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Unfallfolgen

TAuto rast in Haus: So erlebten Anwohner den Unfall in Drochtersen

Schwerer Unfall: Ein Beetle raste am Sonntagmorgen in Drochtersen in eine Hauswand.

Schwerer Unfall: Ein Beetle raste am Sonntagmorgen in Drochtersen in eine Hauswand. Foto: Polizei

Einen Tag nachdem ein VW Beetle in ein Drochterser Immobilienbüro gerast ist und dabei die Hausecke durchbrach, kämpfen die Anwohner um Normalität - so wie auch Immobilienkauffrau Helga Lindenblatt (72) und ihre Angestellten. Es klappt noch nicht ganz.

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Von Katja Knappe
Montag, 18.03.2024, 19:25 Uhr

Drochtersen. Der Schock sitzt noch tief. Ein alkoholisierter 28-jähriger Drochterser hatte am Sonntag gegen 4.30 Uhr mit überhöhter Geschwindigkeit die scharfe Kurve an der Drochterser Straße nicht geschafft und war in das Immobilienbüro gerast.

Der Fahrer wurde leicht verletzt, das Auto ist ein Trümmerhaufen, die gesamte Hausecke - einfach weg. Tragende Säulen und Stahlträger wurden durch die Wucht des Aufpralls zerstört.

Crash-Erschütterungen rissen Mieter aus Schlaf

Reiner Teiwes, der in der Mietwohnung direkt über dem Immobilienbüro wohnt, fuhr aus dem Schlaf. „Ich bin früher bei der Bundeswehr gewesen und hab schon manchen Knaller gehört - aber das - ich dachte, dass Putin mich besucht“, sagt der 62-jährige Metallbaumeister. Als er aus dem Wohnzimmerfenster sah, „da lagen Mauerwerk und ein Fallrohr“. Die Erschütterungen durch den Aufprall haben auch in seinem Wohnzimmer zwei Wandrisse verursacht.

Starke Erschütterungen und ein Mega-Krach rissen Mieter Reiner Teiwes am Sonntagmorgen aus dem Schlaf. In seinem Wohnzimmer zeugen Wandrisse von der Wucht des Aufpralls bei dem Unfall.

Starke Erschütterungen und ein Mega-Krach rissen Mieter Reiner Teiwes am Sonntagmorgen aus dem Schlaf. In seinem Wohnzimmer zeugen Wandrisse von der Wucht des Aufpralls bei dem Unfall. Foto: Knappe

Teiwes zog sich an, ging nach unten, sah den Unfallfahrer, der bereits im Krankenwagen saß, die linke Seite seines Kopfes sei verbunden gewesen. „Er hatte wahnsinniges Glück, dass er noch lebt“, meint Teiwes. Das Fahrzeug müsse richtiggehend abgehoben haben und ins Haus geflogen sein - „denn am Mauerfuß, da standen noch 20, 30 Zentimeter Mauerwerk“, erzählt Teiwes. Aus Sicherheitsgründen durfte er nicht mehr ins Haus zurück. Er ging erst mal einen Kaffee trinken, danach vertrieb sich der Hobbyfotograf die Zeit auf Krautsand.

Polizei schätzt Schaden auf 100.000 Euro

Auch die übrigen Bewohner mussten für einige Stunden ihre Wohnungen verlassen. „Eine Mieterin, eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, rief mich um 4.46 Uhr mit zittriger Stimme an“, erzählt Sven Lindenblatt, der wie auch seine Schwester Birte im Familienunternehmen arbeitet. Am Sonntag gegen 13.30 Uhr, nachdem das Gebäude abgestützt war und ein Statiker das Okay gegeben hatte, durften die Mieter wieder in ihre Wohnungen zurückkehren.

Die Hausecke des Gebäudes ist inzwischen mit etagenhohen Holzverschalungen notdürftig verdeckt. Es zieht kalt durch die Ritzen. Im Inneren haben Feuerwehr und Technisches Hilfswerk noch am Sonntag Stützbalken errichtet, um die tragenden Wände zu sichern. Tische und kaputte Bildschirme stehen in der Crash-Ecke. Noch in mehreren Metern Entfernung klafft ein frischer Längsriss in der Wand. Die Polizei schätzte den Schaden vorläufig auf rund 100.000 Euro.

Große Hilfsbereitschaft nach schwerem Unfall

Helga Lindenblatt, ihr Mann Michael und etliche Helfer und Handwerker haben viele Stunden geschuftet, um das Chaos zu beseitigen. „Da lag wirklich alles als Schutthaufen. Glasscherben hatten wir sogar hinten im Abstellraum“, erzählt Helga Lindenblatt verwundert. Sie ist froh, dass die Gasleitungen hinten im Gebäude verlaufen und nicht beschädigt wurden.

So sah es Sonntagmorgen an der Unfallstelle aus. Der Beetle hatte Hauswand und Fenster des Immobilienbüros mit Wucht durchbrochen und landete zur Hälfte im Büro.

So sah es Sonntagmorgen an der Unfallstelle aus. Der Beetle hatte Hauswand und Fenster des Immobilienbüros mit Wucht durchbrochen und landete zur Hälfte im Büro. Foto: Knappe

Die 72-jährige Unternehmerin ist dankbar: „Normalerweise ist es schwierig, am Sonntag einen Handwerker zu bekommen.“ Doch hier kam die Hilfe schnell: „Der Elektriker war da. Ein Bauunternehmer hat die Platten gesetzt, um die Gebäudehülle zu schließen und den ganzen Schutt mitgenommen. Das war eine tragende Wand mit zwei Fenstern.“ Eines davon wurde erst im Vorjahr erneuert. Das Fenster-Unternehmen, ein Maurer und ein Elektriker waren schon da. Der Versicherungsvertreter und die Computerfirma sollten noch am Montag kommen, ein Statiker ist bestellt.

Mitarbeiterinnen meiden die Crash-Ecke

Das Immobilienbüro, das hier seit zwölf Jahren seinen Sitz hat, verwaltet auch dieses Gebäude mit vier Wohnungen im Auftrag des Eigentümers aus Krautsand. Immer wieder kommen Hilfsangebote aus der Region. „Eine Maklerkollegin hat uns übergangsweise sogar Räumlichkeiten angeboten“, erzählt Helga Lindenblatt. „Ich bin wirklich ergriffen. Das ist erfreulich, dass es so etwas gibt.“

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Sie, Birte und Sven Lindenblatt arbeiten am Montag wieder. Die beiden Mitarbeiterinnen, die ihren Arbeitsplatz am Fenster haben, dort, wo der Beetle ins Gebäude gecrasht ist, arbeiten vorerst nicht im Büro. „Die waren nervös, haben überlegt, was passiert wäre, wenn das während ihrer Arbeitszeit passiert wäre“, berichtet Helga Lindenblatt. Die provisorischen Stützen in der Crash-Ecke stärken das Sicherheitsgefühl auch nicht wirklich. Helga Lindenblatt bittet alle Kunden um Verständnis, dass es zurzeit zu Verzögerungen und zeitweiligen Kommunikationsproblemen kommen kann.

Das Immobilienbüro verwaltet rund 1000 Wohneinheiten, vor allem in Drochtersen, Hamburg und Hemmoor. Zurzeit werden gerade die Nebenkostenabrechnungen erstellt - Helga Lindenblatt ist froh, dass die meisten Daten elektronisch gespeichert sind. Der Zugriff auf die Server funktioniert wieder.

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