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TBrückenwürfe auf A1 und A7 – ein Spiel mit dem Tod?

Auf der A1 im Kreis Rotenburg verunglückten nach einem Wurf von einer Brücke mehrere Autos.

Auf der A1 im Kreis Rotenburg verunglückten nach einem Wurf von einer Brücke mehrere Autos. Foto: JOTO

Zwei Festnahmen nach Würfen von Brücken in Niedersachsen. Was treibt Menschen zu solchen Taten - und wie lassen sie sich verhindern? Eine Spurensuche nach den Motiven hinter einem gefährlichen Spiel mit potenziell tödlichen Folgen.

Von Pia Willing Mittwoch, 09.07.2025, 05:50 Uhr

Landkreise Rotenburg/Harburg. Nach mehreren beunruhigenden Vorfällen Anfang Juni, bei denen auf der Autobahn 1 und in weiteren Teilen Niedersachsens Gegenstände von Autobahnbrücken geworfen wurden, hat die Polizei inzwischen einen Ermittlungserfolg erzielt: Zwei Männer im Alter von 31 und 22 Jahren wurden in Untersuchungshaft genommen.

Doch trotz der Festnahmen bleiben zentrale Fragen offen: Gibt es psychologische Muster oder typische Täterprofile? Wie verhindern wir, dass solche Taten überhaupt geschehen?

Die schwer fassbaren Motive hinter Brückenwürfen

Laut ADAC wurden im Jahr 2023 insgesamt 503 Vorfälle von Brückenwürfen auf deutschen Autobahnen registriert. Im Verhältnis zum gesamten Verkehrsaufkommen ist diese Zahl vergleichsweise gering. Die Gefahr durch solche Attacken ist also deutlich niedriger als beispielsweise durch Alkohol am Steuer, überhöhte Geschwindigkeit oder Ablenkung. Dennoch kann dieser Leichtsinn schwerwiegende Folgen haben.

Die Motive hinter solchen Taten sind oft schwer zu durchschauen. Gerade bei jüngeren Tätern werden häufig Faktoren wie Alkohol, Drogen, Erlebnishunger oder soziale Verwahrlosung genannt. Doch auch Erwachsene geraten in den Fokus - mitunter getrieben von Aggression, Lebenskrisen oder Geltungsbedürfnis.

Warum Brückenwürfe kein Kavaliersdelikt sind

„Brückenwürfe sind ein heimtückischer Anschlag auf Menschen im Straßenverkehr“, sagt der auf Opferrecht spezialisierte Rechtsanwalt Steffen Hörning aus Göttingen. Jeder, der einen Gegenstand auf eine Autobahn werfe, wisse um die potenziell tödlichen Folgen und nehme sie billigend in Kauf. „Ich halte das für ein gravierendes Delikt mit schwerwiegenden, oft traumatischen Folgen für die Opfer“, betont er. Aus seiner Erfahrung wisse er von Fällen, in denen Überlebende jahrelange Therapien benötigten - oder nie wieder richtig ins Leben zurückfanden.

Die juristischen Konsequenzen für die beiden Festgenommenen könnten gravierend ausfallen. Neben dem Vorwurf des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr steht auch der Verdacht eines versuchten Tötungsdelikts im Raum - ein schwerwiegender Tatbestand mit hohen Strafandrohungen. Im Fall eines versuchten Tötungsdelikts drohen Freiheitsstrafen von bis zu neun Jahren, bei einem vollendeten Mord lebenslange Haft.

Finanzielle Entschädigung ist nur ein kleiner Trost

Zivilrechtlich könnten Betroffene zwar Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadenersatz geltend machen: „Doch das ist oft nur ein kleiner Trost. Hier geht es um Menschenleben.“ Hörning erinnert sich an einen besonders tragischen Fall: Zwei Kinder überlebten auf der Rückbank, beide Elternteile kamen ums Leben. „Solche Taten treffen Menschen im wahrsten Sinne aus heiterem Himmel - das macht sie besonders schwer zu verarbeiten.“

Was Zäune nicht leisten können, muss Bildung übernehmen

Prävention müsse vor allem auf gesellschaftlicher Ebene ansetzen, betonen sowohl der ADAC als auch Jurist Hörning. Bauliche Maßnahmen wie hohe Gitter, Zäune oder Netze an Brücken halten sie dagegen für kaum umsetzbar. „Brücken mit solchen Vorrichtungen auszustatten, wäre ein enormer Aufwand“, heißt es vom ADAC. Allein an den Bundesfernstraßen gibt es über 39.000 Brücken - ein flächendeckender Umbau wäre nach Einschätzung von Experten nicht nur extrem kostspielig, sondern wohl auch kaum abschreckend für potenzielle Täter.

Stattdessen setzt Hörning auf gezielte Aufklärung: „Man sollte Jugendliche schon früh, etwa in der Schule, sensibilisieren - zum Beispiel mit Fotos von Unfallfahrzeugen nach solchen Angriffen. Nicht mit Schockbildern, aber mit klaren Botschaften. Es muss deutlich werden, dass es hier nicht um Nervenkitzel oder Mutproben geht, sondern um lebensgefährliche Straftaten.“

So reagieren Autofahrer richtig bei verdächtigen Beobachtungen

Personen auf Brücken - besonders zu ungewöhnlichen Zeiten oder bei auffälligem Verhalten - sollten ernst genommen und sofort der Polizei gemeldet werden.

Der ADAC warnt vor Panikreaktionen bei verdächtigen Personen auf Brücken. „Auf keinen Fall sollten Sie hektisch bremsen oder ausweichen, wenn Sie jemanden auf einer Brücke sehen“, warnt der Automobilclub. Das könne schlimmere Unfälle verursachen. Stattdessen sei es besser, die Geschwindigkeit kontrolliert zu verringern und bei Bedarf sicher die Spur zu wechseln.

Auch der Seitenstreifen sollte im Blick bleiben - als mögliche Ausweichmöglichkeit. Wenn im Radio eine Meldung über einen Steinewerfer laufe, sei die akute Gefahr meist schon vorbei, da die Täter dann in der Regel geflüchtet seien. „Man sollte ruhig und konzentriert weiterfahren“, so der ADAC weiter. Panisches Suchen nach der Brücke oder dem Täter lenke nur ab und erhöhe das Unfallrisiko.

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