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Sprache

TDer, die, das: Wandel macht auch vor Schiffsnamen nicht halt

Die „Schulschiff Deutschland“ an ihrem Liegeplatz im Neuen Hafen von Bremerhaven.

Die „Schulschiff Deutschland“ an ihrem Liegeplatz im Neuen Hafen von Bremerhaven. Foto: Arnd Hartmann

Die „Schulschiff Deutschland“? Ein Artikel wirft Frage auf. Ein ehemaliger Schiffsoffizier kennt Antworten.

Von Ismail Kul Dienstag, 03.09.2024, 07:40 Uhr

Bremerhaven. Ist die deutsche Sprache eine schwierige Sprache? Ist sie sogar eine furchterregende Sprache, wie es der amerikanische Schriftsteller Mark Twain in seinem nicht so ganz ernst gemeinten Aufsatz „Die schreckliche deutsche Sprache“ von 1880 behauptet hat? Eigentlich nicht. Es kommt darauf an, von welcher Sprache aus jemand Deutsch lernt – ob von einer verwandten Sprache wie Niederländisch oder Dänisch oder einer Sprache ganz anderer Struktur.

Gleichwohl bereiten drei unterschiedliche grammatikalische Artikel für Namen Schwierigkeiten, die nicht unbedingt einer Logik folgen. Deutschlernende aus aller Welt können davon viele Lieder für ganze Alben singen. Dass die Artikelverwendung aber auch unter Muttersprachlern für Meinungsverschiedenheiten sorgen kann, belegt eine Leserreaktion auf eine Kolumne in der „Nordsee-Zeitung“.

Zeitungsartikel löst Reaktion aus

In einem Artikel Anfang August ging es um die Eigenheiten der deutschen Sprache und speziell um die Frage, warum etwa das „Schulschiff Deutschland“ „die Schulschiff“ heißen soll. In der Veröffentlichung wurde die Begründung für die grammatisch weibliche Form der Bezeichnung erwähnt, wonach sie auf die alten Seeleute zurückgehe, die auf ihren langen Reisen auf hoher See ihre Schiffe wie ihre Frauen ansahen. Daraufhin hat sich Peter Dittrich gemeldet.

Er hält die Begründung mit den alten Seeleuten nicht für korrekt. Nach seinen Ausführungen sei die „Schulschiff Deutschland“ auch nicht immer mit dem weiblichen Artikel bezeichnet worden. Über diese Frage hat Peter Dittrich einen wissenschaftlichen Artikel verfasst – veröffentlicht im Jahrbuch der Männer vom Morgenstern, Band 89, Jahr 2010. Er trägt die Überschrift „Es hieß: der Imperator und der Columbus“, ist sieben Seiten lang und mit 78 Fußnoten versehen.

Peter Dittrich hat auf der „Schulschiff Deutschland“ einen Teil seiner Ausbildung zum Matrosen absolviert.

Peter Dittrich hat auf der „Schulschiff Deutschland“ einen Teil seiner Ausbildung zum Matrosen absolviert. Foto: Ismail Kul

Artikelverwendung bei Schiffen studiert

Warum schreibt Peter Dittrich über dieses Thema? Welchen Bezug hat er dazu? Peter Dittrich, geboren 1940 in Karlsruhe, ist ein seit dem Jahr 2002 pensionierter Lehrer für die Fächer Englisch, Geografie und Biologie. Unterrichtet hat er zuletzt in der Lutherschule in Bremerhaven. Seine Publikation geht auf sein Studium der Geschichte in Bremen zurück, das er neben seinem Berufsleben als Lehrer zwischen den Jahren 1992 und 2002 absolviert und mit einem Doktortitel abgeschlossen hat.

Dittrichs Bezug zum Thema beschränkt sich aber nicht nur auf sein Studium der Geschichte. In seinem ersten Berufsleben hat sich der mittlerweile 84-Jährige zum Matrosen ausbilden lassen und ist bis zum 1. Offizier aufgestiegen. Er war viel auf den Weltmeeren unterwegs, ist nach Brasilien, Argentinien, den USA, in den Persischen Golf, nach Australien und Neuseeland gefahren, bevor er von der See genug hatte und an Land zum Lehrer umsattelte.

Teil der Ausbildung auf der „Schulschiff Deutschland“

Zur „Schulschiff Deutschland“ hat Peter Dittrich auch einen persönlichen Bezug. „Ich wollte Kapitän werden. Dazu musste man eine Ausbildung zum Matrosen durchlaufen, das war damals ein Ausbildungsberuf“, erzählt er. Den schulischen Teil der Ausbildung hat Peter Dittrich auf der „Schulschiff Deutschland“ absolviert. Damals lag das 1927 gebaute Schiff in Bremen neben der Eisenbahnbrücke in der Nähe der Innenstadt, der Rumpf war schwarz angemalt.

„Mit 60 Schiffsjungen habe ich zwischen Mai und September 1957 den schulischen Teil der Ausbildung auf dem ,Schulschiff Deutschland‘ absolviert“, erzählt Peter Dittrich und kommt zum Thema: „Damals haben wir alle das Schiff das ,Schulschiff Deutschland‘ genannt“, sagt er. „Früher wurden Schiffe mit einer männlichen Bezeichnung wie Löwe oder Columbus immer mit dem maskulinen Artikel bezeichnet“, so Dittrich weiter.

Anglisierung der deutschen Sprache

Als Beispiel nennt er den Dampfer Imperator, der im Mai 1912 vom Stapel lief. Die Tagespresse habe damals stets von dem Imperator gesprochen. Später habe sich die weibliche Nennung auch bei Schiffen mit männlichen Bezeichnungen durchgesetzt. Das führt er auf die Internationalisierung der Schifffahrt zurück. Und auf die Anglisierung der deutschen Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg.

Eine Entwicklung, die der 84-Jährige als eine normale Entwicklung der Sprache akzeptiert. „Die Sprache ist etwas Lebendiges. Wie der Mensch, so entwickelt sich auch die Sprache“, so Dittrich. Doch über heutige Anglizismen muss er als ehemaliger Englischlehrer schmunzeln, wenn englische Begriffe sich im Deutschen völlig losgelöst von ihrer ursprünglichen Bedeutung einbürgern.

„Das ist völlig irre“, sagt er. „Ein Engländer wird das nicht verstehen. Für das gemeinsame Schauen von live übertragenen Veranstaltungen auf Großleinwänden im Freien sagen wir Public Viewing. Darunter versteht der Engländer eine Leichenschau.“

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