TMordfall Ekaterina: Ex-Mann gesteht am Telefon
Der Ehemann von Ekaterina B. verbüßt eine lebenslange Haftstrafe - und setzt nun alles daran, dass das Verfahren gegen ihn neu aufgerollt wird. Foto: NZ
Der Mordprozess um den Tod von Ekaterina B. hat ein Ende. Das Urteil: lebenslange Haft für ihren Ehemann. Vor Gericht hat er stets seine Unschuld beteuert. Nun legt er ein Geständnis ab. Am Telefon.
Bremerhaven. Beim Anruf zeigt das Telefon eine Hamburger Nummer an. Wer sie zurückrufen will, der scheitert. Nur eine freundliche Stimme ist zu hören: „Sie sind aus einer öffentlichen Einrichtung angerufen worden und können daher diese Nummer nicht zurückrufen.“ Sie gehört zu einer Telefonzelle in der Justizvollzugsanstalt Bremen-Oslebshausen. Walter B. ruft aus ihr an.
Nach einem Indizienprozess fällte im Mai 2023 das Schwurgericht des Bremer Landgerichts sein Urteil über ihn: Lebenslang für Ekaterinas Mann – für den Mord an seiner Frau, die er zu sehr geliebt hat. Ein Drama.
Walter B. hat bis zum letzten Verhandlungstag seine Unschuld beteuert, nach dem Urteil wie der Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof die Revision beantragt. Dem einen erschien die Strafe zu gering, dem anderen aus Mangel an Beweisen zu hoch. Aber Deutschlands oberstes Gericht lehnte beide Anträge ab. Damit ist das Urteil seit März 2024 rechtskräftig. Der Mörder von Ekaterina B. kann frühestens nach 15 Jahren auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen werden. Zweieinhalb davon sind vergangen.
Arbeit in der Gefängnisküche
Walter B. arbeitet in der Gefängnisküche, nur seine Mutter besucht ihn zweimal im Monat für eine Stunde, „mein bester Freund“, sagt er, „ist inzwischen der Fernseher.“ Walter B. sagt schnell, warum er sich nach seinem abgelehnten Revisionsantrag meldet. Erst schrieb er einen Brief, nun ruft er an: Er bittet um einen Besuch des Reporters, der beinahe alle 44 Verhandlungstage mit ihm im Landgericht verbracht hat. Für ein Gespräch. Ein Interview. Er wolle sagen, was tatsächlich passiert ist an jenem Abend.
Antrag für einen Besuch im Knast
Wer einen Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt besuchen möchte, muss einen Antrag stellen, in dessen Besucherkartei eingetragen zu werden. Erst dann kann der Häftling eine Einladung aussprechen. Aber genehmigt ist das Treffen damit noch nicht. Besucher, die einen schädlichen Einfluss auf den Inhaftierten haben oder dessen Eingliederung gefährden könnten, werden nicht vorgelassen.
Das Treffen kommt nicht zustande, weil es zulasten der regulären Besuchszeit des Gefangenen ginge. Das wollte Walter B. nicht. Und die Justizvollzugsanstalt hat zudem Bedenken: Der Häftling finde keinen Abschluss mit der Tat, wenn er erneut darüber ins Gespräch komme, seine Sicht der Dinge schildere und sich nicht mit dem Geschehenen auseinandersetze.
Norddeutschland
T Ekaterina B.: Ihr Mörder ist noch immer nicht rechtskräftig verurteilt
Herr B., teilt die Sprecherin der Justizsenatorin mit, sei hoch narzisstisch. Zum selben Schluss kam auch ein Psychiater während des Gerichtsverfahrens: Ekaterinas Ehemann habe eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Er könne kaum die Gefühle anderer lesen – und denke, dass er überlegen und besonders sei.
„Einschluss“ - zurück in die Zelle
Die Hamburger Nummer erscheint nun häufiger auf der Anzeige des Telefons. Mal dauern die Gespräche mit Walter B. eine halbe Stunde, mal auch nur wenige Minuten. Hin und wieder hämmert jemand an die Tür der Telefonzelle, weil auch er mal telefonieren möchte. Mal ertönt im Hintergrund eine Art Signal - „Einschluss“. Alle Häftlinge müssen zurück in ihre Zellen. „Es ist ein Tragödie hier...“, endet eines dieser Gespräche.
Der klare Beweis für die Tat fehlt
Für die Schuld von Ekaterinas Ehemann gab es viele Indizien, aber keinen klaren Beweis. Die Arbeit der Kriminalpolizei füllt 93 Aktenordner. Die anschließende Aufarbeitung der Tat vor Gericht gestaltete sich zu einem juristischen „Puzzle“, das es so wohl bisher kein zweites Mal gegeben hat.
Das Verfahren beginnt mit einer verschwundenen Frau, nach der die halbe Stadt sucht, bis ihre zerstückelte Leiche in einem Koffer ans Weserufer gespült wird. Es gipfelt mit dem falschen Geständnis der Mutter des Beschuldigten, nicht ihr Sohn, sondern sie habe Ekaterina getötet. Und es endet mit einem tagelang redenden Angeklagten, der selbst noch einmal mehr als 100 Anträge stellt, um seine Unschuld zu beweisen. Die drei Berufs- und zwei Laienrichter des Schwurgerichts glauben ihm nicht.
Er folgt dem Rat der Anwälte nicht
Walter B. war von seinen Anwälten geraten worden, besser gar nichts zu sagen. Aber das hielt er nicht durch. Nach sechs Monaten vor dem Schwurgericht nimmt er seine Verteidigung in die eigene Hand, so scheint es.
Tag um Tag schilderte er seine Sicht der Dinge, verfasste auf hunderten von Seiten handgeschriebene Notizen, trug sie vor. Am Dienstag, 23. Mai 2023, um 9.16 Uhr aber erging nach neun Monaten und 44 Sitzungstagen „im Namen des Volkes“ das Urteil: Es war Mord, heimtückisch geplant und geschickt vorbereitet, meinte der Vorsitzende Richter. Ekaterina B. wurde betäubt und dann erwürgt. Von ihrem Ehemann.
„Ich bin schuld am Tod meiner Frau“
„Ich bin kein Mörder“, sagt jetzt der Verurteilte am Telefon. Aber er sagt das erste Mal seit der Tat vor zweieinhalb Jahren auch: „Ich bin schuld am Tod meiner Frau.“ Der letzte Tag im Leben der Ekaterina B. am 4. Februar 2022 soll ein guter gewesen sein.
Sie hätten miteinander gescherzt. Trennung oder gar Scheidung sei nach dem ewigen Hin und Her über Monate endlich kein Thema mehr gewesen. Sie hätten gemeinsam zu Abend gegessen. „Ich bin ein Familienmensch“, sagt Walter B. Dass Tage wie diese wieder möglich geworden seien, dafür habe er „Wochen und Monate gekämpft“. „Ich habe nie geplant, sie umzubringen.“
Ekaterina ruft niemanden mehr an
An jenem Abend habe es dann doch wieder Streit gegeben, darüber, dass die 32-Jährige immer wieder Kontakt zu ihrem Liebhaber habe in Russland. Er habe Ekaterina „ertappt“, wie sie von ihrem Computer aus ein Videotelefonat mit ihm führte. Sie schickte noch die Botschaft nach St. Petersburg, dass sie ihr Kind ins Bett bringen und anschließend wieder anrufen werde. Aber Ekaterina rief an diesem Abend nicht mehr an. Sie ruft niemanden mehr an. Sie ist tot.
Ein langes Telefongespräch
„Wir haben uns wirklich böse beschimpft“, sagt Walter B. Sie seien handgreiflich geworden, oben, im Schlafzimmer ihres gemeinsamen Zuhauses. Auf dem Bett. Sie habe ihn gekratzt, sie hätten sich geschlagen, „dann bin ich explodiert“. Zwei Stunden dauert das Gespräch aus der Gefängnis-Telefonzelle, in dem er die Tat gesteht.
Zwei Hände würgen Ekaterina zu Tode
Ekaterina wurde mit zwei Händen erwürgt. Der Täter drückte so kräftig zu, dass ihr Zungenbeinknochen brach. Ihr Todeskampf dauerte mehrere Minuten. So beschrieb es ein Rechtsmediziner während des Prozesses. Walter B. spricht jetzt von einer „Auseinandersetzung“, an deren Ende er nicht einmal bemerkt haben will, dass seine Frau tot ist.
Nach dem Streit habe er im Wohnzimmer gesessen, getrunken, geraucht, gewartet, dass Ekaterina herunterkomme. Als er das Gegenteil realisiert habe, „da war ich wie von Sinnen“.
Er bete jeden Tag in seiner Zelle, dass Ekaterina zurückkomme, sagt Walter B. Die Frau, die er aus Liebe geheiratet habe. Die Frau, die „durch meine Hand“ gestorben sei. „Eine schreckliche Tragödie.“ Es sei ein Fehler gewesen, darauf zu vertrauen, dass ihm nichts nachzuweisen sei, sagt Walter B. Ekaterina war einen Tag tot, die zerteilte Leiche in einem Koffer fortgeschafft, da habe er „eine Legende“ aufgebaut - dass seine Frau weggelaufen sei und er am besten sich gar nicht mehr äußere.
Darauf hofft Walter B.
Hat er Schuldgefühle? „Definitiv“, sagt er, „hätte ich mich doch bloß scheiden lassen.“ Warum meldet sich Walter B. plötzlich zu Wort? Weil er darauf hofft, mit seinem Geständnis eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen. Auch das gibt er zu. Das hat er inzwischen auch in einem Brief an die Staatsanwaltschaft so geschrieben.
Seinen Verteidigern hat der 48-Jährige das Mandat inzwischen entzogen. Er sucht einen neuen Anwalt, einen, der auf Wiederaufnahmeverfahren spezialisiert ist. Einen Prozess neu aufzurollen, wenn das Urteil rechtskräftig ist, dafür lässt die Strafprozessordnung nur wenige Gründe zu - einer lautet, dass neue Tatsachen oder Beweise einen Freispruch oder eine Milderung des Urteils bewirken könnten.
Darum geht es Walter B. Er möchte sich einem neuen Verfahren stellen, angeklagt wegen Totschlags. „Ich bin an ihrem Tod schuld, aber es war kein Mord.“ So denkt er sich das. Eine lebenslange Haftstrafe wäre als Höchststrafe trotzdem möglich.
Die Richter erkennen Mord-Merkmale
In ihrem Urteil erkannten die Richter deutliche Merkmale für einen Mord, Walter B. habe die Tat geplant, im Internet nach Schlafmitteln gesucht und Säure, die einen Menschen zersetzen könnte. Ekaterinas Ehemann sei eine gestörte Persönlichkeit, er habe es nicht ertragen können, nach einer Trennung die kleine Tochter an seine Frau zu verlieren. Diese Furcht bildete das Motiv für den Mord, so die Richter.
Walter B. findet keinen Anwalt. Er hat selbst an den Bundesgerichtshof geschrieben, an das Landgericht, an die Staatsanwaltschaft, das Bundesverfassungsgericht. „Ich bin konzentriert auf meine Verteidigung“, sagt er. Seinen Ehering trägt er noch immer „Für ewig, Deine Katja“ steht im Inneren graviert.