TFünf Tage ohne Heizung: Anwohner im Altländer Viertel müssen frieren
Draußen ist es auch nicht kälter als drinnen, sagen diese Anwohner vor dem Gebäude in der Jorker Straße. Foto: Richter
Mehr als 100 Anwohner im Altländer Viertel waren seit Freitag ohne Heizung und Warmwasser. Bei Minusgraden kaum zu ertragen - doch die Reparatur ließ auf sich warten.
Stade. „Seit Freitag haben wir weder Heizung noch Warmwasser. Bitte helfen Sie. Es sind 10 Grad zu Hause.“ Diese Mail einer Anwohnerin aus dem Altländer Viertel in Stade hat das TAGEBLATT am Dienstagmorgen erreicht.
Kleine Kinder sind erkrankt
Andere Bewohner des gleichen Wohnblocks in der Jorker Straße 1 bis 25 meldeten sich telefonisch in der Redaktion: „Meine Kinder sind schon krank“, berichtete ein Familienvater, der mit Frau und drei Kindern dort lebt - das jüngste ist erst drei Monate alt. Seit Tagen warten sie darauf, dass ihre Heizungsanlage repariert wird - vergeblich.
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Am Dienstagvormittag haben sich mehrere Anwohner vor dem Haus versammelt. „Drinnen ist es ja nicht auszuhalten“, sagt André Lichtenstein. Er hatte sich schon am Freitag an die Stadt Stade um Hilfe gewandt. Schließlich waren über Tage Minusgrade vorausgesagt. „Die Heizung war schon in der Nacht zum Freitag ausgefallen“, berichtet Anis Ayari, der ebenfalls mit seiner Familie in dem Gebäude wohnt.
Stadt überlegt, Heizkeller aufbrechen zu lassen
„Wir haben am Freitag sogar überlegt, den Heizkeller aufbrechen zu lassen, um die Anlage reparieren zu lassen “, sagt Stephan Voigt, Pressesprecher der Hansestadt Stade. Doch das hätte keinen Zweck gehabt. Die Situation ist nämlich vertrackt.
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Die Wohnanlage mit 130 Wohnungen, von denen zurzeit 40 leerstehen, gehört der D.I.I. (Deutsche Invest Immobilien), die 2024 insolvent ging. Nun ist eine Insolvenzverwalterin zuständig. Eine Hausverwaltung kümmert sich um das Objekt, die Firma Sanft Facility um den Hausmeisterservice vor Ort. Die Heizanlage wiederum ist geleast, und zwar von einer Firma, die wiederum eine Heizungsfirma in Neumünster mit der Wartung beauftragt hat.
Wartungsfirma tagelang nicht erreichbar
Weder der Hausverwaltung noch dem Hausmeisterservice sei es gelungen, die zuständige Wartungsfirma zu erreichen. „Wir haben dann einfach die Stader Firma Beinl beauftragt“, sagt Peter Sanft, der Geschäftsführer des Hausmeisterservices. Die bekam aber keinen Zugang zur Heizung, weil für den Zugang zum Menü ein Code nötig gewesen wäre, den nur die Firma in Neumünster kennt.
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Trotzdem blieb die Stader Heizungsfirma nicht untätig: Sie hat inzwischen zwei Warmwasserrohre repariert, die geplatzt waren - offenbar, weil sie einfroren. „Wir haben dann am Wochenende schnell auf eigene Kosten einige Heizstrahler besorgt und an diejenigen verteilt, die am schlimmsten betroffen waren, vor allem Familien mit kleinen Kindern und alte Leute“, sagt Peter Sanft. Alle 90 Haushalte zu versorgen, sei aber unmöglich gewesen.
Anwohner: Heizung fällt öfter aus
Viele Anwohner haben sich selbst Heizstrahler besorgt. „Das braucht aber viel Strom und ist sehr teuer“, sagt Anis Ayari. Es sei nicht das erste Mal, dass die Heizung ausfällt, berichtet eine andere Nachbarin, die ihren Namen nicht nennen möchte. Sie habe außerdem extreme Schimmelprobleme und sich inzwischen einen Anwalt genommen.
Die Frau berichtet, dass sie für 66 Quadratmeter 860 Euro Warmmiete zahlt - die schon zum Dezember übrigens auf 905 Euro steigen soll. Die Mietzahlung habe sie auf Anraten ihres Anwalts inzwischen um 25 Prozent gekürzt. Andere Anwohner berichten von Nebenkosten-Nachforderungen in Höhe von 6000 Euro und mehr.
Plötzlich geht es: In fünf Minuten repariert
Die Firmen zu erreichen, die für die Misere tatsächlich zuständig waren, war bis Redaktionsschluss nicht möglich. Kurz vorher erreichte das TAGEBLATT aber eine Nachricht, die für die Anwohner gut ist, nach all dem, was sie erlebt haben, aber auch bitter: Die Firma aus Neumünster ist am späten Dienstagnachmittag angerückt und hat den Schaden ganz schnell behoben.
„Das hat keine fünf Minuten gedauert“, berichtet Hausmeister Christian Buck und lacht kurz ungläubig auf. Es sei nur Kondenswasser gewesen, das kurz abgelassen werden musste, um einen Abgasfilter wieder freizulegen.
Mehr als 100 Hausbewohner mussten dafür fünf Tage frieren. Es bleibt zu hoffen, dass der Code für die Heizung hinterlassen wurde. Schließlich hat der Winter gerade erst begonnen.
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