TDie Hürden des Neuanfangs: Wenn Senioren umziehen wollen

Ein Umzug ist ein Kraftakt, den viele Ältere nicht mehr alleine stemmen können. Auch dafür könnte es Hilfsangebote geben, um den Wechsel in eine kleinere Wohnung zu erleichtern. Foto: dpa-tmn/Ole Spata
Wenn Ältere ihr großes Haus verlassen wollen, gibt es manche Hürde. Bezahlbarer Wohnraum fehlt überall. Der Buxtehuder Immobilienfachmann André Grote zeigt neue Wege auf.
Landkreis. Irgendwann wird es still im Haus. Die Kinder haben ihr eigenes Zuhause. Die vielen Zimmer sind verwaist, die Arbeit bleibt. Das Haus soll sauber, der Garten schier sein. Manche hält das fit. Für andere Ältere ist das eine Belastung. Von der finanziellen Bürde des Unterhalts oder einer energetischen Sanierung ganz abgesehen.
Wohnungsmarkt bietet wenig Alternativen
Aber es ist ein großer Schritt, das Zuhause nach vielen Jahren loszulassen. Erinnerungen einzupacken und mitzunehmen in einen neuen Lebensabschnitt und ein neues Heim. Möglichst barrierefrei, günstig und im gewohnten Umfeld - wenn denn so etwas überhaupt auf dem Wohnungsmarkt zu haben ist.
Die Älteren mit den zu großen Häusern auf der einen Seite - die Jüngeren auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum auf der anderen. Entweder-oder - Alt und Jung unter einem Dach ist inzwischen die Ausnahme: 2022 lebten laut statistischem Bundesamt in nur sechs Prozent der deutschen Haushalte über 64-Jährige mit Jüngeren zusammen.
Generationswechsel in Eigenheimen
Dass der Generationswechsel in Eigenheimen besondere Beachtung braucht, prognostizierten auch die Gutachter, die das aktuelle Wohnraumversorgungskonzept für den Landkreis Stade in diesem Jahr vorgelegt haben. „Auch Familien und kinderlose Paare gehen verstärkt auf die Suche nach bezahlbarem Wohnraum“, so das beauftragte Institut.
Ein Bericht der N-Bank bildet den Bedarf bis zum Jahr 2040 ab. Einen hohen Wohnungsbedarf gibt es für Apensen, Harsefeld, Horneburg und Oldendorf-Himmelpforten. Vor allem Geschosswohnungen werden in Nordkehdingen, Buxtehude, Drochtersen, Fredenbeck, Jork, Lühe und Stade gebraucht.
Bedarf an Mietwohnungen auch auf dem Land
Auf dem Land tut sich langsam etwas. Ein privater Investor hat Projekte wie den Petershof - mit zwölf unterschiedlich großen Wohnungen in Estorf - oder den Apfelhof - mit 26 Wohnungen aufgeteilt auf sechs Häuser mitten in Oldendorf - gebaut und Mietwohnraum geschaffen.
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Knapp 150 Wohnungen vermietet Stephan Vollmers in Himmelpforten und Stade. Der Bauunternehmer aus Himmelpforten baut zurzeit an der B73 ein Ensemble aus fünf Mehrfamilienhäusern in Düdenbüttel. „Kleine Wohnungen gehen immer“, weiß er. Für seine Wohnungen in Stade führt er eine Warteliste.
Vollmers hat immer wieder Anfragen von Älteren, die sich verkleinern wollen. Ein Schritt, den auch Jörg und Hilde Orschakowski gemacht haben. Sie sind just von Engelschoff-Neuland in eine Wohnung im Ortskern von Himmelpforten gezogen. Ein Schritt, der nicht leichtfiel.
Ehepaar entscheidet sich bewusst früh
Im Haus steckte viel Eigenleistung, ihre Tochter wohnt ebenfalls im Dorf. „Und unsere Nachbarschaft ist super gewesen, wir haben uns in Neuland von Anfang an sehr wohl gefühlt“, sagt Orschakowski (68). Dennoch war es ihnen wichtig, den Schritt zu wagen, so lange sie noch Lust haben, nach eigenem Geschmack zu renovieren, den Hausstand auszusortieren, den Umzug zu wuppen und auf Reisen zu gehen.
Schon beim Bau ihres Hauses in Neuland hatten sie vor 23 Jahren ebenerdig und nur für zwei geplant. Der Verkauf jetzt hat reibungslos geklappt und sie hatten Glück: Ihre neue Wohnung hat nur 18 Quadratmeter weniger als ihr Haus, statt des großen Gartens haben sie einen Balkon, dazu einen Keller und einen Abstellraum. Sie hatten sogar darüber nachgedacht, ein Tiny House in Neuland zu bauen. Im Verhältnis aber war das zu teuer. „Und dann ist das Geld ja auch wieder gebunden“, sagt Jörg Orschakowski.
Erste Gespräche mit Trennungsschmerz
Den richtigen Zeitpunkt für eine Trennung vom Haus zu finden, ist eine Herausforderung. Oft kommt der Entschluss spät, manchmal fast zu spät. André Grote kennt die Situation als Immobilienmakler und Vorsitzender von Haus und Grund in Buxtehude. Er erlebt tränenreiche erste Gespräche mit Senioren. Aber er weiß auch: Trifft er sie ein Jahr nach dem Verkauf wieder, sagen bislang alle: „Es war die beste Entscheidung.“
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Voraussetzung ist aber, dass sich für den Lebensabend die passende Wohnung findet und das soziale Gefüge erhalten bleibt. Das kann schwierig sein. Grote nennt ein Beispiel: Eine ältere Dame wohnt allein in einer Vier-Zimmer-Wohnung oder einem Reihenhaus. Durch ihren alten Vertrag wohnt sie günstig. Bei einem Umzug in ein kleineres Appartement könnte sie zwar Energiekosten sparen, müsste aber bei einem neuen Vertrag monatlich viel mehr Geld für die Miete aufbringen.
Wohnraum: Kommunen suchen nach Lösungen
Damit benennt Grote „eines der Hauptprobleme“ beim Wohn-Generationswechsel. Moderne Wohnungen sind teuer. „Und dafür müsste es Fördermöglichkeiten geben“, findet Grote. Viele Kommunen haben bereits versucht, mit eigenen Programmen eine Lösung zu finden.
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„Haben Sie noch Platz?“ heißt ein Projekt in Tübingen. Die Uni-Stadt hat eigene Wohnraumbeauftragte. Die unterstützen Menschen bei unterschiedlichen Plänen. Diejenigen, die in den eigenen vier Wänden wohnen und sich verkleinern möchten, die Nebenkosten sparen wollen, ihr Haus für gemeinschaftliches Wohnen öffnen möchten oder auch ungenutzte Räume wie zum Beispiel den Dachboden in Wohnraum umwandeln wollen. Die Berater bieten eine kostenlose architektonische Einschätzung an und informieren über Finanzierung und Fördermittel für einen Umbau.
Beratungsstelle für Buxtehude beantragt
So weit will André Grote, der für die FDP im Buxtehuder Stadtrat sitzt, nicht gehen. Aber er hat just für seine Fraktion den Antrag gestellt, die Stadt möge probehalber für zwei Jahre eine Anlaufstelle einrichten, die Senioren und Familien beim Thema Wohnraum begleitet. „Eine städtische Beratungsstelle könnte den Austausch erleichtern und den Wohnungsmarkt entlasten, ohne dass dabei soziale Bindungen oder finanzielle Sicherheit der Beteiligten gefährdet werden“, begründet Grote.
Eine solche Stelle könnte über Fördermittel informieren, das Mietrecht und alternative Wohnkonzepte prüfen und weitere Akteure einbinden. Der Druck auf den Mietmarkt werde immer größer. „Wir müssen anfangen, neue Wege zu gehen“, sagt Grote.

Ein Umzug ist ein Kraftakt, den viele Ältere nicht mehr alleine stemmen können. Auch dafür könnte es Hilfsangebote geben, um den Wechsel in eine kleinere Wohnung zu erleichtern. Foto: dpa-tmn/Ole Spata

Der Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung wächst weiter - bezahlbarer Wohraum für Senioren, die sich verkleinern wollen, fehlt. Foto: LBS Infodienst Bauen und Finanzieren

André Grote ist Vorsitzender von Haus & Grund Buxtehude. Für die FDP-Fraktion hat er eine Beratungsstelle bei der Stadt Buxtehude beantragt. Foto: Daniela Ponath Fotografie