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Landgericht Stade

TFalscher Paketbote klingelt und zückt Steakmesser

Kurz vor Verhandlungsbeginn der 2. Großen Strafkammer unter Vorsitz von Richter Berend Appelkamp beim Landgericht in Stade dreht der 28-jährige Angeklagte der Kamera den Rücken zu.

Kurz vor Verhandlungsbeginn der 2. Großen Strafkammer unter Vorsitz von Richter Berend Appelkamp beim Landgericht in Stade dreht der 28-jährige Angeklagte der Kamera den Rücken zu. Foto: Potschka

Geschlagen, gewürgt, an den Haaren gerissen: Vor dem Landgericht Stade muss sich ein 28 Jahre alter Mann wegen mehrerer Gewalttaten gegen Frauen verantworten. Ein Cuxhavenerin konnte gerade noch fliehen.

Von Jens Potschka Mittwoch, 24.04.2024, 00:58 Uhr

Stade. Als die 2. Große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Berend Appelkamp am frühen Montagmorgen den Sitzungssaal 109 im Altbau des Landgerichts Stade betritt, dreht der 28 Jahre alte Angeklagte schnell seien Rücken in Richtung Kamera. Kurz vor Verhandlungsbeginn ist das Fotografieren im Sitzungssaal erlaubt. Der junge Mann, der sich von Rechtsanwalt Lars Zimmermann aus Bremervörde vertreten lässt, möchte offensichtlich presseöffentlich unerkannt bleiben.

Die Vorwürfe gegen den 28-Jährigen wiegen schwer: Am späten Nachmittag des 26. Januars 2023 soll er in einer Cuxhavener Reihenhaussiedlung in der Nähe der Straße Abschnede an der Haustür einer Frau geklingelt und sich dabei als Paketbote ausgegeben haben. An der Tür stehend soll er die Frau aufgefordert haben, einen Kugelschreiber zu holen, um den Empfang des Paketes zu quittieren.

Diesen kurzen unbeobachteten Moment soll der Angeklagte ausgenutzt haben, um der Frau in ihre Küche zu folgen. Dort soll er die Cuxhavenerin mit einem Steakmesser bedroht und ihr Geld gefordert haben. Die Frau konnte jedoch, wie es ein Cuxhavener Polizeikommissar jetzt im Zeugenstand aussagte, über die Terrassentür in ihren Garten und dann auf die Straße fliehen. Dort rief sie lautstark um Hilfe.

Fingerabdrücke stammen vom Angeklagten

Der vermeintliche Paketbote war Zeugenaussagen zufolge mit einer Maske, einer dunklen Kappe und dunkler Kleidung am Tatort erschienen. Das Paket konnte von Beamten später sichergestellt werden. Es wurde kriminaltechnisch untersucht. „In dem Paket befanden sich eine abgefeuerte Konfettibombe und eine Rewe-Tüte“, erklärte der Cuxhavener Polizeibeamte im Gerichtssaal und ins Detail gehend: „Die Kollegen vom Landeskriminalamt haben ein Frauenhaar am Griff der Einkaufstasche sichergestellt. Dieses konnten wir nicht zuordnen. Außerdem wurden drei Fingerabdrücke gefunden, die zweifelsfrei vom Angeklagten stammen.“

Einige Tage später soll der Angeklagte wieder in der Reihenhaussiedlung erschienen sein. Ein Nachbarsjunge will einen dunkel bekleideten Mann mit Sturmhaube gesehen haben, der das Haus des Opfers mit seiner Handykamera gefilmt haben soll. Wenig später sei er in einem Auto davongefahren.

Verteidiger Lars Zimmermann löcherte den Kriminalbeamten mit vielen Fragen. Dabei deutete der Beamte im Zeugenstand an, dass der Angeklagte schon des Öfteren mit Taten in Verbindung gebracht werden konnte, bei dem er sein Gegenüber mit einem Messer bedroht habe.

Geschlagen, gewürgt und an den Haaren gerissen

So soll der Angeklagte auch im Juli 2023 wieder einmal ein Messer gezückt haben. Diesmal in Hemmoor. Während einer gemeinsamen Autofahrt sei er mit der Fahrerin eines Pkw in einen heftigen Streit geraten. Dabei soll er die Frau zum Anhalten gebracht, sie geschlagen, gewürgt, an ihren Haaren gerissen haben. Zudem soll er der Fahrerin damit gedroht haben, wenn sie die Polizei einschalte, sie zu töten. Passanten hatten seinerzeit versucht, den aufgebrachten Mann zu beruhigen. Auch diese soll er laut Anklageschrift mit dem Messer bedroht haben.

Verteidiger fragt intensiv nach

Die Frau sei daraufhin mit dem Wagen und dem Mann weiter auf der B73 unterwegs gewesen. Zwei zwischenzeitlich benachrichtige Funkstreifenwagenbesetzungen haben das Auto dann später angehalten. Gleich drei an dem Einsatz beteilige Polizeibeamte schilderten den Angeklagten am Montagmorgen im Landgericht als äußerst aggressiv. Nach ihren übereinstimmenden Aussagen wehrte sich der Angeklagte beim Versuch ihm Handfesseln anzulegen, zeitweise vehement. Bei dem Einsatz zog sich der Angeklagte eine „Schramme im Gesicht“ zu. Er beleidigte die Polizisten mit derben Schimpfwörtern und sprach ihnen gegenüber Drohungen aus. Einen Tag nach dem Vorfall soll der Angeklagte die Fahrerin angerufen und ihr angedroht haben, dass er sich zu ihr fahren lassen und sie umbringen werde.

Am 30. April soll weiter verhandelt werden

Verteidiger Lars Zimmermann stellte auch diesen am Einsatz beteiligten Beamten viele Fragen. So wollte er zum Beispiel wissen, ob sie seinen Mandanten bei dem Einsatz geschlagen oder getreten haben? Mit Blick auf die Verletzung im Gesicht sprach der Anwalt von einer etwa „fünf Zentimeter langen Schnittwunde“. Alle Zeugen verneinten seine Frage deutlich.

Wie sich der Prozess weiter gestalten wird, ist augenblicklich nicht abzusehen. Verteidiger Lars Zimmermann erklärte zum Beginn des 2. Prozesstages, dass sich sein Mandant in wenigen Tagen einer OP unterziehen müsste. Ob diese ambulant durchgeführt oder mit einer stationären Unterbringung des Angeklagten einhergehen werde, vermochte er am Montag nicht abzuschätzen.

Nach jetzigem Stand soll der 3. Prozesstag am 30. April stattfinden. Es ist ein halber Verhandlungstag anberaumt.

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