TArztbesuch einfach per Tablet: Kehdingen baut auf Telemedizin

Frank Griemsman (Mitte) lässt sich von Beke Cordes vom DRK-Kreisverband Stade den Blutdruck messen. Foto: Silke Umland
Fehlende Hausärzte, Fachkräftemangel und die Überalterung bewirken, dass es immer weniger Hausärzte und Pflegepersonen gibt - auch in Kehdingen. Die Gemeinde Drochtersen und die Samtgemeinde Nordkehdingen setzen daher gemeinsam auf die Telemedizin.
Kehdingen. Am vergangenen Freitag fand die Kick-off-Veranstaltung zur Vorstellung des ersten Kehdinger Telemedizinraums und des Projekts PuG „Pflege und Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum stärken“ durch die Pflegepioniere statt.
Mit Hilfe eines Tablets nahm Dieter Ebinger vom Zentrum für Telemedizin (ZTM) ein Foto vom Fuß des Drochterser Bürgermeisters Mike Eckhoff auf und trug Größe und Gewicht in einen digitalen Fragebogen ein, der anschließend dem behandelnden Arzt zur Verfügung gestellt wird. Frank Griemsmann von der Samtgemeinde Nordkehdingen ließ sich von Beke Cordes vom DRK-Kreisverband Blutdruck messen und simulierte gemeinsam mit Christian Vaske von den Pflegepionieren ein Videogespräch zwischen Patient und Arzt.
Telemedizin kann Arztbesuch nicht ersetzen
Mit Hilfe dieser „Doktorspiele“ zeigten die Pflegepioniere aus Oldenburg (care pioneers GmbH) gemeinsam mit dem Softwareanbieter ZTM, welche Möglichkeiten Telemedizinräume in Zukunft für Kehdingen bieten. Zwar kann das telemedizinische Angebot einen Besuch beim Haus- oder Facharzt nicht ersetzen, es kann die Arbeit der Ärzte jedoch ergänzen und so für Entlastung sorgen.
Von März 2023 bis Februar 2026 werden die Pflegepioniere, die Gemeinde Drochtersen und die Samtgemeinde Nordkehdingen gemeinsam mit den Hausärzten Dr. Rainer Feutlinkse (Wischhafen), Dr. Jürgen Hussmann (Drochtersen) und Dr. Miguel Angel Ramos (Hechthausen) sowie der Pflegeeinrichtung Stadt und Land und dem DRK-Kreisverband und anderen Beteiligten das Projekt PuG umsetzen.
Telepflege soll pflegende Angehörige entlasten
Der Telemedizinraum ist nur ein Lösungsansatz, den die Pflegepioniere vorstellten, um dem Fachkräftemangel in Kehdingen im Bereich Gesundheit und Pflege entgegenzuwirken. Daneben soll auch die Telepflege die Versorgung der Kehdinger sinnvoll erweitern und somit Ärzte und Pfleger entlasten.
Wie die Telepflegeplattform die private Pflege stärken kann, stellte Melanie Philip von den Pflegepionieren vor. So zeigte sie, wie nach dem Sturz eines Angehörigen und einem nunmehr bestehenden Pflegebedarf mit Hilfe der Plattform PIO (Pflege ideal organisiert) ein Zusammenspiel zwischen der zu pflegenden Person und den ambulanten Pflegediensten zustande kommen kann.
Um PIO später zielführend einsetzen zu können, vertrauen die Pflegepioniere auch auf die Fachkenntnisse von Sandra Lütje, die viele Jahre selbst als Pflegefachkraft unterwegs war und jetzt im Büro von Stadt und Land arbeitet und schon jetzt Pflegebedürftige und pflegende Angehörige übernimmt.

Das Equipment im Telemedizinischen Raum ist umfangreich. Foto: Silke Umland
Europäischer Sozialfonds übernimmt 20 Prozent
700.000 Euro wird die Umsetzung des Projekts PuG mit Unterstützung der Pflegepioniere voraussichtlich kosten. 20 Prozent übernehmen die Kommunen, der Restbetrag wird über ESF-Fördermittel (Europäischer Sozialfonds) finanziert. Neben dem Telemedizinraum in Drochtersen, der von der Apothekerin Anke Friesen-Schulz zur Verfügung gestellt wird, soll auch ein Raum in Nordkehdingen eingerichtet werden - voraussichtlich im Dorfgemeinschaftshaus in Balje.
Das Projekt PuG stieß bei den Gästen der Kick-off-Veranstaltung auf durchweg positive Resonanz. „Es ist zwar noch eine Menge Arbeit, aber ich finde es super“, erklärte etwa Birte Riel vom Gesundheitszentrum Kehdingen-Oste bezüglich der Telepflegeplattform. „Wir müssen mal eine Lanze für die Pflegekräfte brechen“, sagte Silke Faster von der AOK, die wie ihre Kollegin Sonja Dall früher ebenfalls in der Pflege unterwegs war und heute Kunden nach dem pflegemedizinischen Gutachten berät, „jede Pflegedienstleitung ist engagiert und versucht, beratend zur Seite zu stehen.“
Das Sozio-Med-Mobil als weitere Ergänzung
Dennoch seien die Telepflegeplattform und der Telemedizinische Raum enorm wichtig, um das Fachpersonal zu entlasten. „Ich wohne selbst in Kehdingen“, ergänzte Kollegin Sonja Dall, „mein persönliches Ziel ist es, wie kann ich vor Ort bleiben und die notwendige ärztliche Versorgung bekommen.“
Beke Cordes vom DRK-Kreisverband Stade regte in diesem Zusammenhang an, auch das in Kehdingen sehr gut angenommene Sozio-Med-Mobil einzubinden, das die Patienten zum Telemedizinraum bringen könne.
Im Laufe des Frühjahrs 2024 soll der erste Telemedizinische Raum in Drochtersen in der Kirchenstraße für die Patienten nutzbar werden. Die Pflegepioniere suchen aber schon jetzt Probanden, die das telemedizinische Angebot testen und somit dafür sorgen, dass der Raum und das telemedizinische Angebot optimal angepasst werden können. Interessierte können sich bei Melanie Philip von den Pflegepionieren unter pug@pflegepioniere.de oder 0441/55978080 melden.