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Abwasser

TDie Sache mit dem Schiet: Hartnäckige Burweger setzen sich durch

Die Abwasserleitung in Burweg ist besonders - betrieben wird sie von einer Genossenschaft.

Die Abwasserleitung in Burweg ist besonders - betrieben wird sie von einer Genossenschaft. Foto: Klempow

Zusammenhalt ist der rote Faden der vergangenen 25 Jahre. Solange gibt es jetzt die Genossenschaft Abwasserentsorgung Burweg, die AEB. Am Anfang aber standen jede Menge Schiet - und Eigensinn.

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Von Grit Klempow
Dienstag, 03.09.2024, 00:01 Uhr

Burweg. Schon zu Beginn der 90er Jahre verdichtete sich die Schiet-Entsorgung zum Problem in Burweg - und nicht nur dort. Niedersachsen wollte sein Wassergesetz ändern. „Danach sollten alte Klärgruben aufwendig nachgerüstet oder durch den Anschluss an die zentrale Schmutzwasserentsorgung ersetzt werden“, so Thorsten Ratzke, heutiger Vorstandsvorsitzender der AEB. Egal, ob neue Klärgruben oder der Anschluss an einen Schmutzwasserkanal - für die Hauseigentümer drohte es, richtig teuer zu werden.

Abwasserclub: Beziehungen und Fachwissen

Aber da gab es ja noch Hans-Peter Hellwege und Karl Ratzke. Sie waren als Kommunalpolitiker und beruflich mit dem zähflüssigen Thema vertraut. Und sie gehörten zum „Abwasserclub“, erzählt Thorsten Ratzke. Der Club bestand aus Vertretern von Kommunen, Landkreis, Wasserbehörden, Planungsbüros und Baufirmen. Sie gingen auf Infotouren, fuhren zur Abwassermesse in München - und sprachen über das System der Druckentwässerung. Ein Thema für Experten.

Die Druckentwässerung sei im ländlichen Raum günstiger als ein klassischer Freigefällekanal, schildert Ratzke. Weil das Rohr nicht so tief verlegt wird und einen kleineren Durchmesser hat.

Ab nach Himmelpforten: Vor 25 Jahren wurde die Druckleitung gebaut, die für die Burweger die beste Lösung des Abwasserproblems war und bis heute ist.

Ab nach Himmelpforten: Vor 25 Jahren wurde die Druckleitung gebaut, die für die Burweger die beste Lösung des Abwasserproblems war und bis heute ist. Foto: Klempow

Landkreis droht Bußgelder an

Druck machte im Lauf der 90er Jahre aber erstmal der Landkreis Stade. Er stellte den Hauseigentümern Bescheide zu und drohte Bußgelder an. Sie sollten ihre Klärgruben sanieren. „Es wurde viel und heftig diskutiert, bis schließlich 1997 Nägel mit Köpfen gemacht wurden“, schildert Ratzke. Burkhard Borchers, Hans-Peter Braack, Artur Holthusen, Karl Ratzke,Thomas Scharbatke, Henry Schreiber und Helmuth Witt setzten sich zusammen und fanden eine Lösung. Die kam allerdings nicht überall gut an.

Aus dem TAGEBLATT-Archiv: Helmut Witt startete als AEB-Vorsitzender im September 2000 die Druckleitung.

Aus dem TAGEBLATT-Archiv: Helmut Witt startete als AEB-Vorsitzender im September 2000 die Druckleitung. Foto: Kordländer

Diskussionen und Termine folgten. „Alle technischen, juristischen und wirtschaftlichen Probleme wurden entgegen aller Widerstände und Blockaden aus Politik und Verwaltung auf Samtgemeindeebene ausgeräumt“, so Ratzke. Burweg gehörte zur damaligen Samtgemeinde Oldendorf.

Burweger entwickeln eigenes Modell

Ratzke bescheinigt den Gründungsvätern der Genossenschaft, zu denen auch sein Vater, ehemals Samtgemeindedirektor in Himmelpforten, gehörte, Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen. Damit setzten sie das Burweger Kanalmodell durch - bis dahin in Niedersachsen einmalig.

Im Januar 1999 wurde die Genossenschaft gegründet. Den Vorstandsvorsitz übernahm Helmuth Witt, Karl Ratzke den Vorsitz im Aufsichtsrat. Das Konzept überzeugte vor Ort: Auch, wenn sie weiter ihre alten Klärgruben betreiben durften, wurden viele Burweger Hauseigentümer schon früh Mitglied. Im Mai 2000 war die Abwasserdruckrohrleitung fertig. 6,7 Kilometer lang, mit 166 Hausanschlüssen.

Bossel und Blumenthal nicht angeschlossen

Die Leitung nach Himmelpforten, mit Schächten, Pumpen und Steuerung kostete 1,3 Millionen Mark. „Ein vergleichbarer Schmutzwasserkanal im Freigefälle hätte sicher das Drei- bis Vierfache gekostet“, schätzt Ratzke. Einen Zuschuss von 55.000 Mark zu den Baukosten lehnte der Gemeinderat seinerzeit ab. Das berichtete das TAGEBLATT im Juni 1999. Die Kosten für einen Komplettanschluss pro Einfamilienhaus wurden auf 9500 Mark beziffert - der Rat fürchtete, auch Bürgern in Bossel oder Blumenthal einen Zuschuss zahlen zu müssen. Viele mussten ihre Klärgruben aufwendig sanieren.

Heute sind 193 Haushalte in Burweg angeschlossen. In den vergangenen 25 Jahren wurde über eine halbe Million Kubikmeter Abwasser ins Stader Klärwerk transportiert und dort aufbereitet. „Eine technisch, ökonomisch und ökologisch einwandfreie Sache“, so Ratzke. Und: „Mit einer Abwassergebühr von derzeit 1,81 Euro pro Kubikmeter unschlagbar günstig.“ Seit 2006 gibt es auch eine Genossenschaft in Ahrensmoor.

Thorsten Ratzke ist Vorstandsvorsitzender der AEB.

Thorsten Ratzke ist Vorstandsvorsitzender der AEB. Foto: Klempow

Feuerwehr hilft beim Spülen

Thorsten Ratzke hat das Amt des Burweger Vorstandsvorsitzenden vor neun Jahren übernommen. Silvia Schwerin ist Kassenwartin, zum Vorstand gehören außerdem Matthias Wolff, Michael Eckhoff und Holger Schefe. Zum Aufsichtsrat zählen Günter Elfers, Stefan Hellwege, Jan Borchers und Kai Schröers. Aufsichtsratsvorsitzender ist seit 2016 Thomas Borchers als Nachfolger von Olaf Borchers.

Die Gebühren berechnet der Trinkwasserverband Stader Land, die Ehrenamtlichen sorgen dafür, dass es läuft. Regelmäßig wird die Leitung gespült und geräumt, dabei hilft die Freiwillige Feuerwehr Burweg. Hausanschlüsse und Absperrschieber werden turnusgemäß überprüft.

Bürokratische Brocken bleiben: Der Jahresabschluss ist für bilanzbuchhalterische Laien eine Herausforderung, sagt Ratzke - aber Kassenleiterin Silvia Schwerin habe Geduld. Wechselnde Sachbearbeiter beim Genossenschaftsverband oder in der Finanzbehörde müssten sich immer wieder neu einarbeiten - und könnten oft kaum nachvollziehen, dass es eine kleine Genossenschaft schafft, die Abwasserbeseitigung rein ehrenamtlich zu organisieren. Aber: „Genau das ist es, was das „Burweger Modell“ ausmacht“, sagt Ratzke - und Stolz klingt mit.

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