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Nachbarkreise

TEklat in der Gedenkstätte Sandbostel: Leningrad-Ausstellung abgebrochen

Der Rotenburger Kreistagsabgeordnete Reinhard Lindenberg (li.) und Wolfgang Müller, Vorsitzender des Vereins „Deutsch-Russische Friedenstage Bremen e. V.“

Der Rotenburger Kreistagsabgeordnete Reinhard Lindenberg (li.) und Wolfgang Müller, Vorsitzender des Vereins „Deutsch-Russische Friedenstage Bremen e. V.“ Foto: Ralf G. Poppe

Die Eröffnung einer Ausstellung zur Leningrad-Blockade während des Zweiten Weltkrieges endete mit einem Eklat. Nach prorussischen Aussagen zum Ukraine-Krieg wurde die Ausstellung abgesagt.

Von Corvin Borgardt Donnerstag, 11.09.2025, 17:00 Uhr

Sandbostel. Was war passiert? Eigentlich hätte am Montag um 17 Uhr in der Gedenkstätte Lager Sandbostel die vom Verein „Deutsch-Russische Friedenstage e. V. Bremen“ erarbeitete Sonderausstellung „Niemand ist vergessen und nichts ist vergessen. Die Blockade Leningrads 1941 – 1944“ feierlich eröffnet werden sollen.

Eröffnungsrede sorgt für Eklat – Ukraine-Krieg relativiert?

In der Eröffnungsrede des Vereinsvorsitzenden der „Deutsch-Russische Friedenstage“, Wolfgang Müller aus Bremen, habe es laut Gedenkstättenleiter Andreas Ehresmann Aussagen und Positionen zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gegeben, „die in keiner Weise mit den Positionen der Gedenkstätte und der Stiftung Lager Sandbostel übereinstimmen“.

Es seien darüber hinaus Vergleiche und Analogien gezogen worden, die ebenfalls nicht der Haltung der Gedenkstätte und der Stiftung Lager Sandbostel entsprechen und historisch falsch seien. „Wie sich nach der Eröffnungsveranstaltung zeigte, hatten wir bezüglich der Ausstellung eine gänzlich andere Intention als der Verein. Wir dachten eine Ausstellung zur Leningrad-Blockade zu zeigen, nicht einen Krieg zu rechtfertigen. Wir teilen die Positionen des Vereins Deutsch-Russische Friedenstage nicht und konnten das in Diskussionen auch nicht lösen“, teilte Andreas Ehresmann am Mittwoch mit.

Gedenkstätte setzt klares Zeichen

Um hier eine klare Trennung auch öffentlich zu signalisieren, habe man nach längeren Diskussionen schweren Herzens beschlossen, die Präsentation der Ausstellung in Sandbostel zu beenden. „Dies ist aus unserer Sicht der deutlichste Weg, uns von den Positionen des Vereins Deutsch-Russische Friedenstage zu distanzieren“, so der Gedenkstättenleiter.

Warum die Gedenkstätte Sandbostel die Ausstellung abbrach

Er selbst, so Andreas Ehresmann, am Mittwoch im Gespräch mit unserer Zeitung, habe geahnt, dass die Ausstellungseröffnung von dem Bremer Verein für eine Relativierung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine missbraucht werden könne. Man habe dem Verein aber einen Vertrauensvorschuss gewährt, da die Ausstellung von einer Kollegin empfohlen worden sei, erklärt der Gedenkstättenleiter.

Dass die „Deutsch-Russischen Friedenstage e. V.“ sich russischer Tonalität bedienen, zeigt ein Blick ins Internet. Auf der Homepage des Vereins heißt es unter anderem „Anlass für unser Engagement ist die zunehmend konfrontative Stimmung der westlichen Politik gegenüber Russland: Einseitige Schuldzuweisungen und Strafmaßnahmen, große NATO-Manöver direkt vor der russischen Grenze und eine verzerrende, unvollständige Darstellung russischer Politik in den etablierten Medien – dies alles macht uns Sorgen.“

Vereinsvorsitzender Wolfgang Müller wehrt sich gegen Vorwürfe

Auf Anfrage unserer Zeitung bedauerte der Friedenstage-Vorsitzende die Absage der Ausstellung – „nur, weil jemand Worte wählte, die nicht von allen als passend empfunden wurden“. „Gegen die Unterstellung, ich hätte irgendeinen Krieg unterstützt oder legitimiert, verwahre ich mich aufs Schärfste“, kommentierte Wolfgang Müller die Vorwürfe gegen ihn.

Man solle jetzt nicht das „Kind mit dem Bade ausschütten“ und die Ausstellung wie geplant zeigen, fordert Müller. Inhaltlich sei die Ausstellung nicht zu beanstanden und das Thema sei es Wert, in einer Ausstellung gezeigt zu werden, sagt Andreas Ehresmann. „Zeitnah planen wir nun eine Veranstaltung, die sich mit der Instrumentalisierung von Erinnerung in Russland befasst, unter anderem des Gedenkens an die Hungerblockade Leningrads“, kündigt der Gedenkstättenleiter an und sagt rückblickend: „Vielleicht sind wir etwas zu naiv an die Sache herangegangen.“

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