TDie Ärzte gaben Wischhafener eine Überlebenschance von nur fünf Prozent

Florian Hein mit dem Rückblick, was das TAGEBLATT vor 25 Jahren geschrieben hat. Foto: Helfferich
„4724 Menschen wollen Florian helfen“, titelte das TAGEBLATT am 15. April 2000. Der sechsjährige Wischhafener war damals an Leukämie erkrankt. Das ist seine Geschichte.
Wischhafen/Bargstedt. 25 Jahre ist es her, da starteten das DRK und das TAGEBLATT eine Hilfsaktion für den sechsjährigen, an Leukämie erkrankten Florian Hein aus Wischhafen. Gesucht wurden potenzielle Stammzellenspender - und Geldspenden, um die Laboruntersuchungen bezahlen zu können.
346.000 Mark, also rund 170.000 Euro, kamen damals zusammen. Die Deutsche Stammzellenspenderdatei in Dessau untersuchte rund 4700 Blutproben, konnte dadurch ihr Register um ein Drittel erweitern. Das DRK bezeichnete die Aktion damals als die größte ihrer Art in der Bundesrepublik. Doch Florians Erkrankung entwickelte sich höchst dramatisch. Eine Herausforderung, auch für die Ärzte des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).
1995, kurz vor seinem zweiten Geburtstag, hatte der kleine Junge bereits eine Leukämieerkrankung, die mit einer Chemotherapie gestoppt werden konnte. Fünf Jahre später - die in der Medizin gesetzte Zielmarke, um als geheilt zu gelten - brach die Erkrankung erneut aus. „Da sind wir in ein richtiges Loch gefallen“, erzählt Florians Mutter Petra Hein. „Wir hatten ja durch die erste Erkrankung schon so viele Fälle erlebt und einige Kinder sterben sehen.“
70 Prozent der Lungenfunktion verloren
Dabei sah alles zunächst gut aus. Tatsächlich wurde durch das Durchforsten der Stammzellenspenderdatei ein potenzieller Knochenmarkspender in Kanada gefunden. Daraus habe die Familie Hoffnung geschöpft, erzählt Petra Hein. Doch dann bekam Florian hartnäckigen Husten. Die Ärzte seien zunächst von einer Bronchitis ausgegangen, dann wurde eine Lungenentzündung vermutet. Letztlich ergaben weitere Untersuchungen, dass Florians Lunge von einem Pilz namens Aspergillose befallen war.
Weltkinderkrebstag
T Nähende Trostspender: Durch sie bekommt der Krebs ein Gesicht
Eine solche Erkrankung ist schon für Gesunde hochgefährlich. Die primäre Behandlungsmethode ist eine Operation, bei der befallene Lungenlappen - oder ein ganzer Lungenflügel - entfernt werden. Bei Florian waren es die Lungenlappen. Durch die Operation sei seine Lungenfunktion um 70 Prozent gesunken, erzählt der heute 31-Jährige. Es sei eine heikle OP gewesen, berichtet Petra Hein, aufgrund der Leukämie seien die Ärzte von einer Überlebenschance von nur fünf Prozent ausgegangen. „Es hat geklappt“, sagt die Mutter lächelnd, „und Florian wurde als das Wunder von Eppendorf gefeiert.“
Vorsicht war auch lange nach der OP geboten
Allerdings schwächte die OP Florian so sehr, dass die Ärzte eine Knochenmarktransplantation nicht wagen wollten. „Sie gingen den anderen Weg über eine hoch dosierte Chemotherapie“, so Petra Hein. Es sei eine schwierige Zeit gewesen. Fast ununterbrochen war ein Elternteil bei Florian.
Auch nach der Entlassung aus dem UKE war Vorsicht angesagt: Aus Angst, Keime einzuschleppen, konnte nur ein ganz kleiner Kreis von Freunden Florian besuchen. Die zweieinhalb Jahre ältere Schwester durfte aus demselben Grund nicht mehr in den Kindergarten gehen.
Seltene Krankheit
T Tims Kampf gegen den Krebs: Knie und Schulter müssen raus
Geholfen habe der regelmäßige Besuch einer Selbsthilfegruppe für Eltern krebskranker Kinder, erzählt Petra Hein - und ganz viel Unterstützung aus dem Freundeskreis. Froh ist sie, dass andere Kinder von der Typisierungsaktion von DRK und TAGEBLATT profitieren konnten, auch Kinder aus dem Landkreis Stade.
Aber: „Die Angst bleibt“, sagt Florians Mutter. Die Krankenakten füllen einen dicken Leitzordner, Zeitungsartikel sind in Folien gesammelt. „Bis heute mag ich nicht reinschauen“, sagt sie. „Wenn bei den regelmäßigen Untersuchungen ihres Sohnes mal die Werte nicht ganz in Ordnung seien, „dann habe ich gleich das P in den Augen“ - bis heute. „Deswegen sage ich dir das schon gar nicht mehr“, so Florian.
Einschulung wurde ein Jahr später gefeiert
Der 31-Jährige hatte großes Glück. „Anfang 2001 war ich durch mit der Chemo“, erzählt Florian, der heute in Bargstedt lebt und als Hausmeister Schulen und Kitas der Samtgemeinde Fredenbeck im Blick hat. Der Chemo folgte die Remission, die Phase der Abschwächung der Symptome, dann vierteljährliche Kontrollen plus Dauertherapie. Dann endlich konnte er mit sieben Jahren eingeschult werden. Schon bald darauf fing er an, Fußball zu spielen. „2010 haben mich die Ärzte als gesund erklärt“, erzählt er. Es bleiben regelmäßige Arztbesuche: einmal im Jahr Blutabnahme, alle drei Jahre ein Lungenfunktionstest und alle zwei bis drei Jahre ein Herz-Echo.
Florian ist ein Kämpfer: „Ich habe durch den Sport mein Lungenvolumen stetig erweitert, so dass ich auch kein Asthma, eine typische Folge von Lungen-OPs, bekommen habe“, ist Florian überzeugt. Er spielte zunächst in Wischhafen, dann bei Drochtersen/Assel und zuletzt in Kutenholz in der Kreisliga. Er bleibt am Ball, auch wenn nicht alles rund läuft. Vor zwei Jahren hat ihn eine Bänderverletzung am Knie ausgeknockt. Seither hält er sich durch Joggen fit.

Eine Typisierungsaktion sollte dem an Leukämie erkrankten Florian helfen. Foto: Finnern
Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.