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TDer große Streit um das geplante Stader Holzkraftwerk

Die kleine, weiße Ruine der einst geplanten Müllverbrennungsanlage direkt an der Elbe ist auf dem AOS-Gelände gut zu erkennen. Links davon soll ein Holzkraftwerk entstehen.

Die kleine, weiße Ruine der einst geplanten Müllverbrennungsanlage direkt an der Elbe ist auf dem AOS-Gelände gut zu erkennen. Links davon soll ein Holzkraftwerk entstehen. Foto: Martin Elsen

Es geht um die Meinungshoheit: Im Stader Industriegebiet soll ein Holzkraftwerk gebaut werden. Eine Bürgerinitiative kritisiert das heftig, die Politik hält entschlossen dagegen.

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Von Lars Strüning
Montag, 13.01.2025, 10:35 Uhr

Stade. Die Firma Hansekraft will auf dem Gelände direkt neben der AOS für einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag ein Kraftwerk nach neuestem Standard bauen, das aus nicht verwertbarem Altholz Strom, Dampf und Wärme erzeugt. Das Grundstück an der Elbe, das Hansekraft für sich beansprucht, ist 82.000 Quadratmeter groß.

Hansekraft will pro Jahr 500.000 Tonnen verfeuern

Das Holz, das hier verfeuert wird, soll per Schiff im nahe liegenden Stader Seehafen gelöscht werden. Das Unternehmen rechnet mit 50 Schiffsladungen pro Jahr. Das sind etwa 500.000 Tonnen jährlich. Das Holz komme vorwiegend aus den Niederlanden, aus Belgien, Frankreich, England oder Polen.

Aus dem Rohstoff will Hansekraft pro Jahr 1,2 Millionen Megawattstunden Prozessdampf und 300.000 Megawattstunden grünen Strom erzeugen. Hinzu kämen 150.000 Megawattstunden Wärme. Der Wirkungsgrad der Anlage liege wegen der Kraft-Wärme-Kopplung mit der Industrie und der Nah- und Fernwärmenutzung bei deutlich über 80 Prozent. Das Unternehmen verspricht, dass durch den Einsatz von moderner Technik wie Rauchgaswäsche und Filtertechnik weder Lärm- noch Geruchsbelästigungen entstehen.

Die Bürgerinitiative für eine umweltverträgliche Industrie Bützfleth sieht die Pläne und die Ankündigungen sehr kritisch, was wiederum die Mehrheit im Stader Rat und im Bützflether Ortsrat nicht nachvollziehen kann.

Kleine Gruppe verbreitet „Angst und Schrecken“

Daniel Friedl, CDU-Fraktionsvorsitzender im Stader Rat, spricht von der „schweigenden Mehrheit“, die das Projekt positiv sehe. Ähnlich ordnet es SPD-Fraktionschef Kai Holm ein: „Ein Großteil ist von dem Konzept überzeugt, eine kleine Gruppe haut auf die Sahne und versetzt die Menschen in Angst und Schrecken.“ Damit meint er die Bürgerinitiative (BI). Etwas gnädiger geht Karin Aval von den Grünen mit den Kritikern um.

Sie könne die Skepsis der Nachbarn zum Industriegebiet verstehen, gerade auch nach der Vorgeschichte mit der gescheiterten Müllverbrennungsanlage. Aval war lange Jahre Mitarbeiterin der Umweltbehörde Hamburg, kennt sich mit der Materie aus. Sie sagt: „Ich teile die Bedenken der BI nicht.“

Inhaltlich steht die große Mehrheit im Rat hinter der Idee der Altholzverbrennung. „Das ist ein gutes Konzept von vorn bis hinten“, sagt Holm. Es bestehe durch das Holzkraftwerk die einmalige Chance, in Stade eine Fernwärmeleitung zu bauen, die nicht nur Ortschaften wie Bützfleth und Schölisch, sondern auch das Stader Airbuswerk mit Energie beliefern könnte. Einem großen Nutzen stehe ein geringer Schadstoffausstoß gegenüber.

Kommen Fernwärme und Hafenausbau?

Auch Enrico Bergmann von der FDP/UBLS-Gruppe sieht in der avisierten Fernwärme-Lösung eine verlässliche und kostengünstige Alternative. Die Stadtwerke Stade sind im Gespräch mit Hansekraft. Es besteht die Hoffnung, dass mit der Ansiedlung des Kraftwerks auch der seit langem geforderte Ausbau des Stader Seehafens gen Norden realisiert wird. Erste Pläne dafür sind vorhanden.

Wie berichtet ist die AOS an dem bei der Verbrennung entstehenden Dampf interessiert. Das könnte den Standort sichern. Auch eine Zusammenarbeit mit dem Dow-Werk ist angedacht, um das CO2 umzuwandeln.

Wichtig ist den Politikern auch, dass es sich ausschließlich um nicht mehr recyclingfähiges Altholz handeln soll und nicht um eine Verbrennung von Frischholz wie zum Beispiel in Cuxhaven. Ein Vergleich mit der dort ebenfalls umstrittenen Anlage hinke. Dass in Stade Frischholz verwendet werden solle, sei Blödsinn, sagt Aval.

Auch die Vertreter aus dem Bützflether Ortsrat stellen sich hinter die Planungen. „Im Bützflether Industriegebiet ansässige Unternehmen bieten seit über 50 Jahren viele sichere und hochqualifizierte Arbeitsplätze, beschäftigen Zulieferbetriebe sowie Kontraktoren und sichern in hohen Maße eine Wertschöpfung und damit den Wohlstand vieler Menschen in unserem Umfeld“, schreibt Hartmut Borchers für die CDU-Fraktion. Eine wesentliche Grundlage für den Erhalt der ansässigen Betriebe ist die Versorgung mit bezahlbarer Energie.

Kraftwerk versorgt die Stader Industrie mit Wärme

Mit dem geplanten Altholzkraftwerk lässt sich der Strombedarf von 100.000 Haushalten und ein erheblicher Teil des Wärmebedarfs der ansässigen Industriebetriebe sowie vieler privater Haushalte in der Umgebung auf regenerativer Basis verlässlich decken. Die CDU-Fraktion des Ortsrats Bützfleth mit ihrem Bürgermeister Christoph von Schassen spreche sich ausdrücklich für den Erhalt und für die Weiterentwicklung der ansässigen Industriebetriebe in Bützfleth aus.

Eine schematische Darstellung illustriert die Abläufe im Holzkraftwerk.

Eine schematische Darstellung illustriert die Abläufe im Holzkraftwerk. Foto: Hansekraft

Borchers, der auch Geschäftsführer der AOS ist: „Wir haben uns von den Verantwortlichen der Hansekraft Stade GmbH vom technischen Konzept und von den Vorteilen des Projektes im Verbund mit den vorhandenen Betrieben überzeugen lassen.“ Auch die FDP in Bützfleth unterstützt die Ansiedlung eines Holzkraftwerkes.

„Eine effizientere Anlage werden wir wohl kaum bekommen“, sagt Ortsratsmitglied Hilke Ehlers. In Emmlichheim werde eine derartige Anlage bereits seit Jahren betrieben - in friedlicher Koexistenz zu einem Wohngebiet direkt ab Werkszaun. Die Abgaswerte seien öffentlich einsehbar und stünden unter permanenter staatlicher Überwachung. „Wir Liberale sind froh über das Angebot der Fernwärme und über diesen Betrieb, der die nötige Energie günstig für die örtliche Industrie liefert und somit den Standort Stade sichert“, so Ehlers.

„Aus unserer Sicht ist es viel zu früh für eine Abwägung, da wir bisher als Informationsquelle lediglich die Werbeaussagen der Hansekraft kennen“, schreibt Dr. Jochen Witt für die Wählergemeinschaft Bützfleth. Und weiter: „Wir werden unser abschließendes Urteil erst dann äußern, wenn die Unterlagen zum Erörterungstermin bewertet werden können.“ Letztendlich wird die Einstellung zum geplanten Holzkraftwerk Hansekraft eine Abwägung sein müssen zwischen den Bedürfnissen der Industrie und dem Schutzanspruch der Bürger in Bützfleth.

Da die Politiker im Rat aktuell unter dem Eindruck der Mindereinnahmen aus dem Gewerbesteueraufkommen aus der Industrie stünden, sei die Entscheidung pro und kontra schon gefallen. Letztendlich geht es in der Stader Politik um die Sicherung des Industriestandortes und die Bereitstellung von günstiger Energie, schreibt Jochen Witt.

Bürgerinitiative lehnt das Kraftwerk strikt ab

Gerade hat sich die BI wieder zu Wort gemeldet. Sie lehnt die Planung des „größten Altholzverbrennungskraftwerks Deutschlands“ strikt ab. Das Kraftwerk sei weder nachhaltig noch gut für Bützfleth und Stade. Hansekraft werden falsche Versprechungen vorgeworfen. Die BI sieht Mängel und Fehleinschätzungen durch die Hansekraft, „insbesondere zu notwendigen Umweltthemen und Störfallrisiken“, und sie wirbt um Unterstützung in der Politik. Mit wenig Erfolg.

Ein Schreiben an alle im Stadtrat und Ortsrat vertretenen Ratsmitglieder mit der Bitte um Stellungnahme sei allein von den Linken „mit einer freundlichen und unterstützenden Mail beantwortet“ worden. Alle anderen hätten nicht geantwortet, die Grünen eher ausweichend. Dr. Jan Witt von der BI: „Das ist ein Skandal.“

Informationen zum Kraftwerk live vor Ort

Mehr über die Arbeit der BI steht im Internet unter www.Buergerinitiative–buetzfleth. Am 14. Januar um 18.30 Uhr trifft sich die BI im Gasthaus von Stemm in Bützfleth zu einer öffentlichen Sitzung.

Ortsbürgermeister Christoph von Schassen lädt alle Bützflether ein, am Dienstag 28. Januar, in die Sporthalle am Freibad zu kommen, wo von 18 Uhr an Hansekraft und Stadtwerke über ihre Pläne informieren.

Die kleine, weiße Ruine der einst geplanten Müllverbrennungsanlage direkt an der Elbe ist auf dem AOS-Gelände gut zu erkennen. Links davon soll ein Holzkraftwerk entstehen.

Die kleine, weiße Ruine der einst geplanten Müllverbrennungsanlage direkt an der Elbe ist auf dem AOS-Gelände gut zu erkennen. Links davon soll ein Holzkraftwerk entstehen. Foto: Martin Elsen

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