TGesundheitscampus Fredenbeck: Warum ein Arzt aus Harsefeld mitmacht

Der Allgemeinmediziner Florian Rau will sich in den Gesundheitscampus Fredenbeck einbringen - unter anderem mit einem Digitalkonzept. Foto: Bisping
Das Projekt Gesundheitscampus Fredenbeck zeigt, wie medizinische Versorgung in der Samtgemeinde aussehen könnte. Ein Arzt aus der Nachbargemeinde will sich jetzt dort engagieren.
Fredenbeck. In den kommenden Jahren geht, wie mehrfach berichtet, der Großteil der Hausärzte in der Samtgemeinde in Rente. Nachfolger scheinen bisher nicht im Gespräch zu sein. Grund genug, ein Projekt wie den Gesundheitscampus Fredenbeck ins Leben zu rufen.
Das Projekt sieht den Austausch und die Zusammenarbeit von Ärzten, Pflegeeinrichtungen und weiteren Gesundheitsdienstleistern vor, um die gesundheitliche Versorgung in der Samtgemeinde zu gewährleisten. An dem Prozess einer möglichen Umsetzung konnte die Bevölkerung seit dem Startschuss teilhaben und sich bei Veranstaltungen und Workshops einbringen.
Hausärzte sind anteilig am ältesten
Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) hat zu diesem Thema ermittelt: Das mittlere Alter aller zugelassenen und angestellten Ärzte und Psychotherapeuten in Niedersachsen beträgt derzeit 54,6 Jahre. Den höchsten Anteil der über 60-Jährigen weist der hausärztliche Versorgungsbereich mit 37,1 Prozent auf.

Telemedizin spielt für Florian Rau in der gesundheitlichen Versorgung der Zukunft eine große Rolle. Foto: Bisping
Das Konzept des Gesundheitscampus Fredenbeck hat für Aufmerksamkeit gesorgt - auch über die Samtgemeindegrenzen hinaus. „Ein einzigartiges Modell“ nennt Florian Rau das Projekt. Der Allgemeinmediziner und Viszeralchirurg (Bauchchirurg) mit Praxis in Harsefeld will sich in der Nachbargemeinde einbringen.
„Als jemand, der die Versorgungssituation in ländlichen Gebieten genau beobachtet, sehe ich den Gesundheitscampus Fredenbeck als eine wegweisende Initiative, die darauf abzielt, nachhaltige Lösungen für diese Versorgungsprobleme zu entwickeln“, teilte er in einem Motivationsschreiben mit.
Gesundheitsversorgung
T Gesundheitscampus Fredenbeck: Ideen gegen die Hausarzt-Krise
Der Gesundheitscampus könne ein Leuchtturmprojekt werden, das weit über die Region hinaus wirke und als Modell für ähnliche Initiativen in anderen ländlichen Gebieten Deutschlands diene.
Ideen für den Gesundheitscampus
Niedersachsenweit gehört Florian Rau nach eigenen Angaben zu den wenigen, die zum Physician Assistant (PA), zum Arztassistenten ausbilden. Eine Entlastung in der Praxis. „Der PA hat mehr Entscheidungsgewalt und kann Anweisungen geben, die über die Kompetenzen der Medizinischen Fachangestellten (MFA) hinausgehen“, erklärt er.
Eine seiner Ideen sei, diesen Berufszweig auch in den Gesundheitscampus zu integrieren. Ebenso die Health Nurse, die Gemeindeschwester, die als mobile Pflegekraft auf die Distanz feststellen kann, ob ein Patient überhaupt zum Arzt gehen muss. Braucht sie ärztlichen Rat, nimmt sie zu einem Mediziner Kontakt auf.
Im Austausch und der Zusammenarbeit sieht Rau eine große Chance. Seine Praxis habe einen Durchlauf von 70 bis 150 Patienten pro Tag, berichtet er in einem Gespräch mit dem TAGEBLATT. Nicht jeder komme direkt in seine Sprechstunde, denn einige seien nur zum Blutabnehmen oder Blutdruckmessen da. Gleichwohl: „Das schaffen Sie nur mit einem großen Team.“ In seiner Praxis arbeiten zehn Angestellte, davon zwei halbtags.
Zusammenarbeit und Telemedizin - eine praktikable Lösung
Die Einzelpraxis hält der Mediziner dennoch für ein Auslaufmodell: Personal sei nicht mehr zu bekommen - „der MFA-Markt ist leergefegt“, sagt er. Seine Lösung: Teampraxen mit mehreren Ärzten zu bilden sowie ein Mix aus Teilzeitkräften, Remotearbeit und Telemedizin.

Beim Hautkrebs-Screening können Hautbilder über eine Cloud digital abgeglichen werden. Foto: Bisping
Rau ist digitalaffin, arbeitet selbst schon mit entsprechenden Geräten wie einem etwa handygroßen Apparat zum Hautscreening. Die Daten werden von dem Gerät in eine Cloud geschickt, in der eine von Hautärzten entwickelte Software das Hautbild abgleicht. Mit einem Digitalisierungskonzept will sich Rau im Gesundheitscampus einbringen. Die Telemedizin ermögliche es, Lücken zu schließen, sagt er.
Gesundheitswesen
Mangel an Ärzten und Pflegekräften droht zu wachsen
Patienten auf Distanz betreuen zu können, sei besonders für ältere oder mobilitätseingeschränkte Menschen von entscheidender Bedeutung. Der Gesundheitscampus biete eine „hervorragende Gelegenheit, Telemedizin-Lösungen nicht nur theoretisch zu erörtern, sondern praktisch in die Versorgungslandschaft zu integrieren“.
Gesundheitscampus als Vorbild für andere Regionen
Das könnte, sagt Florian Rau, so ablaufen, dass ein Pflegeheim sich bei einem Arzt einwähle und mit ihm das Problem des Patienten erörtere. Pflegepersonal könne dann digital Daten wie Blutdruck, EKG, Lungenfunktion oder sogar Ultraschall senden. „Das funktioniert wie ein kleines Krankenhaus“, sagt er. Der Arzt sichte die Daten auf seinem Bildschirm in der Praxis und sage, wie es mit dem Patienten weitergehen solle.
Podiumsdiskussion
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Rau: „Der Campus könnte so ein Vorbild für andere Regionen sein, indem er zeigt, wie man mit einer Kombination aus ärztlicher Expertise, digitaler Innovation und gesellschaftlicher Teilhabe die Gesundheitsversorgung revolutionieren kann.“
Das Projekt in der Samtgemeinde Fredenbeck ist abgeschlossen - vorerst. Ob und in welchem Umfang Kommune und Land weitere Fördermittel einbringen können, bleibt abzuwarten.

Mit Flyer und Plakaten hatte die Samtgemeinde den Gesundheitscampus bekannter gemacht. Foto: Bisping