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Walther R.

TBeide Beine amputiert: Zähes Ringen um das Schicksal eines Obdachlosen

So gibt die Stadt Nordenham einem gebeutelten Obdachlosen eine neue Chance.

So gibt die Stadt Nordenham einem gebeutelten Obdachlosen eine neue Chance. Foto: Glückselig

Walther R. mussten vor drei Monaten beide Beine abgenommen werden. Eine mühsame Suche nach einer Unterbringung für den Obdachlosen startet.

Von Detlef Glückselig Mittwoch, 19.02.2025, 05:50 Uhr

Nordenham. Walther R. lebt seit 25 Jahren auf der Straße. Er stammt aus Schleswig-Holstein, kam irgendwann nach Niedersachsen, hält sich seit 2017 in Nordenham. Im Dezember vergangenen Jahres mussten ihm im St.-Bernhard-Hospital in Brake beide Beine abgenommen werden, weil er Erfrierungen erlitten hatte. Deutschland verfügt über ein engmaschiges soziales Netz, durch das niemand fallen kann - sollte man meinen. Doch im Fall von Walther R. war es extrem schwierig, dieses Netz aufzuspannen.

Die Stadt Nordenham hatte den 59-Jährigen, der nach der Amputation seiner Beine im Rollstuhl sitzt, in einem Schuppen an der Notunterkunft für Wohnungslose in der Atenser Allee untergebracht. Wie ist es dazu gekommen? Sonja Brödje, Leiterin des zuständigen Ordnungsamtes der Stadt, kann das erklären - und hat inzwischen auch eine gute Nachricht parat: Ihr ist es Anfang der Woche gelungen, Walther R. in einer barrierefrei zugänglichen Wohnung unterzubringen. Die Schlüsselübergabe hat bereits stattgefunden.

Ordnungsamt setzt alle Hebel in Bewegung

Sonja Brödje sagt, dass sie sich in den vergangenen Wochen „die Finger wund telefoniert“ habe, um eine Lösung für Walther R. zu finden. Das habe sich als extrem schwierig erwiesen. Sie selbst und die gesetzliche Betreuerin, die Walther R. inzwischen an die Seite gestellt bekommen hat, hätten reihenweise Pflegeheime abtelefoniert - ohne Ergebnis. Entweder gebe es keine freien Betten, oder aber es sei nicht genügend Personal vorhanden, weil die Grippewelle die Reihen dezimiert habe, erfuhren die beiden Frauen. „Es war eine Katastrophe, die uns alle sehr betroffen gemacht hat“, kommentiert Sonja Brödje die Situation in den zurückliegenden Wochen. Nun ist sie froh, dass sie Walther R. eine neue Chance bieten konnte.

Die großen Probleme, die es gab, haben eine Vorgeschichte. Das St.-Bernhard-Hospital hatte nach der Amputation für Walther R. eine Unterbringung zur Kurzzeitpflege in einem Seniorenheim in Elsfleth organisiert. Doch da hielt es der 59-Jährige nicht lange aus. „Walther ist freiheitsliebend. Und er eckt gerne an“, sagt Julia durch den Wald, Sozialarbeiterin im Tagesaufenthalt für Wohnungslose, den die Diakonie an der Ecke Hafenstraße und Friedrich-Ebert-Straße in Nordenham betreibt und in dem der 59-Jährige regelmäßig zu Gast ist.

Walther R. sitzt im Rollstuhl. Ende vergangenen Jahres hatten ihm Chirurgen in Brake beide Beine abnehmen müssen.

Walther R. sitzt im Rollstuhl. Ende vergangenen Jahres hatten ihm Chirurgen in Brake beide Beine abnehmen müssen. Foto: Glückselig

Walther R. sagt, dass er zurück nach Nordenham gewollt habe, weil dort der Tagestreff sei und er in der Stadt Leute kenne. Sonja Brödje erzählt eine andere Geschichte. Das Heim habe keine andere Möglichkeit gesehen, als Walther R. zu entlassen, weil es immer wieder Ärger gegeben habe, berichtet sie.

Verwaltungsgericht ordnet Unterbringung an

Wieder in Nordenham, wandte sich Walther R. an die Diakonie und beantragte mit deren Hilfe bei der Stadt eine Unterbringung. Das Ordnungsamt lehnte ab. Sonja Brödje sagt, dass sich ihre Behörde nicht in der Pflicht gesehen habe, den beinamputierten Mann unterzubringen, weil er nach seinem Aufenthalt in dem Pflegeheim freiwillig wieder die Obdachlosigkeit gewählt habe. Die Diakonie schaltete das Verwaltungsgericht ein, das zu einer anderen Einschätzung kam. Es bestehe angesichts der noch immer winterlichen Temperaturen Gefahr für Leib und Leben, befand das Gericht. Deshalb sei Walther R. unterzubringen.

Ein Feldbett, eine Campingtoilette, von der Decke baumelnde Ringe als Hilfe: Hier war Walther R. untergebracht.

Ein Feldbett, eine Campingtoilette, von der Decke baumelnde Ringe als Hilfe: Hier war Walther R. untergebracht. Foto: Walter R.

Das Ergebnis war der Schuppen, den die Stadt Anfang der vorvergangenen Woche notdürftig für Walther R. herrichtete. „Wir haben wirklich alles versucht und waren ganz sicher nicht glücklich mit dieser Situation“, versichert Sonja Brödje. Doch eine andere Möglichkeit habe es auf die Schnelle einfach nicht gegeben, um Walther R. zu einer geschützten und halbwegs warmen, barrierefreien Unterkunft zu verhelfen. Er hatte einen Generalschlüssel von der Stadt erhalten, um zumindest alle auch für Rollstuhlfahrer zugänglichen öffentlichen Toiletten im Stadtgebiet nutzen zu können. Sie befinden sich unter anderem am Bahnhof und im Rathausturm an der Walther-Rathenau-Straße.

Tragische Geschichte nimmt positive Wendung

Nun hat die tragische Geschichte zumindest eine positive Wendung genommen. Sonja Brödje hat für Walther R. eine Wohnung in einem Haus gefunden, das über einen Fahrstuhl verfügt. Die Wohnung ist also auch für ihn als Rollstuhlfahrer zu erreichen. Barrierefrei eingerichtet ist sie allerdings nicht. Sich um eine entsprechende Ausstattung und auch um alle weiteren notwendigen Schritte von den Absprachen mit der Krankenkasse bis zum Organisieren eines Pflegedienstes zu kümmern, sei jetzt die Aufgabe der gesetzlichen Betreuerin, so Sonja Brödje.

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