ein Bürger gegenüber dem TAGEBLATT Zweifel an, ob das gesamte Lager überhaupt vorschriftsmäßig gebaut worden sei. Die Streuobstwiese, die an gleicher Stelle im Februar gerodet wurde, sei außerdem ein Biotop gewesen, kritisierte er die Abholzung.
Rechtlicher Beistand
Allers‘ haben einen Anwalt eingeschaltet. „Wir sind nicht gegen den Deichbau, natürlich nicht. Auch unser Haus wird durch den Deich geschützt, wir leben hier“, sagt Alexandra Allers. „Aber auch Deichbau bitte nach Recht und Gesetz.“
Nein, eine Genehmigung gab es nicht. Das Lager sei mit dem Landkreis abgesprochen gewesen, sagt Peter Schley, Geschäftsbereichsleiter des NLWKN in Stade und damit zuständig für die Planung des Deichbaus in Nordkehdingen. Das Genehmigungsverfahren laufe jetzt parallel. Man habe spontan auf das kurzfristige Liefer-Angebot der Firma Hahn reagiert, den Schlick aus Brunsbüttel per Schute zu bekommen, begründet er den Bau im Hauruck-Verfahren. Mittlerweile habe man eine Strom- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung für die Nutzung der Anlegestelle.
Schlick läuft wie ein Pudding auseinander
Eigentlich seien der Bau des Lagers, des Anlegers und die Schlick-Lieferung zum Ende des Jahres geplant gewesen, aber man habe jetzt reagieren müssen, so Stefanie Wischkony. Sie ist Geschäftsführerin des Deichverbands Kehdingen-Oste. Weil das Material so nass sei und wie ein Pudding auseinander laufe, hätte es nicht wie schon praktiziert binnendeichs auf die Deichböschung gepackt werden können, ergänzt Schley.
Laut Schley wird es noch etwa fünf Wochen dauern, bis die 25.000 Kubikmeter Schlick aus Brunsbüttel an der Oste angelandet und per Lkw ins Lager transportiert sind. Dabei handele es sich um eine im Vergleich zum Bedarf geringe Menge, so Schley. „Wir brauchen Boden. Insgesamt allein für den sechs Kilometer langen Abschnitt am Hullen 500.000 Kubikmeter.“
Verband hält sich bedeckt
Bei der Frage nach den langfristigen Plänen zum Bodenabbau oder auch von Lagerflächen halten sich NLWKN und Deichverband bedeckt. Das Planfeststellungsverfahren für die Deicherhöhung soll noch in diesem Herbst beginnen. Im Frühjahr habe die Firma Hahn einen Antrag nach Wasserrecht auf Einrichtung eines festen Anlegers flussaufwärts des Sperrwerks gestellt. Das ist aber noch nicht die bislang mit Stahlplatten befestigte Anlegestelle, an der die Schuten derzeit ausgeladen werden.
Das Material sei unbedenklich, betonen Verband und Landesbetrieb. Es gebe ein Bodengutachten aus dem Jahr 2019 und eines, das die chemische und technische Zusammensetzung zusammenfasse, von Anfang des Jahres. In Brunsbüttel würden die belasteten oberen Schichten des Aushubs separiert und entsorgt, beschreibt Schley das Abbauverfahren. Die tieferen Schichten seien aber unbelastet. Noch einmal beprobt wird der Schlick nach Anlieferung an der Oste aber nicht.
Transport über die Straße soll vermieden werden
Sowohl Wischkony als auch Schley verweisen darauf, dass die Anlieferung über die Oste eine Belastung durch Straßentransporte vermeiden solle. Die Fläche des Lagers liege außerhalb der Schutzgebiete.
Überhaupt seien die Flächen für den Deichbau in Nordkehdigen ein großes Problem, sagt Stefanie Wischkony. Auch durch die Einschränkungen des Naturschutzes. „Wir hatten eine Fläche in Aussicht, wo wir hätten Material gewinnen können. Aber sie steht nicht mehr zum Verkauf. Wir sind auf die Anlieferung des Materials angewiesen.“
Geeignetes Bodenmaterial könnte beispielsweise beim WWF-Projekt auf Krautsand anfallen. Auch dafür ist der Transport auf dem Wasserweg angedacht. „Das müsste dann im Planfeststellungsverfahren mit geregelt werden“, so Schley. Der Deichverband will sich zudem in Nordkehdingen „Lagerplätze für deichbaufähiges Material“ sichern.
Die Kommunikation mit den Anwohnern sei nicht gut gelaufen, weiß Stefanie Wischkony. „Wir wissen nun für die Zukunft, dass wir umsichtiger vorgehen müssen. Das tut uns leid.“ Die Betriebszeiten seien angepasst worden, alle Beteiligten versuchten, Lärmquellen auszuschalten. „Wir tun alles, um die Belastungen gering zu halten“, so Schley.

Falk und Alexandra Allers hören bei stetigem Westwind den Entladelärm. Von heut auf morgen haben sie das Gefühl, nicht mehr im Grünen, sondern direkt am Hafen zu wohnen. Foto: Klempow

Nass glänzt der Hafenschlick, den der Bagger zu einer dichten Masse türmt. Foto: Klempow
Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.