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Großer Traum

TAppalachian Trail: Für den Weit-Wanderer wird’s wild zum Schluss

Kurz vorm Ziel: Jörg Seeger wandert die letzten Etappen des Appalachian Trails.

Kurz vorm Ziel: Jörg Seeger wandert die letzten Etappen des Appalachian Trails. Foto: Seeger

Kurz vorm Ziel wird es wild und einsam für den ehemaligen Dipshorner Jörg Seeger in den USA. 3.300 Kilometer hat er in sechs Monaten geschafft.

Von Saskia Harscher Mittwoch, 18.09.2024, 14:50 Uhr

Dipshorn. Jörg Seeger wandert auf dem Appalachian Trail in den USA. Seit Ende März ist der 54-Jährige unterwegs. Seeger ist ein sogenannter Thru-Hiker, das heißt, er wandert die gesamte Strecke in einem Rutsch. Meistens ist er allein unterwegs.

Das Solowandern dürfte ein gutes Training gewesen sein, denn eine der letzten Etappen führt in die Einsamkeit. Fernab von jeder Zivilisation verläuft der Trail kurz vor dem Ziel: „100 Miles Wilderness“ liegen noch vor dem gebürtigen Dipshorner. Wer diese 100 Meilen wandert, sollte sich Kräfte und Proviant gut einteilen. In wenigen Tagen wird er diesen Trailabschnitt erreicht haben.

Die White Mountains sind technisch anspruchsvoll

Anspruchsvoll waren bereits die zurückliegenden Wochen: „Es ändert sich alles komplett mit den White Mountains“, sagt Seeger. „Der ganze AT den man davor gelaufen ist, das ist eine Lachnummer gegenüber dem, was man in den White Mountains erlebt.“

Zu diesem Streckenabschnitt gibt es ein Sprichwort: „Cut your mileage in half“, erzählen die, die dort schon gelaufen sind. „Man macht nur noch die Hälfte der Strecke, die man vorher gemacht hat. Weil es einfach so steil ist, so technisch anspruchsvoll. Das hat fast nichts mehr mit Wandern zu tun, das ist schon so eine Art Klettertour“, sagt Seeger. „Plötzlich steht da eine Felswand vor dir und da musst du dann hoch oder runter. Man muss jeden Schritt überlegen: ‚Wo greife ich und wo setze ich den Fuß hin?‘ Das ist wirklich eine ganz andere Hausnummer.“

Der Appalachian Trail hat es streckenweise in sich. Teilweise ist der Weg so steil, dass die Wanderer nur über Sprossen und Leitern die Steilwände passieren können.

Der Appalachian Trail hat es streckenweise in sich. Teilweise ist der Weg so steil, dass die Wanderer nur über Sprossen und Leitern die Steilwände passieren können. Foto: Seeger

Dipshorner hat Freude an der schwierigen Bergtour

Gleichwohl macht es unheimlich Spaß, schiebt er nach: „Es ist alles machbar, es ist keine Superhelden-Leistung darüber zu gehen, aber es braucht einfach verdammt viel mehr Zeit und man muss wirklich vorsichtig sein.“ Der Trail hat dort zum Teil 30 oder sogar 40 Prozent Steigung. Erschwert wird die Passage noch durch ausgiebigen Regen, der die felsigen Wege überflutet. Auf den ersten Blick ist manchmal nicht zu erkennen, ob es sich um einen Fluss oder Bach oder einen Wanderweg handelt.

Der AT begeistert Jörg Seeger jeden Tag aufs Neue mit seiner beeindruckenden Landschaft.

Der AT begeistert Jörg Seeger jeden Tag aufs Neue mit seiner beeindruckenden Landschaft. Foto: Seeger

Starker Regen erschwert die Flusspassagen

In Maine kommt außerdem hinzu, dass die Hiker sehr viele Flussquerungen haben. Ohne Brücken übrigens. Wenn es vorher stark geregnet hat, kann es passieren, dass man den Fluss nicht queren kann, weil es zu gefährlich ist, schildert Seeger. Die Alternative: Warten, bis der Pegelstand wieder fällt. Aber auch das sei kritisch, weil die Wanderer sich ihren Proviant genau einteilen. Passiert dann etwas Unerwartetes, kann das schon mal mächtigen Hunger bedeuten.

„Inzwischen bin ich aus dem südlichen Maine beinahe raus und jetzt wird es etwas ebener, die Steigungen werden weniger“, sagt Seeger.

Er liegt gut in der Zeit und will jetzt einige kürzere Wandertage machen und die beeindruckende Seenlandschaft genießen. Außerdem hofft er darauf, Elche zu sehen.

Jörg Seeger trifft auf Bären und auf eine besondere Frau

Die Chance darauf soll gut stehen, haben ihm andere Hiker gesagt. Davor hatte er Begegnungen mit Waschbären und hat sogar in nur 15 Meter Entfernung Bären beobachtet, die in einem Baum tollten. Auch Schlangen kreuzten seinen Weg, selbst im Shelter, einem Unterschlupf für die Wanderer, schlängelte sich eine lange schwarze Schlange am Dachbalken entlang.

Seit März dieses Jahres ist Jörg Seeger auf dem Appalachian Trail in den USA unterwegs. Ein Trail mit vielen interessanten Begegnungen. So wie mit der 93 Jahre alten Honey.

Seit März dieses Jahres ist Jörg Seeger auf dem Appalachian Trail in den USA unterwegs. Ein Trail mit vielen interessanten Begegnungen. So wie mit der 93 Jahre alten Honey. Foto: Seeger

Beeindruckt hat Seeger die Begegnung mit der 93 Jahre alten Honey. Die rüstige Seniorin betreibt ein Hostel und beherbergt regelmäßig Hiker aus der ganzen Welt. Legendär sind nicht nur ihre Geschichten, sondern auch der große Holztisch in ihrem Haus.

Am selben Tisch wie eine Legende

Tausende Frauen und Männer haben daran schon Platz genommen und unter dem Tisch mit bunten Stiften ihre Namen hinterlassen - sogar Earl Shaffer. Dieser, erklärt Seeger, war der erste Thru-Hiker: „1948 hat er den ersten Hike gemacht und 50 Jahre später,1998, hat er den AT zum 3. Mal bewandert und hat bei Honey seine Signatur unter dem Tisch hinterlassen.“

Für einen Hiker ist es etwas Herausragendes, am selben Tisch wie Shaffer zu sitzen. 2002 ist der legendäre Wanderer und Autor im Alter von 83 Jahren verstorben.

Earl Shaffer war der erste Thru-Hiker, 1948 hat er den ersten Hike gemacht und 50 Jahre später 1998 hat er den AT zum 3. Mal bewandert und hat bei Honey seine Signatur unter dem Tisch hinterlassen.

Earl Shaffer war der erste Thru-Hiker, 1948 hat er den ersten Hike gemacht und 50 Jahre später 1998 hat er den AT zum 3. Mal bewandert und hat bei Honey seine Signatur unter dem Tisch hinterlassen. Foto: Seeger

100 Meilen Wildnis: Einsame Etappe steht noch bevor

3.300 von rund 3.500 Kilometern hat Seeger bereits zurückgelegt. Zwei Etappen liegen noch vor ihm. Unter anderem die sogenannten 100-Meilen-Wildnis (100-Miles-Wilderness). Ein Teilstück, das es in sich hat. Es gibt auf diesem Stück kein Reset-Place gibt. Darunter versteht man einen Ort, an dem Wanderer eine Pause einlegen können, um sich zu erholen oder auch ihren Proviant aufzufüllen. „Die 100-Miles-Wilderness ist die letzte Sektion, wo man wirklich sehr remote ist. Ich gehe auch nicht davon aus, dass ich Cellphone-Empfang haben werde“, sagt Seeger. „Da ist man komplett auf sich allein gestellt.“

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