TExpress-Einbürgerung: Mehr Menschen im Landkreis wollen Deutsche werden

Einbürgerungen sind jetzt schon nach fünf statt wie bisher nach acht Jahren möglich. Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa
Nur noch fünf statt acht Jahre: Ausländer können seit Juni früher die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen - und die Nachfrage ist groß. So ist die Entwicklung im Kreis Stade.
Landkreis. Durch die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts können Ausländer, die schon länger in Deutschland leben, schneller die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Fast elf Millionen Menschen leben laut Statistischem Bundesamt ohne deutsche Staatsbürgerschaft in der Bundesrepublik – das ist jeder achte Einwohner.
Um den Weg zum deutschen Pass zu verkürzen, hat der Bundestag im Januar dieses Jahres eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts beschlossen, seit Juni gilt sie. Eine Einbürgerung ist damit nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland möglich, statt wie bisher nach acht Jahren. Für besonders gut Integrierte ist die Einbürgerung bereits nach drei Jahren möglich.
Erwartungen können vor Ort nicht erfüllt werden
Der Bundesgesetzgeber hat aber offenbar vergessen, dass die zuständige kommunale Ebene gar nicht das Personal hat, um die Flut der Anträge zu bewältigen.

Landrat Kai Seefried befürchtet lange Wartezeiten bei der Einbürgerung und Frust bei den Betroffenen. Foto: Schmidt
„Zum jetzigen Zeitpunkt können wir die Auswirkungen der neuen Einbürgerungsregeln noch nicht vollends beurteilen“, sagt Stades Landrat Kai Seefried (CDU) gegenüber dem TAGEBLATT. Die Verwaltung wisse aber schon jetzt, dass sich die Zahl der Antragsberechtigten deutlich erhöht hat.
Damit werden durch das neue Gesetz seitens der Bundespolitik Erwartungen auf schnelle Einbürgerungsverfahren geschürt, die vor Ort bereits aufgrund der jetzigen Fülle an Verfahren nicht erfüllt werden können
Landrat Kai Seefried (CDU)
„Damit werden durch das neue Gesetz seitens der Bundespolitik Erwartungen auf schnelle Einbürgerungsverfahren geschürt, die vor Ort bereits aufgrund der jetzigen Fülle an Verfahren nicht erfüllt werden können“, kritisiert der Landrat.
Fünf neue Stellen für Einbürgerungen
Deshalb wird der Landkreis Stade in einem Nachtragsstellenplan fünf zusätzliche Stellen für die Aufgabe der Einbürgerungen vorsehen. „Leider sind wir in diesem Bereich noch weit von einem bundesweit einheitlichen digitalen Antragsverfahren entfernt, das uns die Arbeit massiv erleichtern würde“, sagt Seefried.
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„In 2023 erreichten uns 982 Anträge und in 2024 sind es bis einschließlich August bereits 752 Anträge“, sagt Kreissprecher Daniel Beneke. Das heißt: In Stade rechnet die Verwaltung mit einem Rekordvolumen von 1000 Anträgen im laufenden Jahr. Dass das neue Einbürgerungsrecht wirkt, haben die Zahlen schnell belegt.
So viele Anträge wie sonst in einem Jahr
„In den Monaten Juli und August 2024 hatten wir jetzt jeweils fast 120 Eingänge - also knapp 240 Anträge in nur zwei Monaten. So viele Anträge hatten wir bis 2017 nicht einmal pro Jahr“, so Beneke weiter.
Die Zahl der Anträge steigt seit zehn Jahren im Stader Kreishaus kontinuierlich an. 2014 gab es 178 Anträge. Fünf Jahre später explodierte die Zahl - Grund war der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Viele Briten wollten die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Zahl der Einbürgerungswünsche stieg auf 279 Fälle. Coronabedingt und weil der Brexit abgeschlossen war, ging die Zahl 2020 auf 183 zurück. 2021 waren es wieder 354 Anträge und 2022 dann 742.
Die Top-Sieben der Einbürgerungsländer
Die Steigerung der Antragszahlen bis 2022 lässt sich vor allem auf die starke Zuwanderung in Folge der Flüchtlingskrise von 2015/2016 zurückführen. Viele geflohene Syrer erreichten die notwendige Aufenthaltszeit, um unter Verkürzung der Aufenthaltsdauer eingebürgert zu werden.
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Im laufenden Jahr kamen die Einbürgerungsanträge aus rund 70 Staaten: Syrien (232), Afghanistan (65), Türkei (52), Iran (34), die Russische Föderation (33), Irak (21) und Albanien (19) bilden die Top-Sieben der Staaten, von deren Bürgern die Anträge gestellt wurden.
Viele Russen und Syrer können Antrag stellen
Durch die Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft im neuen Staatsangehörigkeitsrecht rechnet die Landkreis-Verwaltung mit besonders vielen zusätzlichen Anträgen aus Ländern wie Russland, der Türkei, Serbien und dem Kosovo.
Aus diesen Ländern wohnen etwa 3000 Personen im Kreisgebiet. Hinzu kommen 3000 Personen aus Syrien, die schon jetzt oft in den Genuss verkürzter Aufenthaltszeiten kamen - häufig wegen guter deutscher Sprachkenntnisse - und die mit dem neuen Recht von der verkürzten Aufenthaltsdauer stark profitieren.
Antragsflut: Verwaltung braucht mehr Personal
Die massiven Steigerungen der Anträge hat Folgen für das Personal der Kreisverwaltung: Bis Ende 2020 war der Bereich Einbürgerungen mit 1,5 Kräften ausreichend besetzt. Seit Juni 2022 erfolgt die Aufstockung. Aktuell sind es fünf plus Leitung. Perspektivisch sind weitere fünf Stellen vorgesehen. Das sind dann zehn Stellen insgesamt. Die Kosten dafür bekommt der Kreis vom Bund nicht erstattet.
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Auch für die Menschen, die Deutsche werden wollen, ist die Situation frustrierend. Anträge aus 2023 konnten noch nicht bearbeitet werden, und aktuell kommen jeden Tag neue dazu. 2023 konnten 364 Verfahren abgeschlossen werden. in diesem Jahr wird die Zahl auf 500 steigen. Dennoch wird die Warteliste länger.