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Fachkräftemangel

TFricke lockt Mitarbeiter mit Anwerbe-Prämie

Hans-Peter Fricke, Geschäftsführer und Inhaber der Fricke-Gruppe in Heeslingen.

Hans-Peter Fricke, Geschäftsführer und Inhaber der Fricke-Gruppe in Heeslingen. Foto: Mike Auerbach

Es wird viel geredet über den Fachkräftemangel. Der Landmaschinenriese Fricke in Heeslingen setzt auf neue Ideen - und 1000 Euro extra.

Von Sabine Hennings Donnerstag, 14.03.2024, 10:45 Uhr

Heeslingen. Ein Baustein, mit dem die Fricke Gruppe dem Fachkräftemangel entgegenwirkt, ist die Förderung eigener Mitarbeiter. Seit 2018 können motivierte Angestellte aus dem Bereich Logistik, die keine Ausbildung haben, diese als Fricke-Stipendiaten nachholen.

Tatjana Zhuravlev aus Zeven und Sonja Dreyer aus Rotenburg haben diese Fortbildung gemacht und sind nach dem Abschluss jetzt geprüfte Fachlageristinnen. „Ich finde es so schön, dass Fricke uns so eine Chance gibt“, freut sich Tatjana Zhuravlev. Sie kommt aus Kasachstan und ist vor 20 Jahren als Spätaussiedlerin mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen. „Um meinen Uni-Abschluss als Bauingenieurin anerkennen zu lassen, hätte ich damals eine Umschulung machen müssen“, erzählt die 47-Jährige. Aber da kam dann das Leben dazwischen.

Tatjana Zhuravlevs Mann erkrankte an Krebs und sie musste alleine für die beiden kleinen Kinder sorgen. Eine Umschulung war daher keine Option mehr. Und so fing sie vor zehn Jahren als Teilzeitkraft in der Heeslinger Logistik an. Später wurde aus der halben Stelle ein Vollzeitjob, aber das Bedauern darüber, keine anerkannte Ausbildung zu haben, blieb.

Mit diesen Ideen will die Fricke-Gruppe dem Fachkräftemangel entgegenwirken

Als die Fricke Gruppe mit ihrem Weiterbildungsprogramm 2018 startete, wollte Tatjana Zhuravlevs von der Ausbildung zur Fachlageristin erst einmal nichts wissen. „Ich habe das lange überlegt.“ Heute ist sie froh, dass sie es gemacht hat. „Es waren schöne drei Monate. Ich musste viel lernen, aber ich mag das.“ Sie ist sehr dankbar, dass ihr Arbeitgeber ihr diese Chance gegeben hat und will jetzt auch den nächsten Schritt gehen: die Weiterbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik, ebenfalls als Stipendiatin.

Mit dabei ist Kollegin Sonja Dreyer aus Rotenburg. Auch sie hat die Ausbildung zur Fachlageristin absolviert und zusammen mit Tatjana Zhuravlevs schon während der Weiterbildung einen Businessplan für den nächsten Schritt erarbeitet.

Sonja Dreyer (links) und Tatjana Zhuravlev sind zwei der insgesamt 19 frisch gebackenen Fachlageristen der Fricke Gruppe.

Sonja Dreyer (links) und Tatjana Zhuravlev sind zwei der insgesamt 19 frisch gebackenen Fachlageristen der Fricke Gruppe. Foto: Sabine Hennings

Eine Herausforderung und Anerkennung zugleich

Sonja Dreyer aus Rotenburg hat vor einigen Jahren eine Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin begonnen, aber schnell gemerkt, dass das nicht ihr Ding war. In den Jahren danach hat sie dann gejobbt und sich in Vereinen engagiert. Über eine Zeitarbeitsfirma kam sie vor sechs Jahren als Verpackerin und Kommissioniererin zu Fricke. Inzwischen ist die 34-Jährige Teamcoach in der Verpackung. Für sie ist die Möglichkeit, mit einem Stipendium eine Ausbildung zu absolvieren, Herausforderung und Anerkennung zugleich. Und sie hofft, dass sie bald auch die Fortsetzung zur Fachkraft für Lagerlogistik machen kann.

Fricke-Personalleiter Carsten Deter sieht gute Möglichkeiten, diese Erweiterung alle zwei bis drei Jahre anzubieten. „Aus den Vorjahren haben sich schon einige gemeldet.“

Lernen im dreimonatigen Intensivkurs

Die Fricke Gruppe ist ein Unternehmen, das kontinuierlich wächst und einen hohen Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern hat. „Mit dem Intensivkurs Fachlagerist wollen wir den Mitarbeitern im Bereich Logistik, in dem es viele Anlerntätigkeiten gibt, die Möglichkeit geben, sich zu qualifizieren“, erklärt Holger Wachholtz, Geschäftsführer der Fricke Holding GmbH. Er hat in Gesprächen festgestellt, dass es Mitarbeiter gibt, die es bereuen, sich in jungen Jahren nicht um eine fundierte Ausbildung gekümmert zu haben. Sie sind es, die diese Möglichkeit wahrnehmen.

„Seit 2018 haben 85 Mitarbeiter daran teilgenommen und 84 die Prüfung geschafft“, ergänzt Carsten Deter. Eine Ausbildung zum Fachlageristen dauert normalerweise zwei Jahre und schließt mit einer Prüfung durch die IHK ab. Die Stipendiaten der Fricke Gruppe lernen im dreimonatigen Intensivkurs, bevor sie die Prüfung der IHK ablegen.

Die Voraussetzung zur Anmeldung für diese Weiterbildung ist der Nachweis, dass der Teilnehmer die 1,5-fache Dauer der normalen Lehrzeit an Berufserfahrung vorweisen kann.

„Bei uns in der Logistik arbeiten viele Menschen mit Migrationshintergrund, die 2015 bei uns angefangen haben. Sie sitzen heute in den Weiterbildungskursen“, weiß der Personalleiter.

Die Ausbildung ist ein wichtiger Baustein

Die Weiterbildung der Mitarbeiter ist aber nur ein Baustein im firmeneigenen Konzept „Fachkräftegewinnung“. Einen großen Raum nimmt die Ausbildung ein. Insgesamt 277 zukünftige Spezialisten werden als Fachkraft für Lagerlogistik/Fachlagerist,

Kaufmann im E-Commerce, im Groß- und Außenhandelsmanagement und für IT-System-Management, Industriekaufleute, Fachinformatiker, Anwendungsentwicklung/Systemintegration, Kfz-Mechatroniker Nutzfahrzeugtechnik, Land- und Baumaschinenmechatroniker und Metallbauer an allen deutschen Standorten ausgebildet. Dazu kommen die dualen Studiengänge im Bereich Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsingenieurwesen, Wirtschaftsinformatik oder Agrarmanagement,

Um alle Ausbildungsstellen besetzen zu können, sind die Verantwortlichen sehr aktiv, denn ausreichend Bewerber zu finden, ist kein Selbstgänger mehr, macht Holger Wachholtz klar.

Auch die veränderte Herangehensweise der zukünftigen Auszubildenden ist eine Herausforderung für das Unternehmen. „Die Bewerber entscheiden sich heute sehr viel später, wo sie eine Ausbildung machen wollen“, meint Carsten Deter.

Unterwegs, um für das Unternehmen zu werben

Ein Problem ist nach Ansicht des Personalleiters, dass viele Schulabgänger nicht wissen, was sie machen wollen. „Sie haben durch Corona kaum Praktika gemacht und wissen jetzt nicht, wo die Reise für sie hingehen soll.“ Also muss man umtriebig sein, an vielen Stellen präsent und darauf setzen, dass es sich herumspricht, dass die Fricke-Gruppe ein attraktiver Arbeitgeber ist.

„Wir sind an Schulen, halten Vorträge, sind auf Ausbildungsmessen, werben in Print und online. So kommen über 100 Veranstaltungen im Jahr zusammen, auf denen wir für eine Ausbildung bei Fricke werben“, meint Carsten Deter.

Neben einem Blick hinter die Kulissen, zum Beispiel bei Claas in Deutschland und Frankreich, bietet Fricke als europäisches Unternehmen, seinen Auszubildenden beste Möglichkeiten, praktische Erfahrungen im Ausland zu sammeln, betont Holger Wachholtz.

Wer junge Leute für sich gewinnen will, der muss wissen, was sie interessiert. Und das ist im Landkreis Rotenburg zum Beispiel das Ferdinands Feld Festival in Rotenburg. „Wir waren im letzten Jahr mit unseren Azubis dort und sind in diesem Jahr Partner mit einer eigenen Stage“, berichtet die stellvertretende Personalleiterin Janice Müller. „Das ist nicht nur eine coole Azubiaktion, sondern hat auch eine gute Außenwirkung.“

Erfolgreich mit „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“

Fachkräfte selbst auszubilden, ist die eine Sache, aber das Unternehmen mit derzeit 3471 Mitarbeitern wächst auch kontinuierlich. Da braucht es zusätzliche Kräfte, aber es müssen auch Kollegen, die in den Ruhestand gehen, ersetzt werden. In diesem Fall setzt die Personalabteilung auf „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“, so Carsten Deter. Hat ein Mitarbeiter einen Kollegen erfolgreich angeworben, bekommt er nach drei Monaten1000 Euro Prämie. Alleine im Jahr 2022 wurden so 84.000 Euro an Mitarbeiter ausgezahlt. Das sind rund 25 Prozent der Neueinstellungen in dem Jahr.

Ansonsten setzt die Fricke Gruppe auf das Portal Stepstone, klassische Stellenanzeigen, One-Klick-Bewerbungen oder sogar auf Ebay-Kleinanzeigen, informiert der Personalleiter.

Dazu kommen Initiativbewerbungen und Karrieremessen für Fachkräfte und Hochschulabsolventen. Man muss eben aktiv sein und immer neue Wege suchen, um Fachkräfte zu finden.

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