TDrochtersen: Wieso der Wochenmarkt so ein trauriges Bild abgibt

Seitdem sich in diesem Sommer auch der Schlachter verabschiedet hat, besteht der Drochterser Wochenmarkt nur noch aus drei Ständen. Foto: Bast
Der Drochterser Wochenmarkt schrumpft immer weiter, er besteht nur noch aus drei Ständen - und der nächste Händler kündigt seinen Abschied an. Warum läuft es nicht?
Drochtersen. Nach vier Jahrzehnten Wochenmarkt stehen gerade einmal noch drei Verkaufswagen immer freitags von 14 bis gegen 18 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Drochterser Rathaus: Eier, Honig und Kartoffeln sind im Angebot. Kein Gemüse, kein Obst, keine Backwaren, kein Käse, kein Fleisch, kein Fisch.
Es ist ein trauriges Bild. „Es ist schrecklich, was sich hier tut. Als ich gerade im Auto saß und auf die Stände schaute, dachte ich noch: Und das nennt sich nun Wochenmarkt. Drei Stände“, sagt Karin Petersen. Sie hat gerade Eier geholt.
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Drei Info-Stände am Freitag auf dem Wochenmarkt
Zumindest am Freitag wird der Wochenmarkt Verstärkung bekommen, um die Attraktivität zu erhöhen: Von 14 bis 16 Uhr werden die Pflegepioniere das Telemedizin-Pilotprojekt von Drochtersen und Nordkehdingen vorstellen. Außerdem ist das Soziomed-Mobil zu Gast, das Patienten kostenlos zu Ärzten fährt. Und die Seniorenresidenz Mea Fortuna wird mit einem Info-Stand vertreten sein.

Hartwig Tipke macht weiterhin gute Geschäfte auf dem siechenden Wochenmarkt: Seine Kartoffeln sind gefragt. Gabi Lüchau aus Drochtersen ist Stammkundin. Foto: Bast
Obwohl es nur noch drei reguläre Marktbeschicker gibt, kommen weiterhin so viele treue Stammkunden, dass sich der Verkauf meist lohnt. An guten Tagen verkauft Landwirt Hartwig Tipke aus Mulsum 80 bis 120 Gebinde Kartoffeln, als Zugabe gibt‘s plattdeutschen Klönschnack.
Auch der Eierstand ist ein Zugpferd. „Wir sind seit Anfang an dabei, seit etwa 40 Jahren. Wir haben Stammkunden in zweiter Generation und die bringen teils schon ihre Kleinen mit. Man kennt die Menschen. Das macht Spaß“, erzählt Marita Röndigs (61) aus Engelschoff-Neuland.
Sie und ihr Mann haben damals ganz klein angefangen mit der Legehennen-Haltung, 300 Hennen. Inzwischen sind es 10.000. Vorwiegend verkaufen Röndigs ihre Eier an Geschäfte und Bäckereien, haben zudem einen kleinen Hausverkauf. Der Wochenmarkt in Drochtersen ist der einzige, auf dem Röndigs vertreten sind.

Marita Röndigs (links) ist seit vier Jahrzehnten auf dem Drochterser Wochenmarkt und verkauft hier Eier. Kundin Karin Petersen bedauert die Entwicklung des Markts: „Es ist schrecklich.“ Foto: Isabell Bast
Die Entwicklung sieht Marita Röndigs mit Bedauern: „Am Anfang waren hier noch zwei Schlachter, eine Baumschule, ein Gemüsemann, ein Fischwagen, ein Bäcker, Schnittblumen und Kartoffeln.“ Damals bildeten die Marktbeschicker auf dem alten Platz - bei der heutigen Polizeistation - mit ihren Ständen noch einen Kreis. Über Jahrzehnte boomte der Wochenmarkt, wie viele andere Wochenmärkte in der Region auch.
Doch im Laufe der vergangenen zehn Jahre änderte sich das Bild. Die Stände wurden weniger, einige Marktbeschicker gingen in den Ruhestand. Vor etwa vier Jahren gab auch die Kehdinger Backstube aus Dornbusch ihren Stand auf dem Wochenmarkt auf.
Marktverkäufer geben wegen Personalmangel auf
„Wir waren von Anfang an dabei. Besonders beliebt ist unser Schwarzbrot. Wir waren auch in Stade, Assel, Hemmoor und Himmelpforten auf den Wochenmärkten. Sie waren unser zweites Standbein. Aber wir finden einfach kein Personal mehr.
Deshalb haben wir alle Wochenmarktstände aufgegeben“, bedauert Britta Hintelmann. Es fehlen die Verkaufskräfte, auch Bäckergesellen. Viele Kunden aus Drochtersen fahren inzwischen extra nach Dornbusch, um weiterhin ihre Lieblings-Backwaren aus der Kehdinger Backstube zu bekommen.
Schlachter: „Wir würden wiederkommen“
Vor gut einem Vierteljahr hat nun auch die Landschlachterei Lührs aus Neuhaus/Oste ihren Stand in Drochtersen aufgegeben - obwohl der Verkauf hier gut lief. „Es hat sich immer gelohnt. Wenn wir genug Personal hätten, würden wir wiederkommen“, sagt Niklas Stüven, der den Familienbetrieb zum Jahreswechsel übernimmt.
„Jeder Stand, der geht, nimmt natürlich auch Besucher vom Markt. Eier und Kartoffeln holen sich die Leute immer noch. Aber die Kundenfrequenz ist gesunken. Und wenn das Wetter schlecht ist, dann geht der Kunde eben nicht zum Wochenmarkt, sondern holt sich Kartoffeln und Eier beim nächsten Einkauf im Supermarkt, wo er Gemüse und Obst kauft, das kann man ja auch verstehen“, sagt Manfred Kurth aus Balje, der in Drochtersen Honig verkauft.
Er ist mittlerweile Rentner. Kurth hat die Imkerei früher als Nebenerwerb betrieben, inzwischen nur noch als Hobby. „Bis nächstes Jahr machen wir noch weiter mit dem Honigverkauf in Drochtersen. Mein Sohn wird wahrscheinlich die Imkerei übernehmen. Aber wir überlegen schon, ob wir Drochtersen einstellen. Der Markt ist einfach zu klein“, sagt Kurth.
Die Gemeinde Drochtersen und die Markthändler haben mittlerweile miteinander gesprochen - sie alle wollen versuchen, Stände anzuwerben für den Drochterser Wochenmarkt.

Seitdem sich in diesem Sommer auch der Schlachter verabschiedet hat, besteht der Drochterser Wochenmarkt nur noch aus drei Ständen. Foto: Bast