TEin Schlaganfall veränderte ihr Leben

In ihrem Buch beschreibt Karen Smetacek (li.) ihren Schlaganfall und den Weg zurück ins Leben, Ehemann Victor (re.) ist immer an ihrer Seite. Foto: ls
1981 erlitt Karen Smetacek nach einem Autounfall einen Schlaganfall und musste das Sprechen neu lernen. Wie sie sich zurückgekämpft hat.
Bremerhaven. Das junge Ehepaar Karen und Victor Smetacek ist im April 1981 mit dem Auto auf dem Rückweg aus dem Andalusien-Urlaub. Plötzlich schert ein Auto aus dem Gegenverkehr aus und rast frontal in den Toyota der Smetaceks. Karen prallt mit dem Kopf an die Scheibe, erleidet mehrere Knochenbrüche, Victors Kiefer ist zertrümmert. Die beiden werden in eine Klinik in ihre damalige Heimatstadt Kiel gebracht. Während Victor operiert wird, erleidet Karen einen Schlaganfall. Unter anderem ist das Sprachzentrum betroffen, Karen ist auf der rechten Körperseite gelähmt und bekommt keinen Ton heraus. Sie ist zu dem Zeitpunkt 33, er 35 Jahre alt.
Für Victor war nach Schlaganfall von Anfang an klar: Aufgeben ist keine Option
Nach Victors OP zeigt der Arzt ihm die Aufnahmen von Karens Gehirn - in ihrer Anwesenheit. „Zappenduster. Die steht nie wieder auf“, lautet das vernichtende Urteil des Mediziners. Victor schickt den Arzt aus dem Zimmer. „Ich wusste, dass sie noch voll da ist, sich aber nicht bewegen oder äußern konnte“, erzählt Victor. Er wusste, dass Karen es schaffen wird, sich ins Leben zurückzukämpfen. Mit seiner Unterstützung. „Aufgeben war keine Option. Hätte ich sie im Stich gelassen - ich könnte nicht mehr in den Spiegel schauen“, so der 79-Jährige. Das Paar ist seit 1965 zusammen und seit 1975 verheiratet. Dieses Jahr feierten sie goldene Hochzeit.

2000 veröffentlichte Karen Smetacek bereits in der Zeitschrift „Das Beste“ einen Teil ihrer Geschichte. Rechts ist sie während der Physiotherapie in Bremerhaven zu sehen. Foto: ls
Sprache war Karen Smetaceks Leidenschaft
Es wirkt wie eine Ironie des Schicksals, dass die heute 77-Jährige sich leidenschaftlich für Sprache interessiert. Sie studierte Englisch und Französisch in Kiel und trat Anfang 1981 eine Stelle als Lehrerin an. Nun war sie gefangen im eigenen Körper - geistig anwesend, aber unfähig, sich zu äußern. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus saß sie im Rollstuhl, musste Sprechen und Schreiben mühsam neu lernen. Durch die rechtsseitige Lähmung musste die ursprüngliche Rechtshänderin auch lernen, künftig ihre linke Hand zu benutzen. „Ohne Victor hätte ich das alles nicht geschafft“, sagt sie heute.
Karen Smetaceks Weg zurück: Ein Leben nach dem Schlaganfall
Im Jahr 1981 erleidet Karen Smetacek einen schweren Schlaganfall – sie ist gerade einmal 33 Jahre alt. Seitdem lebt sie mit einer halbseitigen Lähmung und einer Sprachstörung.
Rehabilitation in der Schweiz und Umzug nach Bremerhaven
Für Karen ging es zunächst in eine Reha-Klinik bei Hamburg. Dann folgten verschiedene Therapien in der Schweiz und Deutschland. Schwimmen, Ergotherapie, Logopädie. Außerdem alternative Therapien in Brasilien, Kanada und Indien, der Heimat ihres Mannes. Sie begann, Tagebuch zu schreiben, um ihre Erinnerungen an den Unfall und den Weg zurück ins Leben festzuhalten. Denn ihr Gedächtnis funktioniert tadellos.
Ihr Mann Victor, ein studierter Meeresbiologe, erhielt 1986 eine Stelle beim Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Die Versicherung des Unfallverursachers, der den Aufprall nicht überlebte, zahlte den Smetaceks genug, um sich ein Haus in der Seestadt zu kaufen. Mit Schwimmbad, Gymnastikraum und großem Garten – so konnte Karen ihre Therapie auch zu Hause fortsetzen.

In ihrem großen Garten bietet sich viel Platz zum Bewegen für Karen Smetacek und Ehemann Victor. Foto: ls
Buch besteht aus Tagebucheinträgen und Erinnerungen von Karen Smetacek
In Bremerhaven gründete Karen die Selbsthilfegruppe „In Bewegung“ für halbseitig Gelähmte, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und gemeinsam an motorischen Fähigkeiten zu arbeiten. Sie setzte ihre Therapie in einer Physiotherapie-Praxis in Geestemünde fort und begann, ihr Buch zu schreiben. Es enthält den Moment des Unfalls, den Schlaganfall und ihre Therapie bis in die frühen 90er Jahre. Auch Erfolge, Frustration und die ersten gemeinsamen Reisen nach dem Unglück sind Teil des Buches. Ursprünglich sollte es den Titel „Gefangen in der Unterwelt“ tragen. Der spätere Verleger schlug „Mein Weg aus der Sprachlosigkeit“ vor – unter diesem Titel ist es im März diesen Jahres erschienen.
Seit Ende der 90er Jahre war das Ehepaar auf Verlagssuche
Das Buch, das 1998 fertig war, wollte damals niemand verlegen, erzählt Karen. „Es gab zu der Zeit kaum Literatur über Schlaganfälle und ich wollte meine Erlebnisse mit anderen Betroffenen teilen. Die Verlage sahen wohl keinen Bedarf“, erinnert sie sich. „Dann habe ich es eine Weile liegen lassen.“ Sie hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als ihr Mann für ein Buch als Experte angefragt wurde. Der pensionierte Wissenschaftler hält weiterhin Vorlesungen in Universitäten und publiziert Gastbeiträge in Fachzeitschriften und -büchern. So kam der Kontakt zum Continentia Verlag zustande, der Karens Buch nun letztlich verlegt hat. Mehr als 40 Jahre nach dem Unfall.

Kleine Tricks für den Alltag: Mit einem Nagelbrett kann Karen Smetacek Obst und Gemüse aufspießen, um es mit einer Hand schneiden zu können. Foto: ls
Heute kann sie laufen, sprechen und sogar Auto fahren
Ihre rechte Seite ist teilweise gelähmt geblieben, das Sprechen erfordert viel Konzentration. Gehirn und Körper trainiert sie täglich – mit Malen, Klavierspielen, Lesen und Dreiradfahren. An Victors Arm geht sie durch den Garten, auf einem Holzbrett mit Nägeln schneidet sie Obst und Gemüse. Mit einer Spezialvorrichtung kann sie Auto fahren. Karen möchte mit dem Buch anderen Betroffenen Mut machen, nie aufzugeben, sagt sie.
Karen Smetacek: Mein Weg aus der Sprachlosigkeit, Continentia Verlag, 364 Seiten, 26,90 Euro.