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TEin Erbe für ganz Kranenburg: Kuddel Schult und sein letzter Wille

Das große Anwesen, ein Bauernhaus mit ausgebautem Wohnteil und großem Stalltrakt, will die Gemeinde jetzt verkaufen.

Das große Anwesen, ein Bauernhaus mit ausgebautem Wohnteil und großem Stalltrakt, will die Gemeinde jetzt verkaufen. Foto: Klempow

Die Gemeinde Kranenburg hat geerbt und sich vorgenommen, den Nachlass von Karl-Heinz Schulze umsichtig zu verwalten. Wer war dieser Mann?

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Von Grit Klempow
Dienstag, 04.11.2025, 11:50 Uhr

Kranenburg. Das Haus ist riesig. Es ist aufgeteilt in einen Wohnteil über zwei Stockwerke und den Stalltrakt. Es ist lange her, dass dort Kühe ihr Futter kauten. Längst sind die alten Gerätschaften auf der Diele verstaubt. Das ehemalige Bauernhaus in Kranenburg soll verkauft werden.

Noch-Eigentümerin ist die Gemeinde Kranenburg. Sie hat das Anwesen geerbt, ebenso wie Bares und Ländereien. Das Erbe in siebenstelliger Höhe hat sie einem Mann zu verdanken, der Zeit seines Lebens genügsam lebte. Er war ein Mann mit Widersprüchen.

Ein Mann mit engen Freunden - aber ein Eigenbrötler

Karl-Heinz Schulze gönnte sich selbst nicht viel, nur ab und an eine Busreise. Er hatte enge Freunde in Kranenburg, war aber auch ein Eigenbrötler. Er war bis zum Geiz sparsam, wusste aber sein Vermögen zu vermehren.

In Kranenburg hieß er Kuddel, auf Platt „Kuddel Schult“. So hatte Pastorin Stephanie Müller in der Trauerrede „diesen besonderen Menschen“ vor mehr als drei Jahren in Erinnerung gerufen. Er war Einzelkind und Junggeselle und lebte nach dem Tod seiner Mutter allein auf dem Hof.

Durch und durch ein Kranenburger

Er war zurückhaltend, aber bei Nachbarschaftsfesten dabei. „Er sagte zwar nicht viel, aber wenn, dann häufig mit Humor“, so Müller. Auch, wenn der Humor nicht immer für jeden leicht zu verstehen war.

Karl-Heinz Schulze war Kranenburger, durch und durch. Bis zur 12. Klasse besuchte er das Athenaeum in Stade. „Er fuhr jeden Morgen mit dem Fahrrad zum Bahnhof Himmelpforten und dann mit dem Zug weiter“, hatte die Pastorin geschildert.

Schulze besuchte die Ackerbauschule und arbeitete auf dem Lehrhof in Mittelsdorf. „Danach hat er immer zu Hause auf dem Hof gearbeitet“, so Stephanie Müller. Dort wurde jede Hilfe gebraucht, „und da hat Kuddel wirklich hart gearbeitet, hat in der Landwirtschaft fast alles allein gemacht“.

Bis Ende der 90er betrieb er den Schweinemaststall, bis 2001 hielt er Rinder. Er beteiligte sich an der Windkraft, mit 63 Jahren gab er den Betrieb auf.

Maststall und Getreidesilos

Das große Haus mit dem ehemaligen Viehstall auf der Diele, der alte Maststall und das Wirtschaftsgebäude mit dem Schauer und den alten Getreidesilos sind noch heute Teil des Anwesens. Dort, wo mit den Menschen einst die Pferde unter einem Dach lebten, gibt es heute einen Partyraum, praktisch gefliest. Hier hatte Schulze noch seinen 80. Geburtstag gefeiert. Dennoch: „Er war viel für sich“, sagt Horst Wartner. Er ist einer der wenigen in Kranenburg, die ihn vielleicht ein bisschen näher kannten.

Bürgermeisterin Margitta Bertram, Gemeindedirektor Martin Wist und Alt-Bürgermeister Horst Wartner.

Bürgermeisterin Margitta Bertram, Gemeindedirektor Martin Wist und Alt-Bürgermeister Horst Wartner. Foto: Klempow

Wartner hat noch eine andere Verbindung. Er war Jahrzehnte Bürgermeister von Kranenburg, ebenso wie der Vater von Karl-Heinz Schulze, der das Andenken seiner Eltern in Ehren gehalten haben soll. Heinrich Schulze war von 1948 bis 1984 Bürgermeister von Kranenburg. Allerdings auch schon in Zeiten der NS-Diktatur von 1938 bis 1945.

Das Büro des Bürgermeisters

Das ehemalige Bürgermeister-Zimmer steht ebenfalls leer. Das Gemälde eines Fachwerkhauses lehnt an der Wand. Rote Ziegel, weißes Fachwerk, eine grün gestrichene Grootdör - so hat das Haus einst ausgesehen, sagt Margitta Bertram.

Würde Karl-Heinz Schulze noch leben, so wüsste er viel zu erzählen über das Haus, die Familie, vielleicht auch über das Feuer, das laut Dorfchronik am 28. Januar 1941 im „Wohnhaus H. Schulze Cranenburg 8“ wütete.

So soll das alte Haus der Familie Schulze ausgesehen haben. 1941 gab es allerdings einen Großbrand auf dem Hof.

So soll das alte Haus der Familie Schulze ausgesehen haben. 1941 gab es allerdings einen Großbrand auf dem Hof. Foto: Klempow

Nun hat auch das neue Haus schon viele Jahre auf dem Buckel. Die roten Ziegel und die Backsteinwände leuchten in der Herbstsonne. Über jedes Haus im Dorf wusste Schulze etwas zu erzählen.

Autor für die Dorfchronik

Sein großes Wissen um Historisches aus Kranenburg steuerte er für die Dorfchronik bei. Die Kapitel über Landwirtschaft und den Deich- und Schleusenverband stammen von Schulze. Er recherchierte in Kirchenbüchern und war sehr belesen. Bildbände aus allen Ecken der Welt fanden sich unter seinen unzähligen Büchern.

Blick in die Küche und bis in das ehemalige Bürgermeister-Zimmer.

Blick in die Küche und bis in das ehemalige Bürgermeister-Zimmer.

Im Juli vor drei Jahren verstarb Karl-Heinz Schulze im Alter von 85 Jahren im Pflegeheim. Das Haus, die Ländereien und das von ihm vermehrte Vermögen hinterließ er in Verbundenheit zu seinem Heimatort der Gemeinde. Die hat sich fest vorgenommen, das Erbe umsichtig für die Kranenburger Allgemeinheit zu verwalten.

„Es gibt uns aber auch Sicherheit“, ist Bürgermeisterin Margitta Bertram dankbar. Der Verkauf des Hauses steht nun an. Neue Eigentümer für das große Haus zu finden, gehört auch zu den Schritten, den Nachlass eines besonderen Mannes zu ordnen. Der, so die Pastorin in der Trauerrede „sich selbst und seinem Dorf treu geblieben ist. Auch, wenn er viel für sich war, war doch Kranenburg seine Welt.“

Karl-Heinz Schulze.

Karl-Heinz Schulze. Foto: Archiv der Dorfchronik

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