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Traditionsschiff

TDarum wagt sich der Kehdinger Pfahlewer Oderik auf die raue Nordsee

Gischt sprüht über den Bug, die „Oderik von Oederquart“ ist in ihrem Element und auf der Elbe voll in Fahrt.

Gischt sprüht über den Bug, die „Oderik von Oederquart“ ist in ihrem Element und auf der Elbe voll in Fahrt. Foto: Grit Klempow

Ziel Helgoland: Das Traditionsschiff aus Oederquart tauscht in Begleitung von vier Börtebooten Elbe gegen Nordsee. Dahinter steckt eine langjährige Tradition.

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Von Susanne Helfferich
Montag, 05.08.2024, 16:24 Uhr

Freiburg/ Oederquart. Die Idee brachte vor ein paar Jahren der langjährige Oederquarter Ratsherr Heinrich Kühlcke-Schmoldt ins Spiel: Wieso nicht mal wie vor 200 Jahren mit dem Pfahlewer Oderik Äpfel aus Kehdingen nach Helgoland bringen? Schließlich waren die Pfahlewer bis ins 20. Jahrhundert als Fischer- und Frachtewer auf der Elbe unterwegs und seien bis nach Helgoland gefahren, um die Insel mit Obst und Gemüse zu versorgen, so Kühlcke-Schmoldt.

Börteboote im Freiburger Hafen.

Börteboote im Freiburger Hafen. Foto: Helfferich

Es dauerte eine Weile, bis die Helgoländer auf den Vorschlag eingingen. Dabei hegt Nordkehdingen, insbesondere Freiburg, eine besondere Beziehung zu Helgoland: Auf der Freiburger Hatecke-Werft wurden seit den 1950er Jahren rund 30 Börteboote gebaut, die im Sommer zum Ausbooten zwischen den auf der Helgoländer Reede ankernden Seebäderschiffen und der Landungsbrücke eingesetzt wurden.

Vor zehn Jahren hat sich in Freiburg der Verein zum Erhalt Helgoländer Börteboote gegründet, der 2018 erreichte, dass die Börteboote als deutsches Kulturerbe auf der Anwärterliste für das immaterielle Weltkulturerbe stehen. Dafür sind ein Teil der Vereinsmitglieder mit zehn Booten auf dem Wasserweg nach Berlin geschippert.

20 Jahre lang im Dornröschenschlaf

2014 hat sich nicht nur der Börteboote-Verein gegründet, es lief in diesem Jahr auch der Pfahlewer Oderik auf der Hatecke-Werft vom Stapel. Er gehört der Gemeinde Oederquart, die einzige Nordkehdinger Gemeinde ohne Elbzugang. Das ist schon kurios. Aber auch die Geschichte des Ewers ist eher ungewöhnlich.

Die Oderik ist ein Nachbau der im 18. Jahrhundert verbreiteten Pfahlewer. 20 Jahre lag der Rumpf des Bootes auf der Freiburger Werft im Dornröschenschlaf, bis ihn 2010 Otto Wachs, ein Freund Hateckes, entdeckte. Der Eigentümer, der die Werft mit dem Ausbau beauftragt hatte, war seit Jahren verschollen. Wachs gab das Startkapital, damit das Boot fertig gebaut wird, die Gemeinde Oederquart kaufte den Ewer und machte ihn zum Sinnbild ihrer Dorferneuerung. „Alle in einem Boot“, war das Motto.

Autor Holger Bünning legte ein gutes Wort ein

Inzwischen ist die Oderik für Taufen und Hochzeiten im Einsatz. Als schwimmende Außenstelle des Standesamtes darf sie allerdings nur im Freiburger Hafen unterwegs sein. Auch kann sie für Ausfahrten gebucht werden, auf Spendenbasis, und für die Oederquarter kostenlos. 25 bis 40 mal im Jahr ist Oderik auf Tour, gerne zu Hafenfesten in der Region; etwa in Wedel, Glückstadt oder Bremerhaven, erzählt Ulrich Wist, einer von sechs Fahrern des Oderik.

Mit der „Oderik von Oederquart“ können Paare im wahrsten Sinne in den Hafen der Ehe einlaufen.

Mit der „Oderik von Oederquart“ können Paare im wahrsten Sinne in den Hafen der Ehe einlaufen. Foto: Melanie Kluth

Zurück zu den Äpfeln: Wist übernahm schließlich die Initiative und schlug der Gemeinde vor, die Apfel-Tour zu organisieren. Als Ende Mai beim Freiburger Hafenfest Helgolands Bürgermeister Jörg Singer zu Gast war - es wurde dabei auch das Zehnjährige des Vereins zur Erhaltung der Börteboote gefeiert -, klinkte sich Vorstandsmitglied Holger Bünning aus Helgoland ein und brachte Wist und Singer zusammen. „Mit Bünnings Hilfe haben wir die Aktion da fix gemacht“, so Wist, zumal die Einnahmen aus dem Apfelverkauf für die Jugendarbeit auf der Insel gespendet werden.

Um 4.30 Uhr geht es am Sonnabendmorgen los

Sonnabendfrüh um 4.30 Uhr sollte es losgehen. Der Oederquarter Obstbauer und ehrenamtliche Oderik-Fahrer Christoph Kruse hat 300 Kilogramm der Frühapfelsorte Collina spendiert. Klein, kugelig, süß-säuerlich wird der Apfel beschrieben. Die Äpfel sollen am Sonntag ab 16 Uhr bei Helgolands Landungsbrücken tütenweise und gegen eine Spende von mindestens 3 Euro verkauft werden. Ursprünglich sollte es erst am Sonntag zur Insel gehen, „aber am Sonntag ist ungünstiger Wind“, weiß Rainer Hatecke, „Windstärke 5 bis 6 aus Nordwest. Mit ablaufend Wasser gegen den Strom kann das kippelig werden“. Die Nordsee ist ein anderes Areal als die Elbe.

Sie bringen am Wochenende Äpfel aus Kehdingen nach Helgoland: Bootsbauer Rainer Hatecke, Christoph Kruse mit Sohn Jakob, Uli Wist und Heinrich Kühlcke-Schmoldt (von links).

Sie bringen am Wochenende Äpfel aus Kehdingen nach Helgoland: Bootsbauer Rainer Hatecke, Christoph Kruse mit Sohn Jakob, Uli Wist und Heinrich Kühlcke-Schmoldt (von links). Foto: Susanne Helfferich

Käptn auf der Oderik ist Uli Wist. Er fährt unter dem Geleit von vier Börtebooten. „Das passt mir ganz gut“, sagt Bootsführer Uli Wist, „ich würde nicht gerne allein fahren. Im Verbund fühle ich mich sicherer.“ Er und seine Frau Ina verbinden die Apfel-Tour mit einem Urlaub auf der Insel und bleiben bis zur Börteboot-Regatta. Traditionell am 10. August finden sich ungefähr 20 Börteboote von Helgoland oder vom Festland zusammen und messen sich in einem Rennen. Mit dabei sind aus Freiburg die Boote Spikkerpeter, Störtebecker, Frauke und Freya. Danach geht es wieder im Verbund zurück, nur ohne Äpfel.

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