TDeich als „Sprungschanze“: Landwirt erlebt fünften Wolfsangriff

Bei einem der Schafe rissen die Wölfe den Bauch auf. Foto: privat
Matthias Küver, Landwirt in Odisheim aus dem Kreis Cuxhaven, ist schockiert. Erneut schlug der Wolf auf einer seiner Weiden zu. Landvolk und Jägerschaft reicht’s: Sie kündigten ihre Mitarbeit auf.
Landkreis Cuxhaven. „Ich halte nun seit rund 25 Jahren Schafe. Aber die Angst, dass der Wolf noch einmal kommt, ist nun am größten“, erzählt Matthias Küver, der immer noch geschockt ist von dem, was sich auf einer seiner Weiden abspielte. Schon zum fünften Mal wurden seine Schafe vom Wolf angegriffen. „Wahrscheinlich hat der Wolf den Kanaldeich als Sprungschanze genommen und ist so in die Weide gelangt“, vermutet der Odisheimer. Eines seiner Lämmer wurde von dem Raubtier getötet.
Wieder Wolfsangriff im Landkreis Cuxhaven: Klare Indizien
Ein Rissbegutachter der Landwirtschaftskammer wurde über einen mutmaßlichen Wolfsübergriff in der Samtgemeinde Land Hadeln informiert. „Am Donnerstagvormittag war einer meiner Fachkollegen zur Rissbegutachtung vor Ort. Auf einer Weide sind ein Schaf getötet sowie sechs Schafe verletzt worden. Die Spuren vor Ort weisen auf einen Wolfsübergriff hin, daher lautet das amtliche Ergebnis der Rissbegutachtung: Wolf“, erklärte Wolfgang Ehrecke, Sprecher der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, auf Anfrage unserer Redaktion. An den betroffenen Tieren seien routinemäßig auch DNA-Proben genommen worden.
Landwirt: „Ich habe Angst, dass es wieder passiert“
Von seinem Hof aus hält der Odisheimer Landwirt Matthias Küver insgesamt 65 Muttertiere verteilt auf vier Weiden. Am Donnerstag verlor Küver auch ein erst im Dezember 2023 geborenes Lamm. Zwei weitere Tiere wurden schwer verletzt und zwei weitere leicht. Für zwei Schafe, die von der Landwirtschaftskammer als verletzt angesehen wurden, konnte der Tierarzt des Odisheimers Entwarnung geben. Sie hatten nur das Blut der anderen Tiere in der Wolle.

Zwei der sechs Schafe, die verletzt wurden. Foto: privat
„Die schwer verletzten Schafe habe ich in den Stall geholt, um sie dort weiter zu behandeln. Allerdings weiß der Tierarzt noch nicht, ob die beiden Schafe den Angriff überhaupt überleben“, sagt Küver resigniert. Den Schaden, den der Odisheimer durch den Wolf erlitt, kann er aktuell nur schätzen: „Ich denke, bei dem getöteten Lamm beläuft sich der finanzielle Schaden auf etwa 130 bis 150 Euro. Hinzu kommen noch die Tierarztkosten für die verletzten Tiere.“ Die emotionalen Auswirkungen bei dem Schafhalter sind nach dem erneuten Vorfall darüber hinaus extrem.
Der Landwirt vermutet, dass der Wolf den Kanaldeich in Odisheim als Sprungschanze genutzt hat, um über den 1,20 Meter hohen wolfsabweisenden Zaun zu springen. Denn durch die Drähte des Zaunes fließen um die 6000 Volt und Küver fand auch kein Eintrittsloch in seinem Zaun. „Um für noch mehr Sicherheit zu sorgen, werde ich den Zaun jetzt noch auf zwei Meter erhöhen. Wenn ich meine Tiere in Zukunft auf die Weide lasse, werde ich aber immer ein unwohles Bauchgefühl haben“, ist sich Matthias Küver sicher.
Landvolk verlässt das Dialogforum Wolf
Weidetierhalter, Jäger und Landwirte haben am Freitag zudem das Dialogforum zum Wolf verlassen. Wie das Landvolk mitteilte, lassen die Mitgliedsverbände des Aktionsbündnisses aktives Wolfsmanagement ihre Mitarbeit ruhen. „Wir zweifeln an der wahren Absicht, für unsere Weidetierhalter zeitnah Lösungen durchzusetzen, denn Ansätze hierzu haben wir seit Jahren geliefert“, sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses und Landvolk-Vizepräsident, Jörn Ehlers, laut Mitteilung. „Die Missachtung unserer Mitarbeit seitens der Landesregierung sowie deren Umgang mit allen Gruppen, die im Aktionsbündnis aktives Wolfsmanagement vereint sind, lassen aktuell keinen anderen Schritt als ein Aussetzen der Mitarbeit zu.“ In dem Bündnis sind zahlreiche Verbände vertreten - etwa aus der Landwirtschaft, Landesjägerschaft, Tierzucht und Tierhaltung.
Niedersachsens Landesregierung hatte das Forum im Februar 2023 gestartet. Umweltminister Christian Meyer und Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (beide Grüne) wollten über das Dialogforum Lösungen für ein weniger konfliktbelastetes Nebeneinander von Mensch und Wolf finden. Zum Dialogforum wurden neben dem Aktionsbündnis auch Naturschutzverbände, Vertreter aus der Wissenschaft, die zuständigen kommunalen Behörden sowie weitere Organisationen und Verbände eingeladen.
Umgang mit Wolf umstritten
Niedersachsens Weidetierhalter warten nach Angaben des Landvolks seit Jahren auf praxisnahe Lösungen im Umgang mit dem Wolf. Das Aktionsbündnis kritisierte die Arbeit im Forum. „Wir drehen uns weiter im Kreis, werden weiter hingehalten, nichts passiert“, so Ehlers. „Das ist schon lange kein Dialog mehr.“
Umweltminister Meyer und Landwirtschaftsministerin Staudte können den Ausstieg des Bündnisses nach Angaben ihrer Pressestellen nicht nachvollziehen. Beide Ministerien hätten die Mitglieder des Dialogforums laufend und immer zeitnah über die aktuellen Entwicklungen unterrichtet. „Die Zusammenarbeit war in der Vergangenheit stets konstruktiv und wir würden uns wünschen, weiterhin in guten Gesprächen zu bleiben“, betonte eine Sprecherin des Umweltministeriums. Es gebe bereits gute Erfolge bei der Umstellung der Herdenschutzförderung. „Auch das neue Schnellabschussverfahren wurde etabliert und bereits in der Region Hannover angewendet.“
Der Sprecherin zufolge haben einzelne Tierhalterverbände, die ebenfalls Teil des Aktionsbündnisses sind, weiter um Gespräche gebeten. „Diesem Wunsch werden wir selbstverständlich nachkommen.“ Beide Ministerien sehen das Dialogforum als geeigneten Rahmen, um beim Thema Weidetierhaltung und Wolf weiterhin mit allen Beteiligten voranzukommen und beim Wolfsmanagement gemeinsam Fortschritte zu erzielen.
Gericht untersagt Abschuss von Wolf
Derweil hat das Verwaltungsgericht Oldenburg die umstrittene Abschussgenehmigung für einen Wolf aus der Region Hannover vorerst untersagt. Am Freitag gaben die Richterinnen und Richter einem vorläufigen Rechtsschutzantrag der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe statt, teilte das Gericht mit. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, eine Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg ist möglich (Az.: 5 B 969/24).
Die Richter bezweifeln die Rechtmäßigkeit eines Kerngedankens der kürzlich neu gefassten Abschussregelung des Landes: Während bislang nach einem Wolfsriss eine DNA-Analyse abgewartet werden musste und nur der Wolf zum Abschuss freigegeben wurde, der das Weidetier gerissen hatte, sind nach der neuen Regel unter bestimmten Bedingungen Schnellabschüsse möglich, ohne dass die Frage nach der Identität des geschossenen Wolfes gestellt wird. Die vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) erteilte Schnellabschusserlaubnis sei nach Ansicht der Oldenburger Richter in dieser Hinsicht mit Blick auf das Bundesnaturschutzgesetz unzulässig, hieß es in der Pressemitteilung.
Hahnöfersand
T Erstmals Wolfs-Attacke im Alten Land: Schafe getötet
Wolfsmanagement: Niederlage für Minister Meyer
Die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe begrüßte die Entscheidung des Gerichts. „Dies ist eine klare Absage gegen das von Minister Meyer angekündigte Testverfahren für Schnellabschüsse“, teilte der Verein am Freitag in Essen mit. Aus Sicht des Vereins können für die Risse in der Region Hannover sechs verschiedene Wölfe infrage kommen. „Wir fordern das Land Niedersachsen zum wiederholten Mal auf, die unsinnige Darstellung aufzugeben, dass Rinder und Pferde per se wehrhaft sind und ein Mindest- oder Grundschutz, z.B. in Form von wolfsabweisender Zäunung nicht notwendig sei“, hieß es in der Mitteilung.
Landesumweltminister Meyer zeigte sich über den Beschluss des Verwaltungsgerichts hingegen verwundert. „Wir prüfen den Beschluss und die Gründe jetzt gründlich“, ließ der Grünen-Politiker mitteilen. Sein Ministerium sei von der Rechtmäßigkeit des Vorhabens überzeugt. Sowohl der Bund als auch die EU-Kommission hätten das Schnellabschussverfahren schriftlich bestätigt. Daher behalte sich sein Haus vor, Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einzureichen.
Den Rechtsstreit hatte der Riss eines Rindes bei Hannover ausgelöst. In dem Gebiet waren seit 2023 mehrfach Rinder von Wölfen getötet worden. Mit diesem Umstand begründet das Ministerium das erstmals angewandte Schnellverfahren zum Abschuss von einem Wolf. Das getötete Rind war nach früheren Angaben des Ministeriums Teil einer Herde mit rund 30 erwachsenen Heckrindern und einem Jungbullen. Heckrinder gelten laut Ministerium als sehr robust und es sei keine Kälberweide gewesen.
Diskussionsveranstaltung in Wingster Reithalle
Um über die Zukunft der Weidetierhaltung zu sprechen, findet am 10. April um 19 Uhr eine Diskussionsveranstaltung in der Reithalle Wingst-Dobrock statt. Unter der Moderation von Stefan Aust werden unter anderem Gäste wie der Europa-Abgeordnete David McAllister, Umweltminister Christian Meyer, der Präsident des deutschen Jagdverbandes, Helmut Dammann-Tamke, und der Wolfsberater Michael Ohloff vor Ort sein. Auch Vertreter vom NABU, der Landwirtschaftskammer und des Landvolkes nehmen an der Diskussionsveranstaltung teil. (mit dpa)