Ausbildung der Marine: Wo die Elite der Seestreitkräfte herkommt

Das Übungsschiff „Ensdorf“ liegt im Hafen der Marinetechnikschule (MTS) Parow. Foto: Stefan Sauer/dpa
In Parow bei Stralsund machen Rekruten erste Schritte auf dem Weg zum Dienst in der Marine. Die junge Generation bringt ihre Einstellungen und Werte mit - und eine Kommandeurin steht für Wandel.
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Parow. „Klar zum Gefecht!“, ruft Falk Wulf. Vor ihm stehen acht Rekruten in Flecktarn mit Helm und Sturmgewehr G36. Sie üben das Schießen, allerdings ohne scharfe Munition. Zu einem Feuergefecht gehört wesentlich mehr als Anlegen und Schießen, etwa der Blick nach links und rechts.
Was machen die Kameraden? Was macht der Feind? Ein Blick auf das Patronenauswurffenster - ist die Waffe in Ordnung? „Die müssen das blind beherrschen“, erklärt Schießausbilder Wulf. Das sei ihre Lebensversicherung.
Marinegrundausbildung: Mehr als nur Seefahrt
Die Übung in Parow bei Stralsund wirkt wenig maritim. Dennoch lautet Wulfs Dienstgrad Hauptbootsmann, und auch die Rekruten sind Teil der Marine. Ganz gleich, ob sie später einmal auf einer Korvette, Fregatte oder doch an Land ihren Dienst verrichten werden, gehört der Umgang mit dem Standardgewehr der Bundeswehr zu ihrer dreimonatigen Grundausbildung, die sie an der Marinetechnikschule (MTS) in Parow absolvieren.
Die MTS in Mecklenburg-Vorpommern ist neben Bremerhaven und dem schleswig-holsteinischen Plön einer von drei Marinestandorten, an denen Grundausbildung stattfindet. Daneben bildet Bremerhaven vor allem diejenigen aus, die später an Bord in der Operationszentrale sitzen, Sensoren oder Waffen bedienen, das Schiff von der Brücke aus steuern oder im Funkraum sitzen. In Plön liegt der Fokus auf der Ausbildung künftiger Vorgesetzter, etwa Unteroffiziere.

Die Marinetechnikschule (MTS) in Parow bei Stralsund bildet Techniker der Seestreitkräfte aus. Dabei werden die Soldaten etwa an Motoren, Geschützen und sonstiger Schiffstechnik geschult. Foto: Stefan Sauer/dpa
Technisches Know-how: Das Herzstück der Marineausbildung
In Parow geht es um Technik: Jedes Geschütz und jeder Motor, den die Marine auf See hat, befindet sich auch hier. Die MTS bildet alle Techniker der Seestreitkräfte vom Mannschaftsdienstgrad bis zum Offizier aus. Zu dem großzügig angelegten Campus unweit Stralsunds gehören Quartiere, Hörsäle, Labore, Werkstätten und ein Bootshafen - aber auch Hallen mit Waffen und Aggregaten, etwa ein „Opa“ genannter Dieselmotor von 1912 zur Stromerzeugung, und Bordgeschütze so groß wie Kleinwagen.
Pioniergeist in Uniform: Die erste Kommandeurin der Marine
Die Verantwortung für die Grundausbildung in Parow trägt Korvettenkapitänin Victoria Kietzmann. 2022 übernahm sie das Kommando der entsprechenden Lehrgruppe und wurde damit die erste Kommandeurin in der Geschichte der Marine, wie diese mitteilte. Die 37-Jährige sagt, den Reiz der Marine machten für sie etwa der Zusammenhalt an Bord oder die Möglichkeit aus, auch international viel unterwegs zu sein.

RAM (Rolling-Airframe-Missile), ein System zur Abwehr von Flugzeugen und anfliegenden Flugkörpern im Nächstbereich steht in einer Ausbildunghalle auf dem auf dem Gelände der Marinetechnikschule (MTS) in Parow. Foto: Stefan Sauer/dpa
Herausforderung Personalgewinnung: Die Bundeswehr im Wettbewerb
In Sachen Personalgewinnung gehe es der Marine wie anderen Arbeitgebern auch. „Es könnten immer mehr sein, definitiv“, sagt Kietzmann.
Die Altersspanne der Rekruten ist überraschend groß. Sie kommen laut einem Marine-Sprecher unter Auflagen bereits mit 17 Jahren - aber auch über 40-jährige Rekruten seien in der Grundausbildung in Parow keine Seltenheit.
Wie bei anderen Arbeitgebern auch, kommt es laut Kietzmann auch vor, dass es sich Neueinsteiger doch wieder anders überlegen. „Wir haben bei uns eine Kündigungsrate, die liegt zwischen acht bis zwölf Prozent, je nach Quartal. Ich möchte behaupten, das ist eine gesunde Kündigungsrate, die auch im Vergleich zur zivilen Wirtschaft nicht besonders ist.“
Generationenwandel: Neue Werte und Technologien in der Bundeswehr
Im Vergleich etwa zu ihrer Anfangszeit bei der Bundeswehr tickten heutige Rekruten anders. „Die jungen Leute haben inzwischen andere Interessen, haben auch andere Werte mitbekommen.“
Das meine sie weder positiv noch negativ. Darauf müsse man sich einstellen. Sie erwarteten etwa die neueste Technik. Auch werde der Arbeit ein anderer Wert beigemessen. „Damit meine ich jetzt nicht, dass die nicht arbeiten wollen“, betont die Kommandeurin. Man müsse junge Kameraden aber anders an Dinge heranführen.
Berufung und Verpflichtung: Zwischen Work-Life-Balance und Einsatzbereitschaft
„Nur muss man halt auch immer daran denken, dass man hier trotzdem die Schnittmenge findet zu dem, was unseren Beruf ausmacht, nämlich im Zweifelsfall vorne zu stehen, wenn andere sich zurückziehen können.“
Das sei der Beruf, sagt Kietzmann. „Da ist natürlich Work-Life-Balance schön im Frieden.“ Aber man müsse den Soldaten auch sagen, „Frieden ist das, was wir uns alle wünschen, aber es ist nicht das, wofür wir ausbilden.“
Schießausbilder Wulf zeigt sich jedenfalls zufrieden mit den neuen Rekruten. „Die schlagen sich gut.“ Aller Anfang sei schwer. „Aber man merkt, dass die wollen. Die sind ja freiwillig hier, und das merkt man.“ (dpa)