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TDistanzwürfe verboten: BSV-Talente spielen wie „Nahwurf-Extremisten“

Für Aida Mittag war die neue Spielweise eine große Umstellung. Anfangs warf sie noch aus dem Rückraum auf das Tor.

Für Aida Mittag war die neue Spielweise eine große Umstellung. Anfangs warf sie noch aus dem Rückraum auf das Tor. Foto: Scholz

Das Handballtalent Aida Mittag bringt gute Voraussetzungen für Tore aus dem Rückraum mit. Doch beim Drittligisten Buxtehuder SV II sind Distanzwürfe verboten. Was steckt dahinter?

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Von Tim Scholz
Dienstag, 15.10.2024, 05:30 Uhr

Buxtehude. Wenn sich Aida Mittag mit dem rechten Fuß vom Hallenboden abdrückt, streckt sie das linke Bein nach hinten aus - für einen Moment scheint sie in der Luft zu schweben und zu überlegen: Werfen oder nicht?

Bei der 24:27-Niederlage des BSV II im Drittliga-Spitzenspiel gegen den Rostocker HC ist Mittag zwar die erfolgreichste Torschützin. Allerdings wirft sie sechs ihrer sieben Treffer per Siebenmeter. Ihr einziges Tor aus dem Spiel erzielt sie nach einer Viertelstunde, als sie zunächst einen Strafwurf vergibt und dann den Abpraller verwertet.

Aus der Distanz trifft Aida Mittag am Sonntag in der Halle Nord dagegen kein einziges Mal. Und das, obwohl die Halbrechte mit ihrer Körpergröße (1,80 m) beste Voraussetzungen mitbringt und immer wieder in gute Wurfpositionen kommt.

Wer von hinten wirft, wird ausgewechselt

Nach dem Spiel nimmt sich Trainer Adrian Fuladdjusch Zeit, das zu erklären. „Das liegt an unserer Spielweise“, sagt er. Seine Spielerinnen sollen ins Eins-gegen-Eins gehen, den Durchbruch suchen.

BSV-Trainer Adrian Fuladdjusch sieht die Zukunft des Handballs im Durchbruch und lässt nur aus der Nahwurfzone werfen.

BSV-Trainer Adrian Fuladdjusch sieht die Zukunft des Handballs im Durchbruch und lässt nur aus der Nahwurfzone werfen. Foto: Scholz

Oft stehen sie dann frei vor dem Tor und haben große Chancen auf einen Treffer. Rund 90 Prozent der Würfe vom Kreis landen laut Fuladdjusch im Tor, aus der Distanz sind es dagegen nur rund 50 Prozent. „Deshalb werfen wir nicht von hinten“, sagt er. Wer trotzdem aus der Distanz wirft, wird ausgewechselt, „ganz einfach“.

Dahinter steckt laut Fuladdjusch die Idee, dass seine Spielerinnen Lösungen für bestimmte Situationen finden sollen. „Bei uns geht es ja nicht nur um die Punkte in der Liga, sondern auch um die Entwicklung der Talente“, sagt er, und gerade der Durchbruch sei die Zukunft im Handball.

Auch Magdeburg setzt auf Tore aus kurzer Distanz

Beim Spitzenclub SC Magdeburg ist das bereits zu beobachten. Dessen Trainer Bennet Wiegert setzt ebenfalls auf die Spielidee, nur aus der Nahwurfzone werfen zu lassen, weil dort die Erfolgsquote am höchsten ist. Ein Fachmagazin nannte Wiegert einmal einen „Nahwurf-Extremisten“.

Die Spielweise scheint auch beim BSV zu funktionieren. Bereits in der vergangenen Saison erzielte das Team die meisten Tore in der Dritten Liga Nord. Aktuell stellt der BSV den zweitbesten Angriff.

Aida Mittag tat sich anfangs schwer mit der Spielweise. „In der letzten Saison ist es schon mal vorgekommen, dass ich aus dem Rückraum geworfen habe“, sagt die 18-Jährige, die ihre dritte Saison beim BSV spielt.

BSV-Talent freundet sich mit Spielweise an

Mittag erzählt auch, dass sie vor einem Jahr mit der U18-Nationalmannschaft vor über 6000 Zuschauern in München gegen die Türkei spielte und fünf Tore erzielte - und zwar aus dem Rückraum. „Das Eins-gegen-Eins ist nicht immer möglich, wenn die Abwehr des Gegners stabiler wird“, sagt sie. „Aber das ist unser System, das muss ich akzeptieren.“

Gegen ihren Ex-Verein Rostock erzielte Aida Mittag sechs ihrer sieben Tore per Siebenmeter.

Gegen ihren Ex-Verein Rostock erzielte Aida Mittag sechs ihrer sieben Tore per Siebenmeter. Foto: Scholz

Mittag war nach den Stationen in Schwerin und Rostock zum BSV gewechselt, um sich weiterzuentwickeln. Fuladdjusch bescheinigt der hochveranlagten Handballerin „Riesenschritte“ und traut ihr in der kommenden Saison den Sprung in die erste oder zweite Liga zu.

„Sie entwickelt sich zu einer Führungsspielerin, klaut hinten super die Bälle, ist sicher beim Siebenmeter, trifft vorne gute Entscheidungen und spielt für die anderen“, sagt Fuladdjusch. Mittag scheint sich mit der Spielweise angefreundet zu haben.

Aida Mittag leitet schönstes Tor ein

Am Sonntag im Spitzenspiel gegen ihren Ex-Club Rostock steigt sie immer wieder hoch, zieht gegnerische Abwehrspielerinnen auf sich und spielt den Ball zur Kreisläuferin oder verlagert das Spiel nach links.

Im Stile einer Spielmacherin setzt Mittag ihre Mitspielerinnen in Szene. Das klappt zunächst gut, doch dann stellt sich der Tabellenführer besser darauf ein.

Kurz vor der Pause gelingt dem BSV das schönste Tor des Tages. In einer Auszeit gibt Fuladdjusch einen Kempa-Trick vor. Aida Mittag bedient Rechtsaußen Leni Stolle, die den Ball in der Luft annimmt und, natürlich, aus kurzer Distanz einnetzt.

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