TCarsharing auf dem Estering: Rallycross-Fahrer teilen sich ein Auto

Marco Sandleben (links) und Sandy Wilhelm auf dem Estering, ihrem „Wohnzimmer“. Foto: Andreas Stammer (nomo)
Sandy Wilhelm aus Buxtehude und Marco Sandleben aus Apensen starten in der Deutschen Rallycross-Meisterschaft und teilen sich ein Auto. Das kann zur Herausforderung werden.
Buxtehude. Vor zehn Jahren waren Sandy Wilhelm (35) und Marco Sandleben (31) noch Zuschauer auf dem Buxtehuder Estering, in den Jahren danach engagierten sie sich als Helfer bei den Rennen und wiesen die Fahrer auf ihre Startpositionen.
Und jetzt? Jetzt sitzen Wilhelm und Sandleben selbst hinter dem Steuer und starten bei der Deutschen Meisterschaft, die am Wochenende auf dem Estering begonnen hat. „Das ist schon Wahnsinn, und das auch noch in unserem eigenen Wohnzimmer“, sagt Wilhelm.
Inspiration durch finnischen Rennfahrer
Am Sonntag steht Sandy Wilhelm im Zelt seines Teams und beißt in einen Schokoriegel. Mittagspause auf dem Estering. Die Mechaniker schrauben am Auto. Verwandte, Freunde und Unterstützer stehen vor dem Zelt und essen belegte Brötchen.

Sandy Wilhelm belegte im zweiten Rennen der Saison den zehnten Platz. Foto: Andreas Stammer (nomo)
Booyah Racing steht auf einem Transparent. „Vor zehn Jahren haben wir uns geschworen: Wenn wir mal ein Team haben, nennen wir es so“, sagt Wilhelm. Aber warum?
Rallycross
T Rennfahrer aus Apensen überrascht auf dem Estering
Wilhelm und Sandleben sind Fans des finnischen Rennfahrers Toomas Heikkinen - und der bejubelt Erfolge eben mit dem Ausruf Booyah. Klar.
„Von Autos haben wir eigentlich keine Ahnung“
Dass sie einmal ein eigenes Team haben würden, hätten Wilhelm und Sandleben sich nicht erträumt. „Von Autos haben wir eigentlich keine Ahnung“, sagt Wilhelm. Doch dann kam ein reizvolles Angebot.

Wilhelm und Sandleben starten mit einem Citroën C2 (Mitte). Foto: Scholz
Der Beckdorfer Rallycross-Fahrer Sven Jonas und sein Sohn Mats wollten ihren 122 PS starken Citroën C2 VTS verkaufen. „Das ist ein einfaches, aber gutes Auto, perfekt für den Einstieg“, sagt Sven Jonas, dessen Sohn am Samstag mit dem neuen Ford Fiesta Dritter wurde.
Auf den Spuren Schumachers
Wilhelm und Sandleben zögerten zunächst. Können sie das Projekt zeitlich und finanziell stemmen? Stehen ihre Partnerinnen dahinter? Finden sie Sponsoren, Helfer und Mechaniker?
Sven Jonas machte ihnen ein „gutes Angebot“, wie er selber sagt. „Ich hätte das Auto auch teurer verkaufen können, aber ich weiß, dass die beiden Bock haben und es bei ihnen in guten Händen ist.“
Wilhelm und Sandleben schlugen zu und wurden „Teil des Ganzen“, wie Wilhelm sagt. Schon als kleiner Junge schaute er sich mit der Familie die Formel-1-Rennen von Michael Schumacher an. Heute sitzt er selbst in einem Rennwagen.
Sponsoren, Werkzeug, Testfahrten
Innerhalb von vier Monaten bauten Sandy Wilhelm und Marco Sandleben ein Team auf. Sie haben als Untermieter einen Platz in der Halle des Jonas-Teams bekommen und können auf dessen Werkzeug und Know-how zurückgreifen. „Wir sind super dankbar für diese Unterstützung“, sagt Sandleben.

Wilhelm und Sandleben bauten das Team innerhalb von vier Monaten auf. Foto: Andreas Stammer (nomo)
Außerdem absolvierten sie einige Testfahrten im In- und Ausland, besorgten sich das gleiche Auto für die Ersatzteile und fanden zwei „Schrauber“ in der Familie. Die Kosten - eine gute fünfstellige Summe - stemmen sie unter anderem mit Hilfe von Sponsoren.
Zwei Fahrer, eine Herausforderung
Die beiden kennen sich vom Fußball. Sandy Wilhelm war Spieler in Hedendorf und bis vor zwei Jahren auch Sandlebens Trainer. „Damals sind wir auch mal angeeckt“, sagt Wilhelm. „Aber im Motorsport sind wir uns recht einig.“

Marco Sandleben belegte im ersten Rennen der Saison den siebten Platz. Foto: Andreas Stammer (nomo)
Die beiden starten nun in der Einsteigerklasse DRX N2 und teilen sich die neun Saisonrennen auf. Doch das kann zur Herausforderung werden. „Es kann passieren, dass einer das Auto kaputt fährt und dann ist das Wochenende für uns beide gelaufen“, sagt Sandleben.
Das hält die beiden aber nicht davon ab, Vollgas zu geben. „Wir wollen nicht nur mitfahren, sondern in die Top 10“, sagt Wilhelm.
Voller Fokus auf das perfekte Rennen
Am Wochenende wurden die Vorfreude und die Nervosität immer größer. „Es ist ein anderes Gefühl, im eigenen Auto zu sitzen“, sagt Sandleben, der bereits in der vergangenen Saison mit einem gemieteten Peugeot auf dem Estering gestartet war.
Kurz vor dem Rennen am Samstag versuchte er, alles auszublenden und in Gedanken das perfekte Rennen durchzuspielen. Wo sind die Bremspunkte? Wann schalte ich in welchen Gang? Dann ging es los.

Sandy Wilhelm (Mitte) verpasst das Finale am Sonntag nur knapp. Foto: Scholz
Sandleben zog ins Finale ein. Doch zuvor hatte das Auto einiges abbekommen. Der Querlenker war gebrochen, auch die Getriebehalterung hätte ausgetauscht werden müssen. Aber bis zum Finale waren es nur zehn Minuten.
„Wir haben noch ganz schön Luft nach oben“
Was dann geschah, beeindruckte die Neulinge. „Plötzlich lagen fünf Mann unterm Auto und haben daran gearbeitet“, sagt Wilhelm. Mit Hilfe des Jonas-Teams sei die Getriebehalterung geflickt worden. „Das Rennen wird nicht im Fahrerlager entschieden, sondern auf der Strecke“, sagt Sandleben und zeigte sich von der Hilfsbereitschaft beeindruckt.

Wilhelm und Sandleben bauten das Team innerhalb von vier Monaten auf. Foto: Andreas Stammer (nomo)
Im Finale hatte er dennoch Probleme mit der Schaltung und wurde Siebter und Vorletzter. Sandy Wilhelm verpasste im zweiten Saisonrennen am Sonntag das Finale um einen Platz und wurde Zehnter. „Wir haben die Erwartungen übertroffen, aber noch ganz schön Luft nach oben“, sagt Sandleben. In den acht Klassen gingen knapp 80 Fahrerinnen und Fahrer an den Start.
Jetzt wollen die beiden Erfahrung sammeln und möglichst viele Runden fahren. „Erstmal Meter machen“, sagt Sandleben, denn Testfahrten sind rar und teuer. Nach der Saison wollen sie Bilanz ziehen, ob es sich gelohnt hat. Nur hinterherfahren wollen sie nicht.