TFeuerwehr-Desaster: „Wir kamen uns vor wie vor Gericht“

Stadtbrandmeister Christian Stahl spricht von einem Desaster für die Feuerwehr. Foto: Heilscher
Es ist ein einzigartiger Vorgang: Nach einer Ratssitzung tritt die Führungsriege der Feuerwehr Nordenham zurück, Einsatzkräfte lassen sich beurlauben. Die Wehr ist nicht mehr einsatzfähig. Der Stadtbrandmeister erklärt, wie es dazu kam.
Nordenham. Nordenhams stellvertretender Stadtbrandmeister Jan-Dirk Balz sagt, er habe sich den ganzen Tag „wie in einer Blase“ gefühlt. Vielen seiner Kameraden, die sich am Donnerstagnachmittag in der Feuerwache an der Strehlener Straße eingefunden haben, geht es genauso. Es herrscht eine Stimmung wie auf einer Beerdigung.
Und ein bisschen ist es das auch. Der überwiegende Teil des Stadtkommandos der Nordenhamer Feuerwehr hat seinen Rücktritt erklärt. Die Kameraden solidarisieren sich und haben sich von ihren jeweiligen Ortsbrandmeistern beurlauben lassen. Sechs von sieben Nordenhamer Ortswehren - nur Abbehausen bildet die Ausnahme - sind seit Donnerstag nicht mehr einsatzbereit. Die Einsatzkräfte haben ihre Funkmeldeempfänger abgegeben.
Zu dieser Situation hat eine nicht öffentliche Sitzung des Nordenhamer Stadtrats geführt. Der Rat hatte am Mittwochabend über einen Antrag zu entscheiden, den Stadtbrandmeister Christian Stahl und seine Stellvertreter Jan-Dirk Balz gestellt hatten. Sie wollten, dass ein Mitglied der Führungsriege seines Amtes enthoben und aus der Feuerwehr ausgeschlossen wird. Der Rat hat den Antragstellern nach einer sechsstündigen Sitzung die dafür notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit verwehrt.
Dem Stadtmeister angeblich Drohungen unterstellt
Die Führungskraft, deren Ausschluss der Stadtbrandmeister und sein Stellvertreter beantragt haben, soll sich nach Darstellung von Christian Stahl mehrere Verfehlungen im Dienst geleistet haben. Schlimmer noch wiegt für Christian Stahl, dass der Mann ihm unterstellt habe, dass er den Ortsbrandmeistern mit Rausschmiss gedroht habe, sollten diese den Feuerwehrbedarfsplan nicht mittragen. Die Ortsbrandmeister sagen bei einem Pressegespräch am späten Donnerstagnachmittag, dass das nicht stimme, solche Äußerungen von Christian Stahl nie gefallen seien.
Der Stadtbrandmeister betont, dass alle Führungskräfte hinter dem Antrag auf Ausschluss stünden. Sie seien sich einig, dass mit dem Mann eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich sein. Eine klare Sache für den Stadtrat, sollte man meinen. Doch es kam völlig anders.
Ratsfrau Annegret Conrady: Habe mich fremdgeschämt
Die sechsstündige Sitzung am Mittwochabend fand hinter verschlossenen Türen statt. Doch was die Feuerwehrchefs daraus berichten, klingt haarsträubend. „Man kam sich vor wie vor Gericht“, sagt André Schöne, stellvertretender Ortsbrandmeister der Nordenhamer Wehr. Das sei keine Anhörung, sondern eher eine Vernehmung gewesen. Diesen Eindruck bestätigt Annegret Conrady, die Vorsitzende des Feuerwehrausschusses des Stadtrats. „Was die Ortsbrandmeister erzählen, spiegelt die Situation im Rat wider. Ich habe mich fremdgeschämt“, sagt sie.
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Andreas Peter, Ortsbrandmeister der Einswarder Wehr, sagt: „Der Rat wollte unsere Statements gar nicht hören.“ Einzelne Ratsmitglieder hätten ein und dieselbe Frage immer wieder neu formuliert - wohl in der Hoffnung, irgendwann die Antwort zu bekommen, die sie bekommen wollten. „Die wollten nicht verstehen, was wir sagen. Zum Beispiel dazu, was in der Feuerwehr Vertrauen bedeutet“, ergänzt der Schweewarder Ortsbrandmeister Frederik Kaiser.
Die Mitglieder des Stadtkommandos mussten für ihre Aussagen einzeln vor den Rat treten, die anderen währenddessen den Ratssaal verlassen müssen. Der Ratsvorsitzende Dr. Tilman Kaethner habe die Sitzung schließlich einfach beenden wollen, berichtet Christian Stahl. „Wir haben uns lautstark zu Wort gemeldet.“ Daraufhin seien dann weitere Wortbeiträge „geduldet“ worden.
Christian Stahl: Rat kannte die Konsequenzen
Das Ende einer denkwürdigen Sitzung, bei der die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für den Ausschluss nicht zustande kam: Christian Stahl trat vors Mikro und erklärte seinen Rücktritt. Die anderen Mitglieder folgten der Reihe nach seinem Beispiel.
Der Stadtbrandmeister versichert, dass der Rat gewusst habe, welche Konsequenzen drohen, wenn er bei dem Ausschlussverfahren nicht mitzieht. Er und sein Stellvertreter hätten das im Vorfeld gesagt, die anderen Mitglieder des Stadtkommandos es während ihrer Anhörung zumindest angedeutet. „Das machen die sowieso nicht“, habe es während der Sitzung Zwischenrufe von Ratsmitgliedern gegeben. Doch sie haben es gemacht. Nun steht Nordenham mit seinen Feuerwehren vor einem Scherbenhaufen.