TAltholzkraftwerk: In Bützfleth flammt Streit um Lärm wieder auf
Die Ruine der einst geplanten Müllverbrennungsanlage direkt an der Elbe ist auf dem AOS-Gelände gut zu erkennen. Links davon soll jetzt ein Holzkraftwerk entstehen. Foto: Martin Elsen
Mit 4500 Einwohnern ist Bützfleth klein, als Industriestandort aber groß. Die Bürgerinitiative fürchtet Lärm durch das geplante Altholzkraftwerk und sieht die Stadt in der Pflicht.
Stade. Wie viel Lärm darf den Anwohnern in der Nähe des Industriegebiets in Bützfleth zugemutet werden? Darüber gibt es schon seit vielen Jahren Streit. Der flammt aus aktuellem Anlass wieder auf: Wie berichtet, will die Firma Hansekraft in Bützfleth am Elbufer nördlich der AOS eine Altholz-Verbrennungsanlage errichten.
Die Bürgerinitiative Bützfleth hat dazu einen kritischen Fragenkatalog an die Hansestadt Stade und an Hansekraft geschickt (das TAGEBLATT berichtete). Eine wichtige Frage betrifft den Lärmschutz. Der ist hier besonders schwierig zu regeln: Auf der einen Seite leben - und schlafen - Menschen in einem Wohngebiet. Auf der anderen wird gearbeitet, und zwar mit der Industriebetrieben eigenen Lautstärke. Das Gesetz spricht von einer Gemengelage.
Nun soll mit dem Holzkraftwerk ein weiterer Betrieb hinzukommen. Die Stadt hat dabei ein Problem: Für das Industriegebiet gibt es keinen gültigen Bebauungsplan mehr, denn den hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg 2018 kassiert. Anlass war ein Normenkontrollantrag von Bürgern, die sich nicht ausreichend vor nächtlichem Lärm geschützt sahen.
Waldgürtel als Lärm-Puffer zur Wohnbebauung fehlt
Dabei hatte die Stadt alle als Industriegebiet überplanten Flächen mit Lärmeinschränkungen (Lärmemissionskontingenten) versehen. Das sei in einem ausgewiesenen Industriegebiet nicht zulässig, erklärte das OVG. Die Gemengelage hat die Stadt also in eine rechtliche Zwickmühle gebracht. Sie hätte wenigstens in einem Teilgebiet eine uneingeschränkte industrielle Nutzung zulassen müssen.
Das OVG rügte auch, dass die Stadt parallel zum Deich keinen Wald gepflanzt hat, der als Puffer für Lärm-, Staub- und Geruchsemissionen seit Jahrzehnten angestrebt war.
Eigentlich sollte nach dem OVG-Urteil ein rechtskräftiger Bebauungsplan für das Industriegebiet aufgestellt werden, um endlich klare Regelungen zu schaffen. Doch die Stadtverwaltung wartet ab.
„Wie lange will die Stadt denn noch warten, um den Lärmschutz für die Bürger in Bützfleth in einen gesicherten gesetzlichen Rahmen zu bringen?“, fragt Hans Schmidt, betroffener Anwohner und Mitglied der BI Bützfleth. Das war auch Inhalt einer der zwölf kritischen Fragen der BI zum geplanten Altholzkraftwerk.
Gesetzesnovelle könnte Stadt Stade erlösen
Es kann noch etwas dauern, ist der Antwort der Hansestadt Stade zu entnehmen. Sie hofft nämlich, dass eine Novellierung des Baugesetzbuchs (BGB) sie aus ihrer Zwickmühle erlöst: Die sieht vor, genau das zu erlauben, was die Stadt in dem gekippten Bebauungsplan versucht hatte: Den Lärm im Industriegebiet unter besonderer Beachtung der Nachtzeit zu beschränken (Lärmemissionskontingentierung) und dabei keine Bereiche ohne Schallbegrenzungen ausweisen zu müssen.
So steht es in einem Kabinettsentwurf - „endlich“, wie die Stadt schreibt. Genau das habe sie zu erreichen versucht, mit Unterstützung der Unternehmen im Industriegebiet, des Wirtschaftsministeriums des Landes Niedersachsen, des Landkreises, der Gewerkschaften und der Industrie- und Handelskammer.
Die Stadt wolle, sobald die Novellierung rechtskräftig ist, mit den Betrieben und dem Gewerbeaufsichtsamt die Schallkontingente diskutieren und sie „über städtebauliche Verträge - sowie zeitversetzt über neue Bauleitpläne - verbindlich steuern“. Grundlage sei ein vom Rat im September 2020 beschlossenes „juristisches Strategiepapier zur Bauleitplanung in den elbseitigen Industriegebieten“. Ein sehr komplexes Thema.
Bürgerinitiative will B-Plan auch für Wohngebiet
Hans Schmidt und die BI drängen auf eine schnelle Regelung. Ihre Sorge: Solange es keinen gültigen B-Plan gibt, würde für Neuansiedlungen nach Paragraf 34 BGB gelten, dass sie sich nur an der Nachbarbebauung orientieren müssen. Aber die BI will noch mehr, nämlich einen B-Plan auch für das Wohngebiet. Sie sieht es aufgrund der reinen Wohnnutzung zu Unrecht als Mischgebiet behandelt. Für ein Wohngebiet würden niedrigere Lärmgrenzwerte gelten.