TDollerner Großbrand: Das macht die Suche nach der Ursache so schwierig

Brandermittler Matthias Bockelmann von der Polizeiinspektion Stade verschafft sich mit dem von der Versicherung beauftragten Gutachter ein Bild in der Ruine des 1793 errichteten Bauernhauses in der Dorfstraße 11 in Dollern. Foto: Vasel
Wie und wo ist das Großfeuer in Dollern ausgebrochen? Diesen Fragen gehen Experten derzeit an der Brandstelle nach. Sie haben bereits erste Erkenntnisse.
Dollern. Brandermittler Matthias Bockelmann von der Polizeiinspektion Stade stapft mit dem Gutachter der Versicherung durch die Ruine. Die mächtigen Balken des in der Nacht zu Donnerstag abgebrannten Zweiständerhauses von 1793 zeugen von der Zerstörungswut des Feuers.

Großfeuer in Dollern: Blick auf die Einsatzstelle gegen 0.50 Uhr, die Feuerwehr versucht in der Nacht zu Donnerstag den Brand auf den Hof zu begrenzen - mit Erfolg. Foto: Vasel
Die Hitze war höllisch: Der Stader Brandermittler geht im unteren Teil von Temperaturen von unter 1000 Grad aus. Im oberen Bereich könne die maximale Temperatur laut Landesfeuerwehrverband bei einem Reetdachhaus-Vollbrand circa 1500 Grad Celsius betragen - bei hoher Energiefreisetzung.

Polizeisprecher Rainer Bohmbach zeigt auf das von der enormen Hitze beschädigte Führerhaus eines Radladers. Foto: Vasel
Polizeisprecher Rainer Bohmbach zeigt auf einen Radlader und einen Dieseltank einer Baustelle auf dem Hof. Das Führerhaus und der Treibstoffbehälter - beide überwiegend aus Kunststoff - sind stark deformiert oder geschmolzen. Der von der Versicherung des Eigentümers beauftragte Gutachter und der Polizist nehmen die Brandstelle in der Dorfstraße 11 am Montag gemeinsam unter die Lupe. Die enge Zusammenarbeit habe Vorteile, jeder profitiere von der Erfahrung des anderen.
Gutachter setzt Drohne bei Brandermittlung ein
Der Gutachter, er ist Chemiker, lässt seine Drohne steigen. Das Bild von oben kann helfen, die Entstehung und den Verlauf eines Feuers nachzuvollziehen. Doch in diesem Fall können die Luftaufnahmen lediglich den enormen Schaden für das Gutachten dokumentieren. Die Polizei spricht von 2,5 Millionen Euro.
Die Suche nach dem Brandentstehungsbereich bleibt erfolglos. „Die Feuerwehren haben Mauern eingerissen und die Trümmer immer wieder umgelagert, um Feuer und Glutnester zu bekämpfen“, erklärt Bockelmann.
Die 210 Einsatzkräfte mussten verhindern, dass Flammen und Funken weitere reetgedeckte Gebäude in Brand stecken. Dadurch haben sie zwangsläufig einen Großteil der Spuren vernichtet. Letztlich werde sich die Brandursache „nicht mehr klären lassen“, so der erfahrene Ermittler. Er hat schon viele Fälle gelöst.

Der Bagger hat die Trümmer durcheinandergebracht. Foto: Vasel
Hinweise auf eine Brandstiftung gab es nicht. Der Gutachter wird die Versicherung informieren. Bockelmann will auf das Gutachten des Sachverständigen warten. Letztlich entscheidet die Staatsanwaltschaft Stade, ob die Akte Dollern geschlossen wird. Davon sei, so der Stand am Montagmittag, allerdings auszugehen.

Großfeuer in Dollern: Blick auf die Einsatzstelle in der Nacht zu Donnerstag gegen 0.50 Uhr. Foto: Vasel
Die Ermittler haben unzählige Fotos und Aussagen von Zeugen ausgewertet. Klar ist: Das Feuer brach in dem reetgedeckten Zweiständerhaus aus - im oberen und/oder mittleren Bereich. Wenige Minuten später sprang es auf des reetgedeckte Wohnhaus einer fünfköpfigen Familien über, später auf das Wohnhaus des Eigentümers.
Wäre das Zweiständerhaus in Teilen stehen geblieben, wäre die Suche nach der Brandursache möglicherweise einfacher gewesen. Brandermittler Bockelmann verweist auf die Intensität der Abbranderscheinung am Holz. Der Fachmann spricht von „Waffelbildung“.

Blick auf die verkohlten Balken des reetgedeckten Zweiständerhauses von 1793. Foto: Vasel
Auch mit Hilfe der Schwere der Zerstörung, von Rauch- und Rußspuren sowie Brandmustern, versuchen Bockelmann und seine Kollegen, den Ursprung des Feuers zu lokalisieren. Der Brandherd kann oftmals wichtige Hinweise auf die Brandursache liefern.
Eine Erklärung wäre ein elektrischer Defekt. Schmelzperlen auf einer Elektroleitung können auf einen Kurzschluss hindeuten, denn starke Hitze lässt den Draht blitzschnell abtropfen. Hätte es Hinweise auf Brandstiftung gegeben, hätte auch ein Spürhund zum Einsatz kommen können oder ein Fotoionisationsdetektor, also ein Gerät, das Stoffe wie Benzin oder Spiritus identifizieren kann. Die Krux: Der Bagger hat die Trümmer wie ein Mixer durchgerührt.
Polizei hat zwei Bitten an Zeugen und Feuerwehr
Bockelmann hat eine grundsätzliche Bitte: Bei Feuern sollten erste Zeugen wie Nachbarn und Feuerwehrleute sich abfahrende Pkw und Personen in der Nähe des Brandorts merken. Auch „auf der Anfahrt zur Einsatzstelle“, sagt der Polizist.

Brandermittler Matthias Bockelmann im Gespräch mit einem Brandermittler und Chemiker aus NRW. Foto: Vasel
Das Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung (IFS) führt seit Jahren eine Brandursachenstatistik. Das Institut in Kiel ist aus dem im Jahr 1884 eingerichteten Brandverhütungslabor der Schleswig-Holsteinischen Landesbrandkasse hervorgegangen.
Schadhafte Elektrik laut IFS häufigste Brandursache
Für mehr als die Hälfte der Schäden sind Elektrizität - knapp 30 Prozent - und menschliches Fehlverhalten ursächlich, so das IFS. Jedes zehnte Feuer geht auf das Konto von Brandstiftern, rechnet das Institut vor. Gleichauf liegt die Überhitzung. Bei Bränden durch menschliches Fehlverhalten sind Küchenbrände und der „unachtsame Umgang mit Zigarettenkippen“ die Schwerpunkte. Akkubrände holen auf. Bei den angeschlossenen E-Geräten gehöre sogenannte weiße Ware wie Kühlschrank, Waschmaschine, Geschirrspüler und Wäschetrockner zu den häufigsten Brandverursachern. Bei einem Fünftel der Feuer lasse sich die Brandursache nicht mehr klären.

Blick auf einen zerstörten Dieseltank. Foto: Vasel