TDer Taumelkäfer: ein Spitzenmodell der Evolution

Taumelkäfer flitzen über die Wasseroberfläche. Foto: Reinhard Paulin
Sie rasen mit unglaublicher Geschwindigkeit und in wilden Kreisen wie kleine Rennautos auf der Wasseroberfläche hin und her. Taumelkäfer, auch Kreiselkäfer genannt, sind die Ferraris auf dem Wasser
Landkreis. Manchmal veranstalten sie untereinander kleine Verfolgungsjagden. Geschickt und reaktionsschnell weichen sie Hindernissen aus. Nie kommt es zu Kollisionen untereinander. Tauchen können sie auch. Sie ernähren sich von allen kleinen lebenden oder toten Insekten, die sie im Bereich der Wasseroberfläche finden. Blitzschnell ergreifen sie ihre Beute. Taumelkäfer sind Spitzenmodelle der Evolution. Sie zeugen von einer perfekten Angepasstheit an den Lebensraum. Was hilft diesen Käfern, Geschwindigkeitsrekorde ohne Kollision zu vollbringen und sich dabei perfekt zu orientieren?
Erstens: Der Körper ist perfekt stromlinienförmig und fast völlig glatt. So bietet der ovale Körper sehr wenig Widerstand. Er ist auch extrem flach, so dass ein Taumelkäfer elegant und fast schwerelos auf dem Häutchen der Wasseroberfläche gleiten kann. Zweitens: Unter den Flügeldecken wird immer ein Luftpaket mitgenommen. Das macht den Käfer beim Gleiten noch leichter. Wenn es die Situation erfordert, hat er auch genügend Luft beim Tauchen. Drittens: Die kleinen Beine sind sehr flach und können je nach Situation eng an den Körper gezogen werden. Die mittleren und letzten Beinpaare sind zu einem Ruder geformt. Sehr flache und bürstenförmig angeordnete Haare vergrößern seine Ruderfläche.
Ein perfekter Mechanismus mit besonderen Hebelwirkungen und starker Muskulatur machen es möglich, dass diese Mini-Paddel unfassbar schnell bewegt werden können. Zündet der Käfer den Turbo, dann sollen 25 bis 30 Paddelschläge pro Sekunde möglich sein. So erreicht der Käfer Geschwindigkeiten von 50 Zentimetern in der Sekunde. Bezogen auf seine Größe ist er das schnellste bekannte Wasserinsekt. Viertens: Ein Taumelkäfer besitzt geteilte Augen. Das ist unter Insekten einmalig. Der obere Augenteil nimmt Reize aus dem Sonnenlicht auf. Die untere Augenhälfte ist zum Unterwasser-Sehen geeignet. Die Oberflächen und Linsen der beiden Augen sind unterschiedlich gestaltet, so dass jeweils ein klarer Blick nach oben und unten möglich ist. Der Taumelkäfer kann über und unter Wasser nach Nahrung Ausschau halten.
Fünftens: Zwischen den Augen sind seine Fühler so eingelenkt, dass sie flach auf der Wasseroberfläche liegen. Sie können mikroskopisch feine Wellenbewegungen auf dem Wasser aufnehmen. Treffen zum Beispiel die selbst erzeugten Wellen auf einen Gegenstand, dann werden sie von dort zurückgeworfen. Mit Hilfe der Fühler vermag der Käfer das wahrzunehmen. Er kann so jede Wellenbewegung und jeden Gegenstand identifizieren: Handelt es sich um ein Beutetier, das auf der Wasseroberfläche zappelt? Nähert sich ihm ein Käferkollege aus der Gruppe? Befindet sich ein Gegenstand auf dem Wasser, dem er ausweichen muss? Alles das nimmt ein Taumelkäfer mit Hilfe der besonders ausgebildeten Fühler blitzschnell wahr – und entscheidet sich ebenso schnell. Schon seit etwa 200 Millionen Jahren, der Jurazeit, gibt es Taumelkäfer auf der Erde. Das zeigt: Ihr Bauplan hat sich bis heute als sehr erfolgreich erwiesen.
Die Serie
Was kreucht und fleucht denn da in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge. Die erfolgreiche TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Jetzt ist der zweite Band von Wolfgang Kurtze im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes. Erhältlich ist das reich illustrierte und in Jahreszeiten gegliederte Werk im Buchhandel für 19,90 Euro.