Ausstellung: Gesichter und Geschichten der Tragödie auf dem Mittelmeer

Fotograf César Dezfuli vor einem Mosaik aus den 118 Ausstellungsporträts, die er 2016 an Bord des zivilen Seenotrettungsschiffes Iuventa gemacht hat. Foto: Christos Karagiorgakis
Für sein Projekt „Passengers“ ist César Dezfuli 2023 mit dem renommiertesten Fotojournalisten-Preis der Welt ausgezeichnet worden. Jetzt ist es in Buxtehude zu sehen - mit spannendem Begleitprogramm.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Buxtehude. Die St.-Paulus-Gemeinde ist Bündnispartner des Vereins United4Rescue, der die zivile Seenotrettung im Mittelmeer unterstützt. Als die Geschäftsstelle von United4Rescue anrief und anbot, die Ausstellung nach Buxtehude zu bringen, musste dort nicht lange überlegt werden.
Sie zeigt das Projekt des spanischen Fotografen César Dezfuli, das ihm den World Press Foto Award einbrachte. Im Sommer 2016 war er an Bord der Iuventa, ein ehemaliges Fischerboot, betrieben von der deutschen Organisation Jugend Rettet.
Am 1. August erlebte er, wie sie auf der zentralen Mittelmeerroute - der Überfahrt von Libyen nach Italien - 118 Menschen aus einem überfüllten Gummiboot retteten. Dezfuli fotografierte jeden einzelnen. Ihre Blicke, die Male an ihren Körpern, ihre Kleidung oder deren Fehlen spiegeln einen Moment wider, der ein Wendepunkt ihres Lebens ist.
Figur des Migranten wird oft kriminalisiert
Es ist zehn Jahre her, dass Angela Merkel versprach: „Wir schaffen das“. Heute konzentriert sich die Debatte vor allem auf die Interessen und Bedürfnisse der aufnehmenden Gesellschaften und kriminalisiert oft die Figur des Migranten. Geflüchtete werden ihrer Individualität und damit der Möglichkeit des Verstehens beraubt.
Migration
T Zu Besuch im Stader Flüchtlingsheim
César Dezfuli will verstehen. Deshalb hat er sich noch einmal auf die Suche nach den 118 Passagieren gemacht. In acht Jahren ist es ihm gelungen, 105 von ihnen ausfindig zu machen. Mit einem aktuellen Porträt, einer Fotoreportage ihres Alltags, einer Rekonstruktion ihrer Migrationsroute und einem Interview zeigt er, wer sie sind, warum sie migriert sind und wie ihr Leben heute aussieht.
„Passengers“ heißt die Ausstellung, die daraus entstand und vom 7. bis 30. September in der St.-Paulus-Kirche zu sehen ist. Ein Begleitprogramm ergänzt sie und bietet Gelegenheit zu Austausch und Diskussion. Eintritt frei.
Sonntag, 7. September: Vernissage und Themengottesdienst
Im Themengottesdienst mit Vernissage ab 10 Uhr geht es um die Menschen, die keinen anderen Ausweg sehen, als sich auf gefährliche Fluchtwege zu begeben - und um die Arbeit der NGOs, die nicht zulassen wollen, dass Menschen dabei ertrinken. Anschließend sind alle eingeladen, mit der Bündnisgruppe United4Rescue ins Gespräch zu kommen.
Dienstag, 9., 23. und 30. September: Film-Dienstage
Parallel zur Ausstellung finden in der St.-Paulus-Kirche jeweils um 19 Uhr Film-Dienstage statt. Los geht es am 9. September mit einem Dokumentarfilm, der Dezfuli bei seiner Arbeit zeigt und über ein Jahr lang die Mission der Iuventa begleitet. Um die dramatische Liebesgeschichte eines Tunesiers und einer Europäerin vor dem Hintergrund des Arabischen Frühlings geht es in einem Spielfilm am 23. September. Am 30. September zeigt dann eine preisgekrönte Echtzeitdokumentation die Dramatik einer Rettung auf dem Mittelmeer.
Mittwoch, 17. September: Theaterstück
Die Omas gegen Rechts Buxtehude und die Bündnisgruppe United4Rescue laden ein zu einer szenischen Lesung ab 19 Uhr: „Nachbarn - Sie waren Freunde, gute sogar“ zeigt, wie Demokratien ins Wanken geraten - und was das mit Freundschaften, Familien und Nachbarschaften macht.
Im Zentrum stehen zwei Freunde, die sich nach Jahren wieder begegnen - in einem fiktiven Staat, in dem Nationalpopulisten die Macht übernommen haben. Zwischen ihnen entbrennt eine Auseinandersetzung über Haltung, Verantwortung und politischen Widerstand.
Im Anschluss ist Gelegenheit zum Gespräch mit dem Autor Antonio Umberto Riccò. Er verbindet Lesung und Theater mit Musik von Carsten Litfin zu einem bewegenden Plädoyer für Zivilcourage, erklärt Dorte Stürmer Brauer von den Omas gegen Rechts: „Wir laden ein, hinzusehen, zuzuhören und miteinander ins Gespräch zu kommen - bevor es zu spät ist.“
Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.