T„Eiskalt ins Gesicht gelogen“: Familienvater verliert durch Co.Net seine Altersvorsorge

Co.Net-Vorstandsvorsitzender Thomas Limberg (links) mit Vorstand Johan Zwart, hier eine Archivaufnahme. Limberg ist Mitbegründer und Mitinitiator der Verbrauchergenossenschaft und gilt als zentrale Figur im Co.Net-Wirtschaftsskandal. Foto: Archiv
Olaf M. hat wegen der kriminellen Machenschaften bei der Verbrauchergenossenschaft Co.Net aus Drochtersen Zehntausende Euro verloren. Es war die Altersvorsorge des Familienvaters. Ob er überhaupt einen Cent wiederbekommt, ist fraglich.
Drochtersen. Olaf M. aus Hessen gehörte bis Ende 2023 zu den knapp 4000 Genossenschaftsmitgliedern der Co.Net aus Drochtersen. Viele von ihnen haben oder hatten wie Olaf M. Geld bei der Verbrauchergenossenschaft angelegt, etliche als Altersvorsorge. Seit Mitte Februar steht Co.Net unter vorläufiger Insolvenzverwaltung.
Bei einer länderübergreifenden Razzia am 23. Februar wurden etliche Konten eingefroren, einer der zwölf Hauptbeschuldigten wurde festgenommen. Vorwürfe wegen Veruntreuung, Geldwäsche und krimineller Verbindungen ins Clanmilieu stehen im Raum. Aus Furcht vor diesen Clans will Olaf M. nicht mit Foto und seinem echten Namen in der Öffentlichkeit berichten.
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Jugendfreund macht die Geldanlage schmackhaft
Olaf M. ist Baumaschinenführer, verdient rund 4400 Euro brutto im Monat. Er ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und lebt mit seiner Ehefrau im Eigenheim. Der 56-Jährige kam 2013 mit Co.Net in Kontakt. Ein Jugendfreund habe ihm von Anlagemöglichkeiten bei der Verbrauchergenossenschaft erzählt, sagt Olaf M. Er vermute, dass der Jugendfreund als Vermittler für Co.Net tätig war, habe ihm das aber nicht nachweisen können.
Der Hesse hat damals lange gezögert. „Ich habe wochenlang überlegt und im Internet nach Informationen zu Co.Net gesucht - und da gab es nichts Negatives.“ Die Niedrigzinsphase in Deutschland forciert die Bestrebungen des Familienvaters, Geld woanders anzulegen, als bis dahin. Bei seiner Lebensversicherung habe es irgendwann nur noch eine Rendite von einem Prozent gegeben, sagt Olaf M.

Die Razzia der Polizei läuft, in der Zentrale von Co.Net wird Beweismaterial gesichert. Gegen 9 Uhr hatten Schwerbewaffnete das Gebäude gestürmt. Foto: Vasel
Er kündigt die Versicherung und legt das Geld bei Co.Net an: 16.000 Euro als Einmalzahlung, dann 5600 für Monatseinzahlungen und schließlich monatlich jeweils 200 Euro als Rateneinzahlungen, also 2400 Euro jährlich. In den ersten Jahren sei alles „super gelaufen“, sagt Olaf M. Das Geld der Anleger wandert angeblich vor allem in Ferienimmobilien auf Mallorca, damit sollen Gewinne erwirtschaftet werden.
Wie versprochen seien jährlich zehn Prozent Dividende ausgezahlt worden, berichtet Olaf M. Das ändert sich mit Beginn der Corona-Pandemie. Wegen Lockdowns und Reisebeschränkungen bricht der Tourismusbetrieb zusammen, auch auf Mallorca. Die Co.Net gerät in Zahlungsschwierigkeiten, Steuerschulden summieren sich. Den Mitgliedern wird auf der Generalversammlung 2022 noch eine Mini-Dividende von einem Prozent zugesichert. Die sei auch ausgezahlt worden, sagt Olaf M.
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Monatsratenzahlungen Anfang 2023 eingestellt
Immer mehr Anleger kündigen ihre Mitgliedschaften und klagen auf Auszahlung ihrer Genossenschaftsanteile. Allmählich wird bekannt: Co.Net hat Zahlungsprobleme und verfügt offenbar kaum über Rücklagen. Olaf M. wendet sich an einen Anwalt. Er habe Anfang 2023 seine Monatsratenzahlungen eingestellt und seine Genossenschaftsanteile gekündigt. Um wenigstens einen Teil seines Geldes wiederzubekommen, habe er vor dem Landgericht Stade über seinen Anwalt einem Vergleich mit Co.Net zugestimmt, berichtet Olaf M. Rund 48.000 Euro habe er zurückbekommen müssen, im Vergleich hätten sich beide Seiten auf 31.700 Euro geeinigt. Die ersten Raten in Höhe von 3000 Euro hätten eigentlich noch Ende 2023 fließen sollen, es sei aber nichts gekommen, sagt Olaf M.
Als im Januar in Jork eine Mitgliederversammlung für Co.Net-Genossen stattfindet, reist Olaf M. aus Hessen an. Erstmals erlebt er den Co.Net-Vorstandsvorsitzenden Thomas Limberg. „Der hatte Securityleute dabei, die auf ihn aufgepasst haben.“ Bei einigen Anlegern gibt es immer noch ein Fünkchen Hoffnung, mit dem Verkauf eines Hotels auf Mallorca könnten Schulden beglichen werden. „Da sitzen die und lügen uns ins Gesicht. Eiskalt“, resümiert Olaf M.

Co.Net-Mitgründer Thomas Limberg 2020 auf Mallorca. Auf der Ferieninsel erwarb die Verbrauchergenossenschaft diverse Immobilien. Foto: Co.Net
Mit Gerichtskosten 57.000 Euro Verlust
Zusätzlich zu den 48.000 Euro, die er in die Genossenschaft eingezahlt hatte, seien ihm bislang knapp 9000 Euro an Anwalts- und Gerichtskosten entstanden, erzählt Olaf M. Er habe zwar eine Rechtsschutzversicherung, aber die habe nicht gezahlt, da der Streitwert zu hoch gewesen sei. „Es sind knapp 57.000 Euro, die ich verloren habe. Ich hab das jetzt erst mal abgeschrieben“, sagt Olaf M. resigniert. Das vorläufige Insolvenzverfahren und die Ermittlungen laufen. „Das wird Jahre dauern. Wer weiß, wer dann noch etwas wiederbekommt - und wie viel“, sagt Olaf M.
Viele Anleger hoffen noch auf die Werte, die in den Co.Net-Ferienimmobilien auf Mallorca stecken. Allerdings: Wie die Sprecherin der vorläufigen Insolvenzverwaltung Willmerköster in Bremen auf TAGEBLATT-Anfrage mitteilt, seien „die spanischen Tochtergesellschaften und die Enkelgesellschaften ... nicht Teil des vorläufigen Insolvenzverfahrens“. Dieses betreffe „nur die Verbrauchergenossenschaft, die ihrerseits keine Hotels et cetera betreibt“.