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Richter im AWZ

TAuf Entdeckungstour zwischen Plastikschrott und verborgenen Schätzen

Mister P. funktioniert noch, doch sein Leben als Nachttischlampe ist vorbei. Als Elektro-Altgerät wird er nun zerlegt.

Mister P. funktioniert noch, doch sein Leben als Nachttischlampe ist vorbei. Als Elektro-Altgerät wird er nun zerlegt. Foto: Richter

Am zweiten Tag im AWZ, dem Abfallwirtschaftszentrum Buxtehude-Ardestorf, bekommt TAGEBLATT-Reporterin Anping Richter einen faszinierenden Einblick in das Elektrogeräte-Recycling. Es geht um pures Gold und kuriose Funde.

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Von Anping Richter
Montag, 04.08.2025, 19:30 Uhr

Buxtehude. Im AWZ hätte ich am liebsten immer eine große Tasche dabei. In den Boxen an der Elektroannahme liegt alles Mögliche, das noch gut zu gebrauchen wäre. Auch die Bernina von Samstag ist noch da und bringt mich zum Seufzen. Wer aus einer Familie von Näherinnen kommt, weiß: Solche Schweizer Nähmaschinen werden oft über Generationen vererbt. Wie die mechanische Singer meiner Großmutter, die auch immer noch funktioniert. Bei Ebay bringt so etwas manchmal einen Tausender.

Mittlerweile ist neben der Bernina einiges andere gelandet: ein Plattenspieler von Technics, ein Waffeleisen, ein Fuß-Whirlpool. Im AWZ Stade wurde sogar schon mal ein Spielautomat abgeladen, der noch voller Geld war, berichtet Tobias Güldenpfennig. Der 34-jährige Leiter der Anlage führt mich heute in die Feinheiten des Elektro-Recyclings ein.

Eine Fundgrube fürs Kuriositätenkabinett

Gerade legt Gerd Rösler aus Buxtehude eine Kuriosität auf den Tisch, die damit zum Eigentum des Landkreises Stade wird. Mister P. heißt die lustige Lampe in Form eines Männchens. Wird der an strategischer Stelle in der Körpermitte stark hervorstehende Anschalteknopf gedrückt, leuchtet Mister P.

„Er funktioniert noch, ist aber ziemlich vergilbt“, sagt Rösler. Den Hut, der als Lampenschirm diente, legt er auf Güldenpfennigs Anweisung in den Hartplastik-Container.

Viele Geräte, die hier abgegeben werden, funktionieren noch, sagt Güldenpfennig - zum Beispiel das elektrische Kinderquad, das gestern abgegeben wurde. Elektrogeräte dürften sie schon aus Gründen der Gewährleistung nicht weitergeben. Doch auch intakte Möbel gehen in die Wertstoffverarbeitung. Neue Nutzer zu finden, die sie weiterverwenden, wäre am ressourcenschonendsten, ist für den Landkreis aber zu personalintensiv.

Die Hamburger Stadtreinigung macht das trotzdem - über ein Tochterunternehmen namens Stilbruch. Dort werden vom Sperrmüll gerettete Möbel, geprüfte Elektrogeräte, Spielzeug und Kinderkleidung verkauft, was der Stadtkasse letztlich zugutekommt. „Wir beim Landkreis machen uns auch solche Gedanken“, verrät Güldenpfennig.

Ein elektrisches Kinderquad, jede Menge Notebooks und dazwischen piepende Rauchmelder: Tobias Güldenpfennig zwischen den Gitterboxen voller Elektro-Altgeräte.

Ein elektrisches Kinderquad, jede Menge Notebooks und dazwischen piepende Rauchmelder: Tobias Güldenpfennig zwischen den Gitterboxen voller Elektro-Altgeräte. Foto: Richter

Direkt auf dem AWZ-Gelände könnten Tausch-Ecken entstehen, wo Menschen etwas abgeben, aber auch mitnehmen dürfen. Die Idee hatte Abfallberaterin Sabine Kiehl, die Umsetzung könnte eine Aufgabe für die zwei neuen Umwelttechnologen-Azubis werden, die gerade angefangen haben. Bis es soweit ist, rät der Landkreis dazu, nach Möglichkeit Reparaturtreffs zu nutzen oder gut Erhaltenes bei gemeinnützigen Kaufhäusern oder Werkstätten wie Relectro in Buxtehude abzugeben.

Doch auch so sind die Elektrogeräte nicht wertlos: In vielen sind immer knapper werdende Metalle wie Kupfer, Eisen, Aluminium, Silber und Gold verbaut. Im AWZ landen zum Beispiel sehr viele Handys in der Tonne. Meist sind nur wenige Milligramm Gold enthalten. „Aber die Menge macht‘s“, sagt Güldenpfennig. Die Handys übergibt das AWZ an das Handysammelcenter der Telekom. Die Daten werden in einem von der Dekra überprüften Verfahren gelöscht.

In einem Jahr 50 Gramm Gold aus Handys gesammelt

Laut Telekom wird bei jedem Handy geprüft, ob es noch genutzt werden kann. 10 bis 15 Prozent können auf diese Weise als refurbished verkauft werden. Das soll Ressourcen schonen, ebenso wie das Recycling, bei dem das Smartphone in Wertstoffe zerlegt und weiterverarbeitet wird.

Auf diese Weise haben die Kunden im vergangenen Jahr insgesamt rund 50 Gramm Gold im AWZ Buxtehude-Ardestorf abgegeben, weiß Tobias Güldenpfennig. Wert: den aktuellen Preisen nach rund 4600 Euro. Das Gold konnte laut Telekom aus 2038 Handys gewonnen werden, außerdem gut 18 Kilo Kupfer und mehr als 300 Gramm Silber, die dann wieder für die Produktion neuer Geräte zur Verfügung stehen.

Außer Handys gibt es aber auch noch die große Vielzahl anderer Elektro-Altgeräte. Jeden vollen Container meldet Güldenpfennig über ein digitales Portal an eine zentrale Stelle, das EAR (Elektro-Altgeräte-Register). Dort werden die Hersteller automatisch benachrichtigt, dass sie die Geräte ordnungsgemäß entsorgen müssen.

Die Elektro-Entsorgung wird schon beim Kauf bezahlt

Sie sind nämlich dazu verpflichtet. Bezahlt ist das schon: Die Kosten dafür werden auf den Verkaufspreis aufgeschlagen. Deshalb ist die Annahme von Elektrogeräten beim AWZ grundsätzlich kostenlos. „Es wird aber nicht im Container geguckt, welche Hersteller zuständig sind“, erklärt Tobias Güldenpfennig.

Das übernimmt das EAR, eine Stiftung, die jeden gemeldeten Container nach einem bestimmten Schlüssel umlaufend an die Hersteller meldet, die wiederum ein Entsorgungsunternehmen damit beauftragen, den Container abzuholen. Das klingt kompliziert. „Es funktioniert aber“, sagt Güldenpfennig. Alles läuft über das Portal automatisch - sogar die Erinnerung, bis wann der Container abgeholt sein muss. Die Frist zu überschreiten, kostet Strafe.

Ein Rätsel: Wo bleiben die alten Elektrogeräte?

Laut Statista werden jährlich mehrere Millionen Tonnen Elektro-Altgeräte entsorgt. Das Aufkommen soll bis zum Jahr 2030 in allen Regionen der Welt weiter steigen. Europa und Deutschland wollen das drosseln und haben deshalb eine Sammelquote und eine Verwertungs- und Recyclingquote für Elektrogeräte eingeführt. Letzteres funktioniert gut. „Aber die Sammelquote wird eigentlich nie erfüllt“, weiß Güldenpfennig.

Eigentlich müssten alle verkauften Geräte nach einer bestimmten Zeit in deutschen AWZ landen. Erklärtes Ziel wäre, 65 Prozent einzusammeln, die tatsächliche Quote liegt bei 35. Leider muss dafür praktisch niemand Konsequenzen fürchten, sagt Güldenpfennig. Wo die ganzen Geräte landen, weiß niemand: „Vielleicht im Restmüll und dann in der Verbrennung?“

Ein Großcontainer voller Waschmaschinen.

Ein Großcontainer voller Waschmaschinen. Foto: Richter

Wie das Recycling funktioniert, weiß er aber ganz genau: Mit der Reparatur von Handys hat Güldenpfennig sich früher privat etwas dazuverdient. Der Meister für Kreis- und Abfallwirtschaft hat seine erste Ausbildung in Hannover in einer Recycling-Firma gemacht, in der Elektrogeräte auseinandergeschraubt wurden. Die Wertstoffe werden zerkleinert, Eisenbestandteile mit Magneten herausgezogen und andere Materialien durch Aufschwemmen mit Flüssigkeiten verschiedener Dichte getrennt.

Das Thema Elektro-Recycling ist damit noch nicht erschöpft. Aber jetzt wartet schon ein anderer Kollege auf mich: Ich darf mit Sebastian Gröschl zur Kiesgrube fahren, um 80 Tonnen Sand abzuholen. Sie liegt gleich nebenan. Mit dem Sand soll der Kompost vermischt werden, damit er zu Mutterboden wird. Das soll morgen passieren und dann ganz genau erzählt werden.

Serie: Richter im AWZ

Auch in diesem Sommer absolviert TAGEBLATT-Reporterin Anping Richter wieder eine Praktikumswoche an einem spannenden Ort. Die erste absolvierte sie 2022 im Kiosk Am Sande in Stade, heuerte danach auf der Elbfähre an und im vergangenen Jahr am Lühe-Anleger. Diesmal ist es eine Woche in Orange: Im Abfallwirtschaftszentrum Buxtehude-Ardestorf bekommt sie spannende Einblicke und berichtet täglich von ihren Erlebnissen.

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