TGrundsteuer-Skandal: Bremerhavener zahlt für Schmuddelecke 1000 Prozent mehr

Dr. Wolfgang Dubiel auf dem schmalen Grundstück an der Bahnlinie, für das er jetzt deutlich mehr Grundsteuer bezahlen muss. Foto: Polgesek
Für eine Schmuddelecke soll ein Bremerhavener 1000 Prozent mehr Grundsteuer zahlen. Das zuständige Amt schweigt über die Gründe.
Bremerhaven. Der langjährige Bremerhavener Tierarzt Dr. Wolfgang Dubiel hat sich über seinen neuen Grundsteuerbescheid für 2025 sehr geärgert. Das ist seine Geschichte: Am Wulsdorfer Bahnhof besitzt der Rentner ein Haus. Das ist nah an der Bahnstrecke gelegen. Dazwischen befindet sich ein langes, schmales Grundstück: 10 Meter breit, 70 Meter lang. Es liegt direkt an der Bahnlinie. „Dort ist es so laut, dass das Grundstück niemals Bauland werden würde“, sagt Dubiel. „Es ist hierfür komplett unnutzbar. Mittendurch fließt noch ein Graben, der das Wasser der umliegenden Grundstücke mit auffängt.“
Bislang zahlte Dubiel 79 Euro Grundsteuer im Jahr, jetzt soll er etwa 800 Euro bezahlen. „Das ist eine Erhöhung um 1000 Prozent“, sagt er und ist fassungslos. Er versteht nicht, warum das Finanzamt solche Sonderlagen nicht berücksichtigt.
„Das Grundstück war verwildert, es wurde Müll abgeladen“
Es stellt sich die Frage, warum Dubiel das Grundstück im Stadtsüden direkt an der Bahn vor zehn Jahren kaufte, als der damalige Pächter verstarb. „Es war verwildert, dort wurde Müll abgeladen“, sagt er. „Ich wollte in meinem direkten Wohnumfeld ein vernünftiges Ambiente haben.“
Seitdem hält er die Fläche selbst in Ordnung. Mit der Grundsteuererhöhung stehe der finanzielle Aufwand für die Erhaltung des Grundstücks in keinem Verhältnis mehr.
Was ihn außerdem ärgert: „Für solche Fälle muss das Finanzamt doch Ausnahmeregelungen finden“, sagt er. „Zudem wird es den Grundstücksbesitzern schwer gemacht, Widerspruch einzulegen. Zunächst muss man die Vorstellung haben, dass einem ein Erlass von 40 Prozent der Steuer zusteht. Das wissen Sie aber vorher nicht. Dafür müsste man erst einmal ein Gutachten erstellen lassen. Das kostet: ein unkalkulierbares Risiko. Der Steuerbürger steht ohnmächtig davor.“
Vom Magistrat war bislang noch keine Stellungnahme zu erhalten. Rund 35.000 Grundstückseigentümer erhalten derzeit den neuen Grundsteuerbescheid. Die eine Hälfte zahlt ab 2025 mehr Grundsteuer, die andere weniger. Bei 16 Prozent in Bremerhaven und Bremen bleibt alles wie gehabt. In einem krassen Fall wurde die Steuer sogar um rund 1300 Prozent erhöht. Als er seinen Grundsteuerbescheid öffnete, traute Ulf Gersonde seinen Augen nicht. Statt bislang rund 232 Euro soll er jetzt 3079 Euro im Jahr bezahlen.
Mietern droht eine deutliche Erhöhung der Nebenkosten
Auch Bärbel Haake ist wütend. „Beim Finanzamt habe ich schon Einspruch eingelegt, allerdings keine Bestätigung über den Eingang der Mail erhalten“, sagt sie. „Leider betrifft diese Erhöhung auch mein Elternhaus in Wulsdorf: Das Haus ist an eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern vermietet. Der bisherige Jahresbeitrag lag bei 365,26 Euro, ab 2025 müssen die Mieter 963,59 Euro zahlen. Das ist fast das Dreifache, und ich erhalte keine Begründung, warum diese enorme Kostensteigerung stattgefunden hat. Ich bin ratlos und mag unseren netten Mietern diese zusätzlichen Nebenkosten gar nicht mitteilen.“
So dürfte es vielen Vermietern gehen. Kommt es für den Vermieter zu einer höheren Grundsteuer, wird er die Erhöhung an den Mieter weitergeben. Umgekehrt können auch Mieter mit Entlastungen rechnen. Es ist zu erwarten, dass für einige Mieter die böse Überraschung kommt, wenn sie die Nebenkostenabrechnung für 2025 erhalten. „Die Grundsteuer ist eine Nebenkostenposition, die der Mieter zahlen muss, wenn es so im Mietvertrag vereinbart ist“, so Sybille Kassebaum-Liermann vom Mieterverein.