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TEuropawahl: Grüne verlieren im Kreis Stade die Hälfte ihrer Wähler

Die Europawahl in Buxtehude im Stadthaus. Der Erste Stadtrat Ralf Dessel analysiert die Zahlen für die Hansestadt.

Die Europawahl in Buxtehude im Stadthaus. Der Erste Stadtrat Ralf Dessel analysiert die Zahlen für die Hansestadt. Foto: Wisser

Massive Verluste für die Ampel. Die CDU wird landkreisweit mit deutlichem Abstand stärkste Partei. Der Bundestrend setzt sich im Landkreis Stade fort. Es gibt aber lokale Besonderheiten.

Von Björn Vasel und Karsten Wisser Montag, 10.06.2024, 08:10 Uhr

Landkreis. Die ersten Ergebnisse im Landkreis Stade kamen aus den ländlichen Regionen und gaben einen sehr klaren Trend vor. Die CDU liegt bei über 40 Prozent, Bündnis 90/Die Grünen verlieren massiv. Im ländlichen Raum sind die Verluste oft zweistellig. Auch die AfD gewinnt wie die CDU Stimmen dazu. Anders als auf Bundesebene bleibt die SPD aber zweitstärkste politische Kraft in der Region. Später kommen die Wahlergebnisse aus den Städten Stade und Buxtehude dazu. Die Ergebnisse pendeln sich ein. Der Trend bleibt.

CDU bekommt in allen Kommunen die meisten Stimmen

Die CDU (34,27 Prozent) bekommt fast doppelt so viele Stimmen wie die SPD (18,11). Die Christdemokraten werden auch in allen Städten und Gemeinden stärkste Kraft.

Die Sozialdemokraten können sich aber vor der AfD (14,11) behaupten. Bündnis 90/Die Grünen (11,30) werden auf den vierten Platz durchgereicht. Auf Platz fünf bleibt die FDP (4,95), gefolgt vom Bündnis Sahra Wagenknecht (4,17). Die Linke (1,86) und die Partei (1,68) kommen über Splitter-Parteien-Niveau kaum hinaus.

Landrat Kai Seefried freut sich über die von 62 Prozent (2019) auf 65,22 Prozent gestiegene Wahlbeteiligung im Kreis Stade. Das zeige, wie wichtig Europa vielen Menschen sei. Das Wahlergebnis sei allerdings „kein Anlass, sich weniger Sorgen zu machen. Jetzt sind vor allem die regierungstragenden Fraktionen in Berlin gefordert“, so Seefried mit Blick unter anderem auf AfD und BSW.

CDU liegt über dem Bundes- und Landestrend

„Wir liegen deutlich über dem Bundes- und Landestrend“, freut sich die CDU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Melanie Reinecke aus Stade. Dass die Kreis-CDU den Europa-Wahlkampf bereits im Herbst 2023 mit dem Spitzenkandidaten David McAllister in Hollern gestartet hatte, habe sich am Sonntag ausgezahlt.

So sehen Sieger aus: Die Landtagsabgeordnete und CDU-Kreisvorsitzende Melanie Reinecke verfolgt die Auszählung in den Berufsbildenden Schulen in Stade.

So sehen Sieger aus: Die Landtagsabgeordnete und CDU-Kreisvorsitzende Melanie Reinecke verfolgt die Auszählung in den Berufsbildenden Schulen in Stade. Foto: Vasel

Die Christdemokraten seien dabei, verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen: „Wir haben einen guten Job gemacht - und deutlich gemacht, wie wichtig die EU für uns alle ist.“ Sie freue sich, dass die Niedersachsen-CDU in Zukunft möglicherweise mit vier statt drei Abgeordneten in Brüssel vertreten ist: David McAllister, Lena Düpont, Jens Gieseke sind sicher drin, dass vierte Mandat mit Jochen Steinkamp ist noch offen. Besorgniserregend sei allerdings das Abschneiden der AfD.

Vergleich: SPD mit hohen Verlusten zur letzten Wahl

„Das Abschneiden der AfD ist erschreckend“, sagt SPD-Kandidat Gerrit Steffens. Der Buxtehuder hatte auf dem aussichtslosen Platz 94 der Bundesliste fürs EU-Parlament kandidiert. Vor Ort hatte er trotzdem engagiert für Europa geworben. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum so viele Menschen im Kreis Stade ihr Kreuz bei den Rechtsextremen gemacht hätten.

Die SPD verliert im Vergleich zu Bundestags- und Landtagswahl massiv: Der Co-Unterbezirksvorsitzende Kai Koeser (links), EU-Kandidat Gerrit Steffens und die Landtagsabgeordnete und Co-Unterbezirksvorsitzende Corinna Lange analysieren die Zahlen.

Die SPD verliert im Vergleich zu Bundestags- und Landtagswahl massiv: Der Co-Unterbezirksvorsitzende Kai Koeser (links), EU-Kandidat Gerrit Steffens und die Landtagsabgeordnete und Co-Unterbezirksvorsitzende Corinna Lange analysieren die Zahlen. Foto: Vasel

Schließlich müsse allen klar sein, dass die AfD mit ihren EU-Kandidaten Petr Bystron und Maximilian Krah „gegen deutsche Interesse handeln“ und „für Ausgrenzung stehen“ würde. Der 28-Jährige machte deutlich, dass die SPD sich jetzt „nicht wie die CDU den Positionen der AfD annähern“ dürfe. Steffens: „Wir müssen weiter auf Menschlichkeit und soziale Gerechtigkeit setzen.“

Die SPD hat das „Glück“, dass schon die EU-Wahl 2019 für sie ein Debakel war. Deshalb verliert sie weniger als ein Prozent auf Landkreisebene. Der Vergleich mit der Bundestagswahl 2021 und der Landtagswahl 2022 mit Ergebnissen über 30 Prozent zeigt aber, wie schlecht die Zustimmungswerte für die Partei des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil aktuell sind. Hier verliert die SPD im zweistelligen Bereich.

SPD erwartet mehr Einigkeit in der Regierung

Die Co-Vorsitzenden des SPD-Unterbezirks Corinna Lange (Fredenbeck) und Kai Koeser (Stade) verfolgten die Wahlergebnisse im SPD-Lokal in der Archivstraße in Stade. „Das ist ein schlechtes Ergebnis für die SPD insgesamt“, sagt Lange. Dass die SPD im Kreis Stade deutlich besser als auf Bundesebene abgeschnitten habe, zeige laut Koeser „dass wir vor Ort auf einem guten Weg sind, die Menschen zu erreichen“. Er erwarte jetzt mehr Einigkeit in der Bundesregierung.

Die SPD müsse jetzt ihre sozialpolitischen Erfolge herausstellen. Die besonnene Haltung des Kanzlers in Sachen Ukraine-Krieg sei richtig, so Koeser. Das Abschneiden der AfD bereitet Lange „große Sorge. Wir dürfen jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen.“ Den Menschen müsse vor Augen geführt werden, warum das Kreuz bei der AfD die falsche Wahl war.

Schlechte Grünen-Ergebnisse auf dem Land

„Der Klimawandel ist da und er interessiert sich nicht für Wahlergebnisse“, sagt Amalien Meyer von den Grünen in Buxtehude. „Der Klimawandel ist für alle sichtbar“, sagt Joachim Fuchs, Co-Sprecher des Kreisverbands. Dass die Grünen diesmal auf dem Land schlecht abschneiden würden, sei schon bei den Bauernprotesten absehbar gewesen. „Da ist uns viele Hass entgegengeschlagen“, sagt Fuchs.

Auch im Kreis Stade gibt es hohe Verluste für die Grünen; Co-Kreisvorstandssprecher Joachim Fuchs (links) und die Buxtehuder Sprecher Joachim Buttler und Amalien Meyer betrachten die Ergebnisse.

Auch im Kreis Stade gibt es hohe Verluste für die Grünen; Co-Kreisvorstandssprecher Joachim Fuchs (links) und die Buxtehuder Sprecher Joachim Buttler und Amalien Meyer betrachten die Ergebnisse. Foto: Wisser

Die Grünen warnen davor, das historisch gute Wahlergebnis bei der EU-Wahl 2019 als Bewertungsmaßstab anzulegen. „Die Verluste relativieren sich, wenn wir uns die Ergebnisse der letzten Wahlen anschauen“, sagt Joachim Fuchs. Das Ergebnis der Landtagswahl 2022 können sie in einigen Kommunen fast halten. „Uns ist es gelungen, unsere Stammwähler zu mobilisieren“, sagt Fuchs.

AfD feiert den Erfolg und sieht sich als Opfer der Medien

„Das ist für uns ein grandioser Wahlerfolg“, sagt AfD-Pressesprecher Helmut Wiegers. „Darauf sind wir sehr stolz.“ Der AfD sei eine in der bundesdeutschen Geschichte einmalige Schmutzkampagne in den Medien entgegengeschlagen, so Wiegers. Es habe organisierten Diebstahl von AfD-Plakaten gegeben und tätliche Angriffe auf AfD-Wahlstände.

Auf Kreisebene wird die AfD in Oldendorf-Himmelpforten zweitstärkste Kraft. In Fredenbeck und Harsefeld ist der Vorsprung der SPD nur minimal. Die AfD hatte Mitglieder zur Wahlbeobachtung ausgeschickt. Am Sonntag konnte sie aber keine Unregelmäßigkeiten feststellen.

FDP: Entsetzen über europafeindliches Wahlverhalten

„Wir haben im Vergleich mit den anderen Ampelparteien weniger Stimmen verloren“, sagt Hilke Ehlers, Kreisvorsitzende der FDP. Es sei aber sehr schade, dass die bei EU-Wahlen nur symbolische Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft worden sei. „Das wäre ein gutes Signal gewesen“, sagt Hilke Ehlers.

„Wir brauchen jetzt eine Wirtschaftswende in der Ampelkoalition“, fordert sie. „Die Menschen wollen nicht mehr für diejenigen mitarbeiten, die das selbst nicht wollen“, so Ehlers. Persönlich sei sie entsetzt, wie viele Menschen europafeindliche Kräfte am rechten und am linken Rand gewählt hätten.

Ein Buxtehuder bleibt im EU-Parlament

Ein Buxtehuder bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit im EU-Parlament. Nach den Hochrechnungen zu Redaktionsschluss sah es so aus, dass der SPD-Mann Tiemo Wölken für die Region Weser-Ems weiter im Europäischen Parlament vertreten ist. Wölken ist in Buxtehude aufgewachsen und war im Wahlkampf mehrfach in der Region präsent.

„Dieses Ergebnis müssen wir als das nehmen, was es ist: Ein deutliches Zeichen, dass wir als Sozialdemokratie aktuell nicht gut genug vermitteln, was wir für die Menschen in Deutschland und Europa erreichen wollen“, sagt Wölken.

Europawahl-BBS-Auszählung: Die Wahlzettel sind lang.

Europawahl-BBS-Auszählung: Die Wahlzettel sind lang. Foto: Vasel

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