T„Fast schon zu spät“: Kreis-Behörde stellt sich dem Wolfsfrust

In Kranenburg an der Oste gibt es beinahe täglich Wolfssichtungen. Foto: Boris Roessler/dpa
Die Rückkehr der Wölfe hält die Oste-Region in Atem. Mehr als 200 Menschen kamen nach Kranenburg, um ihren Sorgen Luft zu machen. Es hagelte Kritik. Eine Forderung war besonders laut und deutlich.
Kranenburg. Den aktuellen Stand zum Wolf in der Region skizzierte Wolfsberater Michael Ohlhoff. Er unterstützt das Monitoring, sucht und dokumentiert Hinweise auf Wölfe. Die Ranz, die Paarungszeit, stehe im Februar und März wieder bevor. „In der Ranz wird es gefährlich im Wald. Hunde an die Leine“, warnte Ohlhoff. „Wölfe sehen Hunde dann als Eindringlinge.“ Nach 10 bis 22 Monaten verlässt der Nachwuchs das Rudel. „Jagen können die noch nicht mit ihren zehn Monaten“, so Ohlhoff. Wenn die Welpen mit 10 bis 22 Monaten das Rudel verlassen müssen, komme es im Herbst zu Nahbegegnungen dieser „völlig verpeilten Welpen“, zum Beispiel mit Radfahrern.
Ein Muss: Wolfssichtungen melden
Die App für Wolfssichtungen sei ein Muss für „jeden, der im Wolfsgebiet lebt“, um Sichtungen zu melden. „Diese Daten sind extrem wichtig.“ Auch für ihn sei das Oldendorfer Rudel eine Überraschung gewesen, sagt Ohlhoff. Das Rudel im Hohen Moor ist ebenso bestätigt wie das im Aschhorner Moor („da warten wir nur noch auf die DNA“) und zwei erwachsene Tiere in Wiegersen. Ohlhoffs Appell: „Wir brauchen verifizierte Beweise, Bilder, Fotos.“ Das bekräftigte auch die SPD-Landtagsabgeordnete Corinna Lange: „Wir kämpfen sehr dafür, dass andere begreifen, wie die Situation hier vor Ort ist.“ Dafür brauche es die entsprechende Dokumentation.

Pferdezüchter, Landwirte und besorgte Kranenburger kamen zum Infoabend in das Kranenburger Brinkhuus. Wolfsberater Michael Ohlhoff schilderte die aktuelle Situation. Foto: Klempow
Schutz vor dem Wolf: Die Ausbreitung der Wölfe über ganz Niedersachsen ist dokumentiert. Elke Steinbach ist Koordinatorin Herdenschutz bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Sie weiß, die Ausbruchssicherheit und die Wolfsabwehr gleichzeitig durch Zäune zu gewährleisten „ist eine Herausforderung“. Die Skepsis der Tierhalter ist groß. Wer einen Antrag auf Förderung stellt, wartet Monate. Der Fördertopf des Landes ist wieder leer. Der Aufwand, die Stromzäune von Bewuchs freizuhalten ist außerdem für Tierhalter oft weder mach- noch bezahlbar. „Die Präventionsmaßnahmen werden massiv zurückgefahren“, prognostizierte Helmut Habermann vom Fachbeirat Wolf und riet, umgehend Anträge zu stellen. „Was soll der ganze Spaß aus Steuermitteln finanziert noch kosten?“, kritisierte Christian Plate aus den Reihen der Besucher. Heinrich Marschewski plädierte dafür, ganz auf teure Zäune zu verzichten und Tierhalter für ihre Verluste zu entschädigen.
Forderung nach Gesetzesänderung
Deichschutz: Der Deichverband Kehdingen-Oste hat schon Kündigungen von Schäfern erhalten, für die die Situation nicht mehr auszuhalten ist. Ein wolfssicherer Zaun am Deich sei irreal, sagt Oberdeichgraf Dr. Albert Boehlke, und Entschädigungen nicht wesentlich. Wenn ein Tierhalter morgens zur Weide komme und ein Schlachtfeld vorfinde, könne das nicht mit Geld aufgewogen werden. Dennoch: „Wir werden Deichbeiträge erhöhen müssen, weil wir den Schäfern mehr Geld bezahlen müssen“, so Boehlke. Noch teurer werde ein alternativer Einsatz von Maschinen. Sein Fazit: „Wir brauchen eine wolfsfreie Zone am Deich.“
Eine Forderung, die Dr. Uwe Andreas, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde beim Landkreis Stade, nachvollziehen kann. Aber: „Ich denke, wir sind schon fast zu spät.“ Dafür sei die Wolfspopulation zu stark geworden. „Wenn die Rechtlage es zulässt, sind wir sofort bereit, eine Abschussgenehmigung zu unterschreiben.“
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Die Gesetzeslage: Wenn eine wolfsfreie Zone nicht regelkonform sei, „dann muss man die gesetzlichen Regeln eben ändern“, ergänzte Boehlke. Der Ruf nach Gesetzesänderungen und einem neu definierten Schutzstatus für den Wolf klang laut und deutlich durch den Saal. Obwohl sie ebenso für wolfsfreie Zonen am Deich und „aktives Wolfsmanagement“ sind, hatten die Abgeordneten keinen leichten Stand. „Hier hätten wir sofort parteiübergreifend eine Mehrheit aufgrund der Betroffenheit“, sagte Daniel Schneider (SPD). Bundes- und europaweit sei das aber anders, warnte er. „Es ist ein dickes Brett, das wir zu bohren haben.“ Corinna Lange (SPD) pocht auf ein „regional differenziertes Management. Wir müssen da eingreifen können, wo es ein Problem gibt.“ Selbst in Südniedersachsen fehle mitunter das Verständnis für die Situation an der Küste, so die Landtagsabgeordnete Melanie Reinecke (CDU).
Nutztierrisse
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Innerhalb von 21 Tagen soll künftig nach einem Wolfsriss im Umkreis von 1000 Metern ohne DNA-Nachweis geschossen werden dürfen - der Vorschlag der Bundesumweltministerin ist nächste Woche Thema in der Umweltministerkonferenz. Während die einen das als Schritt in die richtige Richtung werten, zweifeln andere, ob das in der Praxis gelingt. Die Politik müsse schnell handeln, so die Forderung aus Kranenburg: „Wir fühlen uns im Regen stehengelassen.“