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Flugtag

TMit 14 schon Segelflieger: Auf den Spuren von Günther Groenhoff

Der 14-jährige Julian Bagelt ist einer der jüngsten Flugschüler im Verein.

Der 14-jährige Julian Bagelt ist einer der jüngsten Flugschüler im Verein. Foto: Richter

Der Luftsportverein Günther Groenhoff in Stade macht den Traum vom Fliegen seit 75 Jahren möglich - mit oder ohne Motor. Am Sonntag lockt er mit Abenteuern am Himmel für alle.

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Von Anping Richter
Mittwoch, 10.09.2025, 19:15 Uhr

Stade. Autofahren darf er noch lange nicht, Segelfliegen schon. Zum Unterricht fährt der 14-jährige Julian Bagelt von Bliedersdorf aus mit dem Fahrrad zum Stader Flugplatz nahe dem Airbus-Gelände.

Dort schnallt er sich den Fallschirm um und springt ins Cockpit des ASK 21. Er sitzt am Steuer des Doppelsitzers, sein Fluglehrer Stephan Thöne hinter ihm.

Ohne Motor hoch oben in der Luft schweben

Blauer Himmel, große Cumulus-Wolken: Es ist ein Bilderbuchtag zum Segelfliegen und der Flugplatz voller hoffnungsvoller Mitglieder. Zwei von ihnen schieben an, laufen ein paar Meter mit. Schon hebt das Segelflugzeug, das mit einem Seil von einem Motorflugzeug geschleppt wird, ab.

In drei Sekunden von Null auf Hundert werden die beiden Flugzeuge schnell kleiner. Eine Weile fliegen sie wie zwei Vögel am Himmel hintereinander. Als die nötige Höhe erreicht ist, klinkt Julian Bagelt das Schleppseil aus. Jetzt hört er nur noch den Wind, der am Flugzeug entlangsaust - und die Anleitungen seines Lehrers.

Mit Segelflieger Christian Ückert über Stade.

Mit Segelflieger Christian Ückert über Stade. Foto: Richter

Wie alle Fluglehrer beim Stader Luftsportverein arbeitet auch Stephan Thöne ehrenamtlich. Das macht die Sache bezahlbarer: Jugendliche wie Julian Bagelt zahlen nur 49 Euro im Monat. Neben dem Schulungs-Doppelsitzer können die Mitglieder auch mehrere andere Segel- oder Motorflugzeuge nutzen, die dem Verein gehören.

Der Luftsport ist eine soziale Angelegenheit: Wer fliegt, braucht Helfer, die Anschub geben, schleppen, Funkkontakt halten und das Flugfeld im Auge behalten - vom sogenannten Tower aus, einem gelb-schwarz gekästelten uralten VW-Bulli, auf dem eine Plexiglas-Kabine befestigt ist. Auch Dienst an der Winde gehört zu den Pflichten der Mitglieder.

Segelflugzeuge können auch starten wie Flugdrachen: Am Flugzeug wird ein Seil befestigt, das von der mehr als einen Kilometer entfernten Winde abgerollt wird. Beim Abheben holt die Person an der Winde das Seil ein, so dass der Segelflieger aufsteigt. Über der Winde klinkt er sich aus und ist frei zum Weiterflug.

Die Unwägbarkeiten der Thermik

Es kann sein, dass ein Segelflug kürzer dauert als erwartet, erklärt Segelfluglehrer Christian Ückert. Denn die Thermik muss stimmen, damit sich der Segelflieger von warmer Luft getragen in die Höhe schrauben kann.

Flugtag auf dem Stader Flugplatz in den 70er Jahren.

Flugtag auf dem Stader Flugplatz in den 70er Jahren. Foto: LSV Günther Groenhoff

Von dort oben ist der Ausblick atemberaubend: die Stader Altstadt, die Elbe, auf der ein Evergreen-Containerriese wie ein grünes Spielzeugboot schwimmt, und in der Ferne die Nordsee. Ohne Motor in dieser Höhe zu schweben, kann sich für Anfänger merkwürdig anfühlen. „Motoren können ausfallen. Das kann uns nicht passieren“, beruhigt Christian Ückert.

Das Wunder der Thermik ermöglicht das Segelfliegen auch auf dem platten Land. In den Anfängen der Luftfahrt war das anders: Otto Lilienthal und die Gebrüder Wright brauchten Hänge, um in die Luft zu kommen - anfangs waren 30 Sekunden schon ein Erfolg.

Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte das motorlose Fliegen eine erste Blütezeit: In Deutschland wurde es verboten, mit Motoren zu fliegen. Flugbegeisterte legten ihr ganzes Können in die Weiterentwicklung des Segelflugs. Einer von ihnen war Günther Groenhoff, nach dem der Stader Luftsportverein benannt ist.

Luftfahrt-Pionier Groenhoff war gebürtiger Stader

Groenhoff wurde 1908 in Stade geboren, wo sein Vater bis 1912 Pastor an St. Cosmae war. Dann zog die Familie nach Frankfurt, von wo aus Groenhoff als 15-Jähriger die Wasserkuppe - höchster Berg der Rhön und Mekka der Segelflieger - besuchte.

Es gelang ihm, seine Eltern zu überzeugen, ihn in Rossitten im damaligen Ostpreußen die einzige deutsche Flugschule für Anfänger besuchen zu lassen. Als 21-Jähriger kehrte Günther Groenhoff als Fluglehrer und Versuchspilot zurück auf die Wasserkuppe.

Günther Groenhoff 1929 in einem schwanzlosen Flugzeug, links daneben der Flugzeugkonstrukteur Alexander Lippisch.

Günther Groenhoff 1929 in einem schwanzlosen Flugzeug, links daneben der Flugzeugkonstrukteur Alexander Lippisch. Foto: Bundesarchiv

Er entwickelte das Prinzip des thermischen Flugs weiter und entdeckte im August 1930 die Möglichkeit zum steilen Kreisen in einem Thermikschlauch. 1931 gelang ihm mit einem Segelflug von 272 Kilometern ein Weltrekord.

Mit nur 24 Jahren war er ein deutschlandweit bekannter Held der Luftfahrt, als er mit seinem berühmten Segelflugzeug Fafnir während des 13. Rhönwettbewerbs am 23. Juli 1932 abstürzte. Im Deutschen Segelflugmuseum auf der Wasserkuppe wird bis heute an ihn erinnert.

Seine Flugkarriere begann schon mit 15: Günther Groenhoff guckt aus seinem Wunderflieger "Fafnir".

Seine Flugkarriere begann schon mit 15: Günther Groenhoff guckt aus seinem Wunderflieger "Fafnir". Foto: Luftsportverein

Als sich der Stader Luftsportverein vor 75 Jahren gründete, hatte Deutschland zuvor einen Krieg begonnen und verloren. Stade hatte einen nicht unwichtigen Militärflugplatz gehabt, die britische Militärregierung verbot das Fliegen.

Doch als das Segelfliegen 1950 wieder erlaubt wurde, hatten sich Stader Luftsportler still und heimlich vorbereitet: Ein Segelflieger stand parat.

Aus einem Rest des Rollfelds des einstigen, in großen Teilen zerstörten Flughafens wurde die Landebahn. Später kamen Motorfliegen und Modellfliegen dazu. Heute hat der Luftsportverein Günther Groenhoff etwa 300 Mitglieder und eine aktive Segelfluggruppe, die in der Bundesliga fliegt.

Tandem-Sprung und Rundflüge: Das Programm am Flugtag

Zum Flugtag am Sonntag, 14. September, ab 10 Uhr, bittet der Verein zu Rundflügen über die Region im Segelflugzeug (Kosten: 80 Euro) oder im Motorflugzeug (Erwachsene 85 Euro, Kinder unter 12 Jahren 75 Euro) sowie zu Flug- und Modellflug-Vorführungen, bei denen auch Oldtimer zu bewundern sind.

Auch Tandem-Fallschirmsprünge sind möglich. Vom S-Bahnhof Agathenburg aus fährt ein Shuttle kostenlos zum Flugplatzgelände.

Bei Anreise mit dem Auto sollten die ausgeschilderten Parkplätze bei Airbus und am CFK-Nord genutzt werden. Für ältere und beeinträchtigte Personen steht ein Bus-Shuttle vom Parkplatz bis auf das Gelände zur Verfügung.

Es kann losgehen.

Es kann losgehen. Foto: Richter

Auf dem Stader Flugplatz in den 70er Jahren.

Auf dem Stader Flugplatz in den 70er Jahren. Foto: LSV Günther Groenhoff

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