TÄrztin in Sorge: Bald Hausarzt-Krise in Fredenbeck?

"Das hat jeder verdient": Für ihre Patientin möchte sich Dr. Sylvia Metz Zeit nehmen. Foto: Bisping
Der Gesundheitscampus in Fredenbeck ist neu - was kann er bewegen? Wie können Hausärzte für das Land begeistert werden? Eine Ärztin macht Vorschläge, die KVN auch.
Fredenbeck. Dr. Sylvia Metz macht sich Sorgen. „Viele Kollegen sind kurz vor dem Ruhestand“, sagt die Mulsumer Hausärztin. Sie befürchtet, dass sich keine neuen Hausärzte in der Samtgemeinde Fredenbeck niederlassen werden, um die medizinische Versorgung zu sichern. „Es gibt zu wenig Nachwuchs“, sagt sie.
Derzeit, so die Medizinerin, gebe es vier Hausarztpraxen, eine davon ist ihre Gemeinschaftspraxis, die sie gemeinsam mit Dr. Jürgen Pohl betreibt. Stand heute gebe es für die Hausärzte, die in den kommenden fünf bis sieben Jahren aufhörten, keine Nachfolger, sagt sie. Sylvia Metz ist mit 53 Jahren die jüngste Hausärztin in der Samtgemeinde.
Derzeit hätten sie eine Assistenzärztin, Sylvia Metz hofft, dass sie bleibt. „Es fehlen Leute“, sagt sie. „Die Gemeinden müssen aufwachen, sie müssen etwas für potenzielle Hausärzte tun.“
Im Landkreis sind viele Hausarztstellen unbesetzt
Es überrascht wenig, dass nicht nur Fredenbeck knapp an Hausärzten ist. Im Landkreis Stade seien 14 Hausarztstellen unbesetzt, weiß die Medizinerin. „Eine unglaublich hohe Zahl“, sagt sie. „Ich glaube, die Politik ist wach geworden, sie hatte vorher das Zuspitzen der Situation nicht wahrgenommen.“ Noch passe es mit der Gesundheitsversorgung in der 13.000 Einwohner großen Samtgemeinde, doch in der Zukunft kann es eng werden.
Früher habe es immer genug Ärzte gegeben, im Moment sei eine Talsohle erreicht. Jüngere Ärztinnen und Ärzte müssten „hergelockt werden“. Dafür müsste einiges passieren, zum Beispiel auch der Abbau von Bürokratie in den Praxen. „Das muss die Politik ändern, vor allem in Berlin.“
Schnittstelle zwischen Patienten und Fachärzten
Doch Änderungen müssten schon im Studium greifen, Medizinstudenten für ein Praktikum auf dem Land begeistert werden - und für die Allgemeinmedizin. Denn die Allgemeinmediziner würden schon während des Studiums oft von Fachärzten belächelt. Es heiße, sie würden sich auf keinem Gebiet richtig auskennen.
Das stimmt nicht, sagt Sylvia Metz. Das Studium sei breit gefächert aufgestellt. „Ein Hausarzt ist die Schnittstelle zwischen Patienten und Fachärzten.“ Er könne das große Ganze sehen und allgemeine Untersuchungen machen. „Wir brauchen sehr viel mehr Hausärzte und weniger Fachärzte, um dem Mangel entgegenzutreten“, ist sie überzeugt.
Sie selbst nimmt nur noch eingeschränkt Patienten an. „Wir sind geschlossen für alle, die nicht aus Mulsum kommen und in naher Umgebung einen Hausarzt haben.“ Derzeit behandelt sie zwischen 30 und 40 Patienten am Vormittag, am Nachmittag noch einmal 30. Sylvia Metz wünscht sich „einen Hausarzt mehr“. Also wie dem drohenden Mangel begegnen?
Gesundheitscampus: medizinisches Versorgungsnetz in Fredenbeck
Die Ärzteversorgung - eigentlich Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) - ist als Thema in Fredenbeck angekommen. Wie berichtet, hat die Samtgemeinde Beraterin Christine Becker von Salutoconsult engagiert und das Projekt Gesundheitscampus Fredenbeck ins Leben gerufen. Bei dem Projekt geht es beispielsweise darum, alle aus dem Bereich Gesundheitsversorgung unter einem Dach zu vereinen - Pflege, Apotheken, Therapeuten, Ärzte, Spezialisten.
Das allumfassende medizinische Versorgungsnetz ermöglicht einen direkten Austausch und soll die Gesundheitsversorgung in der Samtgemeinde sichern - beispielsweise die Zusammenarbeit der verschiedenen Gesundheitsberufe - und Ärzte bei der Gewinnung von Nachwuchspersonal unterstützen. Dazu hat Sylvia Metz Vorschläge.
Um den Beruf Landarzt attraktiver zu machen und junge Hausärzte zu motivieren, sich auf dem Land niederzulassen, will sie mit Christine Becker an Universitäten gehen und den Studenten direkt erzählen, was es in Fredenbeck gibt. „Wir müssen deutlich machen, was hier anders ist als in anderen Gemeinden und den Gesundheitscampus vorstellen.“ Sie ergänzt: „Und ihnen sagen, dass wir die sind, bei denen sie Praktikum machen.“
Landärzte genießen viele Vorteile
Die Vorteile müssten deutlich herausgestellt werden: Dass es auf dem Land Boni gebe und diese Praktikanten als Erste die Kurse an der Uni wählen dürfen - nicht zu vergessen finanzielle Anreize. Sie sagt, wer bisher das Land den Krankenhäusern vorgezogen hätte, habe festgestellt, wie interessant und vielseitig der Praxisalltag hier sei.
Mit „Landgang“ hat der Landkreis bereits ein Programm für Ärzte-Nachwuchs initiiert. Eine Praxis auf dem Land zu übernehmen, sollte mehr beworben werden. Metz fordert, bereits im Studium darüber aufzuklären. Wer sich mit einer Praxis niederlassen wolle, müsse informiert werden über Dinge wie Betriebswirtschaft oder Personalführung.
Das unternimmt die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen
Eine Nachfrage bei der KVN ergibt: Ihre Maßnahmen und Ideen und die der Ärztin liegen nicht weit auseinander. Schon vor zehn Jahren habe die KVN Ärztemangel prognostiziert, sollten Gemeinden und Politik nicht tätig werden, sagt Detlef Haffke, Pressesprecher der KVN. „Getan wurde nichts.“
Auslöser für die Krise seien die bald in Rente gehenden Babyboomer unter den Ärzten, die jungen Ärzte, die sich lieber anstellen als niederlassen würden und in Teilzeit arbeiteten, sowie eine wachsende Bevölkerung. „Wir brauchen viel mehr Ärzte als in der Vergangenheit“, sagt Haffke.
Die KVN hat sich mit drei Zielgruppen befasst
Drei Zielgruppen habe die KVN ins Auge gefasst. Die erste seien Medizinstudenten in Göttingen, Hannover und Oldenburg, die die KVN umfassend über Niederlassungsmöglichkeiten informierten, finanzielle Förderung anböten und Praktika vermittelten.
Zweite Zielgruppe seien Ärzte in Weiterbildung, die ihr Studium abgeschlossen haben und sich zu Fachärzten ausbilden würden. Dazu bietet die KVN Weiterbildungsverbünde an. Ärzte, die selbst weiterbilden, bekämen einen Zuschuss von 1500 Euro, so der Pressesprecher.
„Die dritte Gruppe sind Ärzte, die wir gewinnen wollen“, sagt Detlef Haffke. Für sie hält die KVN eine Niederlassungsförderung bis 75.000 Euro bereit sowie eine Umsatzgarantie für eine neu eröffnete Praxis über drei Jahre. „Wir haben noch viele andere Ideen, zum Beispiel Ärzte im Bereitschaftsdienst zu entlasten.“
„Ausschlaggebend ist eine attraktive Niederlassung“
Das seien „ganz nette Projekte“, sagt Haffke, die aber nicht funktionierten, wenn die Niederlassung nicht attraktiv sei. Da stellten sich Fragen wie: Findet mein Partner einen Job? Wie ist die Infrastruktur, besonders Schule und Kinderbetreuung betreffend? Und kann ich mit anderen Ärzten kooperieren?
Wichtig sei außerdem das Mobilitätskonzept: Wie kommen die Menschen zum Arzt? Auch digitale Versorgung durch Telemedizin gelinge nur, wenn es keine weißen Flecken mehr gebe, was Internet betreffe. Da sei die Politik gefordert.