Zähl Pixel
Kulturkritik

TDarum war das Stadeum der falsche Ort für Nightwash

Newcomer Serkan Ates-Stein bringt persönliche Geschichten mit Freestyle-Beatboxen in Einklang.

Newcomer Serkan Ates-Stein bringt persönliche Geschichten mit Freestyle-Beatboxen in Einklang. Foto: Buchmann

Das beliebte Comedy-Format bringt vier junge Talente nach Stade. Mit Pussy Juice und Beatboxen kämpfen sie um die Zuschauergunst - doch etwas Wichtiges fehlt.

author
Von Steffen Buchmann
Freitag, 27.09.2024, 17:20 Uhr

Stade. Wäsche waschen macht wohl niemandem Spaß. Im SB-Waschsalon in Köln-Zollstock ist das anders. Seit 23 Jahren tritt dort der deutsche Stand-up-Nachwuchs zur Nightwash auf, das Publikum sitzt auf Waschmaschinen und Klapphockern.

Am Donnerstag kam das Nightwash-Format ins Stadeum und verwandelte den Saal in eine Wäschetrommel - mit Pussy Juice als Waschzusatz.

Bekannte Komikergrößen wie Mario Barth, Bülent Ceylan oder Carolin Kebekus gaben sich bei Nightwash schon die Klinke in die Hand. In Stade übernimmt ein paritätisches Newcomer-Ensemble die Bühne. In zwei Runden treten Serkan Ates-Stein, Karo Bender sowie Lara Autsch nacheinander ans Mikrofon. Moderative Brücken zwischen den etwa 20-minütigen Einzelauftritten schlägt Friedrich Herrmann, ebenfalls Jung-Komiker.

Geschickt den Cringe umschiffen

Ähnlich wie beim Poetry-Slam konkurrieren die vier Künstler um die Gunst des Publikums, allerdings ohne finale Applaus-Abstimmung. Jeder der vier hat sich für das Bühnengefecht ein eigenes Witze-Waffenarsenal zusammengestellt.

Friedrich Herrmann und Serkan Ates-Stein nutzen ihre Herkunft als Schwarzpulver für die Lachmunition (Herrmann stammt aus einer Pastorsfamilie in Thüringen, Ates-Stein hat türkische Wurzeln und wuchs in einem katholischen Jungeninternat auf).

Moderator Friedrich Herrmann beschenkt eine Zuschauerin mit Sekt.

Moderator Friedrich Herrmann beschenkt eine Zuschauerin mit Sekt. Foto: Buchmann

Rohrkrepierer bleiben aus, wirkliche Witzinnovationen jedoch auch. Herrmanns Moderation plätschert zwischen garstigen Oma-Anekdoten und langatmiger Publikumsinteraktion dahin. Er bringt den Saal in einem Moment jedoch kollektiv zum Lächeln: Nämlich beim Experiment, ob das Hochziehen der Mundwinkel klingt wie eine Ratte beim Laufen durch eine Pfütze. Ergebnis: Ja, tut es.

Ates-Stein ergänzt seinen Schnellsprech-Stil überraschend mit musikalischem Freestyle-Talent, weshalb seine Boygroup-Gesangseinlagen und Beatbox-Cover von Billie Eilish geschickt den Cringe umschiffen.

Provokant und schreiend komisch

Karo Bender ist Stade nicht fremd. Früher habe die Bremerin in der örtlichen Arbeitsagentur hinter dem Schreibtisch gesessen. Inzwischen ist sie zweimal geschieden, versteht jedoch nicht warum. Mit dem Publikum geht die korpulente Blondine daher auf Ursachenforschung: Liegt es an ihren Extrapfunden oder daran, dass sie verrückt ist?

Sie bringt definitiv den provokantesten Auftritt auf die Bühne. Mit norddeutscher Direktheit schleudert sie Zoten um tödliche Pussy-Juice-Unfälle und Nutella-Fantasien im Regenponcho in die Menge. Im ersten Durchgang noch von den Derbheiten überrumpelt, tauen die Zuschauer nach der Pause auf und honorieren Karo Benders leidenschaftliche Muffinmänner-Definition mit Applaus und schallendem Gelächter.

Stadeum zu steril für echten Stand-up

Rebellisch und schräg präsentiert sich Lara Autsch im Stadeum. Mit nasal-krächzender Stimme und quietschigem Lachen legt die Kölner Komikerin es darauf an, das Publikum aus seiner humoristischen Komfortzone zu locken. Doch ihre Anekdoten über Footjobs, Mitleid-Flirts und öffentliches Brüsteentblößen sorgen für eher verhaltenes Schmunzeln. Dass der Funke nicht überspringt, liegt jedoch weniger am Talent der 32-Jährigen, sondern an einem anderen Faktor: dem Stadeum selbst.

Im Stand-up starten die meisten Komiker ihre Karriere. Die Bühnen sind winzig und schlecht ausgeleuchtet. Die Zuschauer auf Klappstühlen kommen den Künstlern platzbedingt oft so nah, dass sie jede Schweißperle zählen können. Doch wenn es zwischen Künstler und Publikum funkt, springt dieser vom Newcomer unmittelbar auf die Klappstuhl-Menschen über. Stand-up ist wie Poetry-Slam eine nischige Kunstform, die den braven Edelkultur-Chichi gegen vulgären Indie-Ranz tauscht und daraus seinen Anreiz zieht. Dass Nightwash seinen urigen Kölner SB-Waschsalon nicht mit auf Tour nehmen kann, steht außer Frage. Doch in der Weitläufigkeit und Sterilität des Stadeums bleibt vom Nightwash-Charme nicht viel übrig - trotz lila-strahlender Wäschetrommeln am Bühnenrand.

Weitere Artikel