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Altenpflege

TDiakonie Sozialstation Tarmstedt insolvent – Ambulante Versorgung eingestellt

Geschäftsführerin Anja Ahlers steht vor der Diakonie Sozialstation in Tarmstedt: Ende des Monats wird der Betrieb des ambulanten Bereichs geschlossen.

Geschäftsführerin Anja Ahlers steht vor der Diakonie Sozialstation in Tarmstedt: Ende des Monats wird der Betrieb des ambulanten Bereichs geschlossen. Foto: Harscher, Saskia

Dass die Diakonie Sozialstation Tarmstedt in finanziellen Schwierigkeiten steckt, ist spätestens seit März dieses Jahres bekannt. Jetzt steht fest: Die Einrichtung ist nicht zu retten. Ein Schock für 240 Patienten und fast 60 Mitarbeiter.

Von Saskia Harscher Dienstag, 04.06.2024, 13:00 Uhr

Tarmstedt. Die Nachricht, die die 240 Patienten der Diakonie Sozialstation Tarmstedt dieser Tage erreicht, dürfte für die meisten ein Schock sein. Die pflegebedürftigen Menschen müssen sich einen anderen Pflegedienst suchen, und zwar schnell: Die Versorgung im ambulanten Bereich wird spätestens zum 30. Juni eingestellt und dieser Bereich geschlossen. Wie Geschäftsführerin Anja Ahlers wissen lässt, steht die Einrichtung in engem Austausch mit anderen Pflegediensten, um eine Anschlussversorgung sicherzustellen.

Es gibt leichte Hoffnung auf Fortbestand der Tagespflege

Ein wenig Hoffnung gibt es aktuell noch für die Tagespflege der Diakonie in Tarmstedt. Die Einrichtung trägt sich selbst und es soll einen Interessenten geben, der die Tagespflege übernehmen will. Bis Mitte des Monats soll dieser ein Angebot abgeben.

In der Tagespflege werden 48 Frauen und Männer betreut und zehn Mitarbeiter sind dort beschäftigt.

Die Diakonie Sozialstation Tarmstedt gGmbH kämpft bereits seit Monaten mit finanziellen Schwierigkeiten. Anfang März hat das Unternehmen einen Antrag auf Insolvenz in Eigenregie beantragt.

Damit sei die Hoffnung verbunden gewesen, die Situation wieder in den Griff zu bekommen, sagt Geschäftsführerin Anja Ahlers. Doch der Versuch, die Diakonie Pflegestation aus der wirtschaftlichen Schieflage herauszubekommen und eine Schließung zu verhindern, sei nicht gelungen.

Gestiegene Kosten der Pflegedienste werden nicht refinanziert

Laut Superintendentin Jutta Rühlemann vom Kirchenkreis Osterholz-Scharmbeck haben Pflegedienste mit vielen Problemen zu kämpfen. So auch in Tarmstedt. So gelte inzwischen ein verbindlicher Tarifvertrag. Die Löhne seien gestiegen, Geschäftsführerin Ahlers spricht von 12,45 Prozent Gehaltserhöhung, und bezahlt worden sei auch der Inflationsausgleich. Das Problem sei, dass die höheren Kosten nicht refinanziert würden, etwa durch die Krankenkassen.

Der Pflegenotstand, er ist bereits da und treffe hilfebedürftige Menschen hart, betont Ahlers.

Pastor Benjamin Fromm spricht denn auch von einem Systemfehler. Denn dass die Menschen in der Pflege angemessen bezahlt werden müssen, stehe außer Frage.

Zudem seien durch die Brückenbaustelle zwischen Tarmstedt und Wilstedt auch die Kilometerpauschalen gestiegen. Fromm spricht von einer Verdreifachung. Auch da habe die Krankenkasse abgewinkt, mit der Begründung: Für Baustellen können wir nichts.

Mögliche Investoren möchten bestehende Arbeitsverhältnisse nicht übernehmen

Viele Gespräche seien in den zurückliegenden Monaten geführt worden, sagt Ahlers. Es habe Interessenten gegeben, doch viele habe der Paragraf 613 a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) abgeschreckt, sagt die Geschäftsführerin. Dieser sichert, dass die Arbeitsverhältnisse beim Betriebsübergang auf den neuen Inhaber mit übergehen. Auch mit der Kirche und mit der Gemeindevertretung habe man gesprochen und nach Lösungen gesucht. Allerdings ohne Erfolg.

Die Idee, monatlich zwischen 30 und 100 Euro, je nach Pflegegrad, von den Patienten zu erheben, habe man ebenfalls verwerfen müssen. „Ambulante Pflege darf keinen Eigenanteil erheben“, sagt Ahlers und schiebt nach: „Vielleicht wäre das die Lösung gewesen.“

Laut Geschäftsführung wurde jetzt das Insolvenzverfahren vom Gericht eröffnet.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegedienstes ab Juli freigestellt

Somit stehen nicht nur die Patienten vor einer ungewissen Zukunft, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie werden ab dem 1. Juli freigestellt und können beziehungsweise müssen sich dann nach einem anderen Arbeitsplatz umsehen. Stand Ende vergangener Woche haben bereits fünf Mitarbeiterinnen von sich aus gekündigt und sich auf die Suche nach einer Alternative gemacht.

Sollte es betriebsbedingt nicht möglich sein, den ambulanten Pflegedienst weiterzuführen, dann könnte es sein, dass die Patienten noch früher ohne Unterstützung der Diakonie Sozialstation dastehen.

Pastor Benjamin Fromm verweist darauf, dass der Kern der Mitarbeitenden weiterhin große Unterstützung zeige, wofür sowohl die Kirchengemeinde als auch die Geschäftsführung sehr dankbar sei.

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