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TAhlerstedt: Darum fütterten Leichtathleten ihren Trainergott mit Keksen

Ehemalige Leichtathleten des MTV Ahlerstedt feiern mit ihrem Trainer Jürgen Bollnow (links) ein Wiedersehen nach 40 Jahren.

Ehemalige Leichtathleten des MTV Ahlerstedt feiern mit ihrem Trainer Jürgen Bollnow (links) ein Wiedersehen nach 40 Jahren. Foto: Franziska Felsch

Nach 40 Jahren trafen sich ehemalige Leichtathletinnen des MTV Ahlerstedt an ihrer ehemaligen Wirkungsstätte. Mit dabei: Ihr damaliger Trainer, der sich einst einiges hatte einfallen lassen, um seine Sportlerinnen zu Bestleistungen anzuspornen.

Von Franziska Felsch Montag, 15.04.2024, 15:55 Uhr

Ahlerstedt. „Jürgen war für uns wie ein Gott, sein Wort Gesetz. Nie haben wir an seinen Aussagen gezweifelt“, erzählt Beate Gorgs-Albers, geborene Rohlfs.

Vor den Wettkämpfen sollten die Mädels nichts ins Freibad gehen, das Schwimmen einen Tag davor schade den Muskeln, hatte Jürgen Bollnow ihnen eingetrichtert.

„Jahrelang habe ich das geglaubt“, sagt Gorgs-Albers kopfschüttelnd. „Heute nun erfahre ich den wahren Grund: Ich sollte mich nur nicht durch die Jungs ablenken lassen.“

Unkonventionelle Methoden funktionieren

Seine unkonventionellen Methoden hätten funktioniert - ihre Leistungen wurden immer besser. „Für seine Schützlinge tat er alles. Wir haben ihm viel zu verdanken, er hat sich voll und ganz für uns eingesetzt, uns abgeholt zu den Wettbewerben und uns immer wieder gepusht“, lobt Birgit Brunckhorst, die heute am Chiemsee wohnt und die weiteste Anreise hatte.

Früher auf der Laufbahn, heute per WhatsApp verbunden

Zwei Ehemalige aus Frankreich und England sind diesmal nicht dabei, aber geplant ist, das Wiedersehen zu wiederholen, sagt Dörte Vollmers, geborene Augustin, die dem Verein MTV Ahlerstedt als Übungsleiterin treu geblieben ist.

Seit ein paar Jahren gibt es eine Whatsapp-Gruppe mit 33 Mitgliedern. 2016 fand schon einmal ein Treffen im kleinen Kreis statt. Am vergangenen Sonnabend sind es neun Frauen und zwei Männer.

Mit Bollnow geht besondere Ära zu Ende

„Früher kamen auch immer mehr Mädchen, die Jungs sind lieber zum Fußball gegangen“, weiß Petra Fitschen, die es ein wenig bedauert, dass sich die Gruppen in den 80er Jahren aufgelöst haben. „Als wir in die Ausbildung gingen und einige wegzogen, war Schluss.“ Trainer Jürgen Bollnow hörte 1988 endgültig auf.

Mit dem heute 76-Jährigen ging eine ganz besondere Ära zu Ende, sind sich alle in der Runde einig. „Wir sind zweimal in der Woche zum Training gekommen, teilweise mit dem Rad aus den umliegenden Dörfern, weil uns Jürgen klargemacht hat, ohne Fleiß keinen Preis“, so Heidi Taubermann.

Für die ehemaligen Leichtathleten aus Ahlerstedt war Trainer Jürgen Bollnow (Dritter von rechts) wie ein Gott.

Für die ehemaligen Leichtathleten aus Ahlerstedt war Trainer Jürgen Bollnow (Dritter von rechts) wie ein Gott. Foto: Franziska Felsch

Was ihnen Coach Bollnow beigebracht hat

Jürgen habe sie oft an die Grenzen gebracht, aber durch ihn hätten sie gelernt, dass Aufgeben keine Option sei. „Einmal hat er mich zu einem 200-Meter-Lauf angemeldet, obwohl ich auf 100 spezialisiert war. Da ich zu schnell gestartet bin, war mir nach der Hälfte der Strecke kotzübel. Aber man wollte den Trainer nicht enttäuschen und hat weitergemacht“, erinnert sich Dörte Vollmers.

Ein Trainer mit Leib und Seele

„Der Jürgen hat es immer so hinbekommen, dass man das auch selbst wollte. Selbst wenn einem beim Crosslauf oder bei den sogenannten Todesstrecken über 1000 Meter die Zunge aus dem Hals hing, ist man weitergerannt“, sagt Birgit Brunckhorst.

Er habe gewusst, wie er das Beste aus seinen Schützlingen herausholen kann, pflichtet ihr Heike Bremer aus Nottensdorf bei, die einmal bei den Niedersächsischen Landesmeisterschaften Dritte im 800-Meter-Lauf wurde.

Das richtige Gespür

„Jürgen war ein Trainer mit Leib und Seele, der hat mir die Orientierung gegeben, weil ich erst nicht so recht wusste, was ich machen soll“, sagt Gaby Höft, die im Fünfkampf Talent bewies. So erging es auch Michael Pfeil.

„Ich hatte mich zuvor ein Jahr mit Stabhochsprung versucht, aber der Trainer wusste genau, dass meine Stärken im Fünfkampf liegen.“ Aber es ging nicht nur darum, Medaillen einzuheimsen, betont der 52-Jährige: „Die tolle Gemeinschaft in den Ahlerstedter Leichtathletikgruppen war legendär. Das gab es, soweit ich das beurteilen kann, längst nicht in allen Vereinen.“

Dem Trainer die Hosen zugenäht

Vom Teamgeist schwärmen auch die anderen Ehemaligen. Man habe sich gegenseitig angefeuert bei den Wettkämpfen und mitgefiebert. Der Spaß sei dennoch nicht zu kurz gekommen. Selbst nicht im Trainingslager, wie die Fotos in den mitgebrachten Alben zeigen.

Spaß verstand auch Jürgen Bollnow, von Beruf Lehrer, dem sie einmal aus Übermut die Hosen zugenäht hatten. An Sanktionen wie Extra-Runden konnten sich die ehemaligen Leichtathleten jedenfalls nicht erinnern.

Athleten legen sich zehn Gebote auf

Trotzdem zollten sie ihm Respekt. Zehn Gebote legten sie sich selbst auf, um den Trainer bei Laune zu halten. Dazu gehörte: Ihn mit genügend Keksen zu verwöhnen, das Training als höchstes Glück anzusehen und daran zu arbeiten, die eigenen Bestleistungen stetig zu verbessern.

Und was sagt der damalige Trainer dazu: „Solche, die meine Anweisungen bedingungslos folgen, werden noch im fortgeschrittenen Alter von ihren Erfolgen schwärmen.“

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