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Justiz

TClan-Prozess in Stade: Streit um einen Mordaufruf

Der Angeklagte Mustafa M. sitzt zwischen seinen Anwälten Dinah Busse und Dirk Meinicke im Schwurgerichtssaal.

Der Angeklagte Mustafa M. sitzt zwischen seinen Anwälten Dinah Busse und Dirk Meinicke im Schwurgerichtssaal. Foto: dpa

„Tötet ihn, tötet ihn!“ Das soll ein Mann gerufen haben, bevor der Angeklagte dem Opfer ein Messer in den Kopf gerammt hat. Aber fiel dieser Satz tatsächlich?

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Von Björn Vasel
Sonntag, 27.04.2025, 18:43 Uhr

Stade. Die Verteidigung von Mustafa M. hat im Stader Clan-Prozess durchgesetzt, dass weitere Zeugen zu Wort kommen. Das Verfahren zieht sich in die Länge.

Doch der Erkenntnisgewinn ging - bislang - gegen Null. Weitere Termine sind von der 1. Großen Strafkammer unter dem Vorsitz von Erik Paarmann bereits für Juli angesetzt worden.

Verteidiger: Al-Zeins schüchtern Dolmetscher ein

Die Anwälte von Mustafa M., Dinah Busse und Dr. Dirk Meinicke, versuchen weiter, den von der Anklage erhobenen Vorwurf des Mordes ins Wanken zu bringen. Ihr Mandant hatte Khaled R. am 22. März 2024 am Salztor in Stade ein Messer in den Kopf gestoßen, das Opfer starb später im Elbe Klinikum.

Für die Verteidigung ist Khaled R. kein Unschuldslamm, er saß wegen Drogenhandels mehrere Jahre im Gefängnis. Außerdem habe der Angehörige des Al-Zein-Clans, davon sind die beiden Verteidiger überzeugt, bei der blutigen Auseinandersetzung auf Miris eingeschlagen. Mustafa M. könnte aus ihrer Sicht auch aus Nothilfe gehandelt haben, und nicht vorsätzlich von hinten als heimtückischer Mörder.

„Tötet ihn, tötet ihn!“, soll nämlich vor dem Döner-Imbiss ein Mann gerufen haben, wenig später steckte das Messer von Mustafa M. rund zehn Zentimeter tief im Kopf von Khaled R.. Die Verteidiger wollen diesen Mordbefehl auf einem vom Parkplatz aus aufgenommenen Video gehört haben. Sie vermuten den Unbekannten nicht in den Reihen der Miris, sondern in den Reihen der Al-Zeins. Sie extrahierten den Wortfetzen und ließen den Aufruf vom Arabischen ins Deutsche übersetzen. Doch hat ein Mann tatsächlich „Tötet ihn!“ gerufen?

Das blieb auch am 23. und am 24. Verhandlungstag im Dunkeln. Dem Arabisch-Dolmetscher wurde eine Datei vorgespielt, auf der Rufe zu hören sind. Trotz mehrfacher Wiederholung, auch mit Kopfhörern, konnte der Dolmetscher und Sachverständige die Äußerungen nach eigener Aussage nicht so verstehen.

Die Situation im Schwurgerichtssaal war angespannt. Verteidigerin Busse kritisierte, dass der Sachverständige beeinflusst werde. Einer der Nebenkläger beschwerte sich über die Mimik des Verteidigers Meinicke. Erneut wurde im Gericht wild durcheinander gequatscht. Schließlich erklärte der Dolmetscher: „Ich kann nicht sagen, dass ,Tötet ihn‘ gesagt wurde.“

Sprachwissenschaftler soll Licht ins Dunkle bringen

Die Verteidiger glaubten ihm nicht. Die Al-Zeins, namentlich einer der Nebenkläger, hätten den Dolmetscher ihrer Meinung nach „systematisch eingeschüchtert“. Die Verteidiger wollen das nicht hinnehmen und beantragten am 24. Verhandlungstag ein linguistisches Gutachten.

Ein Sprachwissenschaftler soll die Silbenfetzen aus dem Parkplatzvideo untersuchen.

Die Kammer hat über den Antrag noch nicht entschieden.

Aus Sicht des Anwalts der Nebenklage, Rainer Mertins, geht der Vorstoß der Verteidiger ins Leere. Für die rechtliche Bewertung der Tat von Mustafa M. habe der vermeintliche Ausruf keine Relevanz. Ohnehin würde im Unklaren bleiben, wer vor der tödlichen Messerattacke „Tötet ihn“ gerufen hätte und wer letztlich damit gemeint war. Mertins wies den Vorwurf der Zeugenbeeinflussung zurück. Diese will auch das Gericht nicht bemerkt haben.

Busse legte nach. Die Verteidigerin warf Richter Paarmann erneut vor, „nicht das Interesse zu haben, die Sache aufzuklären“. Paarmann ließ das kalt: „Sie erzählen etwas ins Nirwana.“

Zeugen plagen große Erinnerungslücken

Weitere Zeugen, Passanten und Polizisten, trugen nichts Neues bei. Ohnehin gibt es vor allem bei arabischstämmigen Zeugen große Erinnerungslücken. Ein Zeuge, er kannte Khaled R. seit Kindheitstagen, beobachtete den Polizeieinsatz vor dem Shisha-Laden des Opfers in der Großen Schmiedestraße nach dem Überfall der Al-Zeins auf das Sport- und Shisha-Geschäft der Miris in der Hökerstraße.

Er habe zwischen Eiscafé und Frisör gestanden. Doch er habe nach dem schlimmen Erlebnis „viel „Party gemacht“. Deshalb könne er sich „konkret nicht mehr erinnern“. Allerdings wusste er noch, dass er sich an dem Tag „nicht die Haare geschnitten“ habe. Er habe lediglich mit dem Frisör gesprochen.

Die Verteidiger kündigten an, dass der Angeklagte in einem der nächsten Verhandlungstage sein Schweigen brechen werde.

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