THabecks Mann im Ministerium: Was Stefan Wenzel in Himmelpforten zu hören bekommt

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Stefan Wenzel. Foto: Klempow
Bauernprotest, A20-Skepsis und ein Brief an den Kanzler: Der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär stellt sich vor Ort der Kritik – und holt aus: „Ich glaube, dass diese Autobahn nicht gebaut wird.“
Himmelpforten. Die Grünen haben den Bundestagsabgeordneten Stefan Wenzel (Wahlkreis Cuxhaven-Stade II) eingeladen. Dieser Abend in der Eulsete-Halle ist für alle offen, die vom Politikprofi Wenzel mehr wissen oder auch Kritik loswerden wollen.
Als parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck ist die Energiepolitik Wenzels Fach. Habeck ist am gleichen Tag in Bremen und Nordenham unterwegs. An Industriestandorten bekommt er Applaus. Von Demonstranten, vor allem Landwirten, wird er ausgepfiffen. Pfiffe oder Buh-Rufe gibt es für Stefan Wenzel in Himmelpforten nicht. Aber Forderungen von allen Seiten, was er mit nach Berlin nehmen soll.
LNG-Terminal in der Kritik
Kritik gibt es aus den eigenen Reihen. Die eigentlich gute Arbeit in der Regierung werde schlecht kommuniziert, heißt es. Und: Der Bau des LNG-Terminals in Stade „hat uns total entsetzt“, sagt Peter Wortmann vom Vorstand des Grünen-Ortsvereins Oldendorf-Himmelpforten.
Auch Wenzel hätte sich kaum vorstellen können, den Bau von LNG-Terminals zu beschließen - eine der Entscheidungen, „die keiner auf dem Zettel hatte“. Aber notwendig, so Wenzel auf Nachfrage. „Wir mussten innerhalb von fünf Monaten die Energieversorgung komplett umstellen“, rechtfertigt der Grünen-Staatssekretär die LNG-Vorhaben mit Blick auf die einstige Energie-Abhängigkeit von Russland. Die größte Herausforderung: „Im Herbst 22 war der Gaspreis 23-mal so hoch wie im Jahr zuvor“, sagt er. Das hätte eine „brutale Krise“ werden können. Die Energiepreisbremsen federten das ab.
Krisen müsse sich eine Regierung stellen „und vielleicht zwischen zwei, drei schlechten Möglichkeiten die beste auswählen“. Das Regieren im Krisenmodus eröffne aber auch Chancen. „Die bittere Ironie ist, dass die Energiewende auch auf EU-Ebene beschleunigt wurde.“
Wie Regierungsentscheidungen kommuniziert werden, „ist eine kolossale Herausforderung“, sagt Wenzel. Auch er hätte sich gewünscht, dass in der Regierung bisweilen lieber „hinter den Kulissen und fairer gestritten“ worden wäre.
Brief an den Bundeskanzler
Die Kommunikation der Regierung beklagen auch Bauern. Etwa 35 Landwirtinnen und Landwirte sind nach Himmelpforten gekommen und wollen den Staatssekretär sprechen. Die Grünen bitten sie zum Austausch in die Halle. Mario Breuer und Helge Soltau von der Bauern-Mahnwache auf dem Platz Am Sande in Stade überreichen Wenzel den Brief mit ihren Forderungen an Bundeskanzler Olaf Scholz. Der Grüne sagt zu, den Brief in Berlin zu überreichen. Einige der vorgetragenen Forderungen vom Verband LsV (Land schafft Verbindung) können die Grünen im Saal mittragen. Zum Beispiel, wenn es um Monopole und Preisdiktate des Einzelhandels geht.

Die Landwirte Mario Breuer aus Heinbockel (links) und Helge Soltau aus Drochtersen brachten die Forderungen der Landwirte vor. Foto: Klempow
„Das Prinzip ,wachse oder weiche‘ gilt nicht erst seit zwei Jahren“, meldet sich Wolfgang Weh zu Wort. Verantwortung trage auch der Bauernverband. Aus seinen Worten klingt Frust: „Über 20 Jahre lang waren die Landwirtschaftsminister von der CDU. Geht doch auch mal bitte dahin.“ Die Grünen seien seit zwei Jahren an der Regierung, „aber wir sollen jetzt an allem schuld sein“. Die FDP als Teil der Ampel werde aber nicht kritisiert. „Landwirtschaftspolitik wird heute zu einem großen Teil in Brüssel gemacht“, sagt Stefan Wenzel. Und in Brüssel brauche es Verbündete, ein Land alleine erreiche nichts.
Flächenverbrauch für Verkehr
Für die Landwirtschaft gingen immer mehr Flächen auf Dauer verloren, kritisiert Ute Jungclaus. Als Sprecherin der Betroffenengemeinschaft gegen die A20 protestiere sie schon seit 2007. Die A20 als Ganzes koste die Landwirte 2000 Hektar gutes Land, dazu 2800 Hektar Ausgleichsfläche. „Wie lange muss ich noch demonstrieren?“, fragt sie Stefan Wenzel.
Er hoffe, dass die A20 nicht realisiert wird. „Ich sehe, dass der Bundesverkehrsminister im Moment damit beschäftigt ist, marode Brücken zu reparieren oder auch die Bahn, die erheblichen Sanierungsbedarf hat“, so Wenzel. „Ich glaube, dass auch aus finanziellen Gründen diese Autobahn nicht gebaut wird.“
Wie viel Fläche durch erneuerbare Energien verloren gehe, will ein anderer wissen. „Wenn wir umsetzen, was geplant ist“, so Wenzel, „kommen wir bei der Photovoltaik auf 1,2 bis 1,4 Prozent der Fläche. Energiepflanzen haben wir heute auf 14 Prozent der Fläche.“ Mindestens 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs soll bis 2030 aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Photovoltaik steht dabei mit 215 Gigawatt weit vor der Windenergie.
Die Energiewende ist Wenzels politische Mission. Zu seinem Geschäftsbereich im Ministerium gehören die Abteilungen, die für Wärme, Wasserstoff, Effizienz, Strom und Klimaschutz zuständig sind. Er weiß: „Es gibt keine einfachen Lösungen.“ Aber er ist überzeugt, mit Blick auf den Klimawandel das Richtige zu tun. Seine eigene Energie fürs Regieren im Krisenmodus hat er noch: „Meine schlimmsten Jobs waren immer die langweiligen. Von daher: Mein Job ist im Moment jeden Tag super spannend.“