TGut behütet: Jungschäfer Heiner zieht mit Herde durch die Barger Heide

Regina Aumann von der Hansestadt Stade besuchte Heiner Hehmsoth und seine Herde in der Barger Heide. Foto: Stehr
Premiere im Schutzgebiet: Erstmals grasten neben Heidschnucken auch Ziegen in der Barger Heide. Warum die für Chaos und Zerstörung stehen und wie Jungschäfer Heiner zu seinem Job kam.
Stade. Ein grauer Novembermorgen in der Barger Heide: Leichter Nebel liegt über dem größten Sandheidegebiet im Landkreis Stade, südlich der Stadt Stade. Bald beginnt der Arbeitstag für 85 Grau Gehörnte Heidschnucken und 25 Ziegen. Die Tiere warten in ihrem mit einem Elektrozaun geschützten Pferch schon sehnsüchtig auf Heiner Hehmsoth.
Der junge Schäfer aus Langwedel (Landkreis Verden) ist im Auftrag der Hansestadt Stade für drei Wochen in dem rund 40 Hektar großen Naturschutzgebiet im Einsatz - im Hütebetrieb. „Mit unserer Omagruppe“, sagt Heiner. Die Herde besteht ausschließlich aus weiblichen Tieren höheren Alters. Nur einige kastrierte Ziegenböcke sind mit dabei.

Jungschäfer Heiner Hehmsoth war drei Wochen mit seinen Heidschnucken und Ziegen sowie mit den Hütehunden Ina und Kalle in der Barger Heide. Foto: Stehr
Bei der Arbeit helfen ihm seine beiden Hunde: Ina, eine erfahrene Border-Collie-Hütehündin, und Kalle, ein Border-Collie-Schafpudel-Mischling. Er ist noch in Ausbildung. Damit es keine Missverständnisse gibt, spricht Heiner mit den Hunden Hochdeutsch. Den Heidschnucken und Ziegen gibt er Kommandos auf Plattdeutsch.
Ziegen sind für Chaos und Zerstörung verantwortlich
Sieben bis acht Stunden weiden die Tiere täglich auf unterschiedlichen Flächen. Sie fressen gerne den oberen Blattteil der Heidepflanzen und auch invasive Arten wie die Späte Traubenkirsche.

Die Heidschnucken fressen gern den oberen Blattteil der Heidepflanzen. Foto: Stehr
„Die Ziegen sind in der Hüteherde für Chaos und Zerstörung verantwortlich“, sagt Heiner. Sie verbeißen auch große Sträucher und schälen die Rinde von Bäumen, wodurch diese absterben. Damit helfen sie tatkräftig dabei, die Verbuschung der Flächen zu verhindern. Alle Tiere gemeinsam drängen zudem den Grasbewuchs zurück, tragen Nährstoffe aus der Fläche, schaffen offene Rohbodenstellen und verjüngen das Heidekraut.
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Ohne den Eingriff des Menschen und der Tiere würde sich die Heide östlich der Schwinge zwischen den Stadtteilen Thun, Barge und Riensförde wohl wieder zu einem Wald entwickeln. Entstanden ist die Kulturlandschaft vor rund 7000 Jahren, als die Menschen sesshaft wurden und Wälder für ihre Nutztiere rodeten. Auf den immer nährstoffärmeren Böden konnte sich das Heidekraut optimal ausbreiten.

Heidschnucken und Ziegen sind natürliche Landschaftspfleger. Foto: Stehr
In der Barger Heide blühen die Besenheide und die auf der Roten Liste stehenden Heidenelken. Dazu kommen seltene Ginsterarten und insgesamt 150 weitere Blütenpflanzen. Die Heide ist auch Lebensraum für viele Insekten. Im Jahr 2023 haben Mitarbeiter des Kreisnaturschutzamtes in dem Naturschutzgebiet eine seltene Schmetterlingsart entdeckt: den Wegerich-Scheckenfalter.
Vom Truppenübungsplatz zum Schutzgebiet
Unter Landschaftsschutz gestellt wurde die Barger Heide 1989, seit 2017 steht sie unter Naturschutz. Die Stadt hatte das Gebiet 1980 gekauft. Vorher - ab 1871 - war die Heide ein Truppenübungsplatz.

Die Barger Heide von oben. Sie liegt im Stader Süden. Foto: Stadt Stade
Damit sich das Areal zu einem Erholungs- und Naturschutzgebiet entwickeln konnte, wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Rodungs- und Entkusselungs-Maßnahmen durchgeführt. Beim Entkusseln werden junge Gehölze, sogenannter Kussel, von Heideflächen entfernt.

Schäfer Heiner Hehmsoth hütete täglich sieben bis acht Stunden seine Herde in der Barger Heide. Foto: Stehr
Eine Heidschnuckenherde zog zuletzt vor zwei Jahren durch die Barger Heide, Ziegen waren vorher noch nie im Einsatz, berichtet Regina Aumann aus der Abteilung Umwelt- und Freiraumplanung bei der Hansestadt Stade. Sie freut sich, dass mit der Schäferei Hehmsoth nun wieder ein Partner für die natürliche Landschaftspflege gefunden wurde.

Die Herde besteht fast ausschließlich aus älteren weiblichen Tieren. Foto: Stehr
Jungschäfer Heiner hat 2016 Abitur und 2021 seinen Bachelor-Abschluss in ökologischer Landwirtschaft gemacht. Seit 2023 führt er als Co-Betriebsleiter gemeinsam mit seinem Vater die Bioschäferei für Deich- und Landschaftspflege. Insgesamt hat die Familie knapp 2000 Heidschnucken, Schafe, Ziegen und Rinder sowie sechs Hunde. Angefangen hat alles mit fünf Heidschnucken, die Heiners Vater Jörk 1992 anschaffte. Aus dem Hobby wurde bald ein Neben- und schließlich ein Haupterwerb. Die Hehmsoths bilden derzeit sogar einen Tierwirt, Fachrichtung Schäferei, aus. Und sie wollen nächstes Jahr gern wieder in die schöne Barger Heide kommen.