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Gastronomie

THafenkneipe mit Herz: Sie ist die gute Seele des „Käpt‘n Alexander“

Wirtin Petra Kühnemund vor ihrer Kultkneipe Käpt'n Alexander – das Seezeichen davor weist auf den maritimen Charakter des kultigen Bierlokals hin.

Wirtin Petra Kühnemund vor ihrer Kultkneipe Käpt'n Alexander – das Seezeichen davor weist auf den maritimen Charakter des kultigen Bierlokals hin. Foto: Potschka

Inmitten der Cuxhavener Innenstadt liegt eine Kneipe, die mehr ist als nur ein Lokal. Für viele Gäste ist Käpt‘n Alexander ein Zuhause auf Zeit.

Von Jens Potschka Samstag, 09.08.2025, 15:00 Uhr

Cuxhaven. Wenn Petra Kühnemund morgens die Treppe hinuntersteigt, ist sie eigentlich schon daheim. Nicht nur, weil sie über ihrer Kneipe wohnt - sondern weil Käpt‘n Alexander, wie sie ihre Hafenkneipe nennt, mehr ist als ein Arbeitsplatz. „Das ist mein Zuhause“, sagt sie schlicht, schaut sich um, deutet auf die Wände voller Fotos, gerahmter Schiffsbilder, Kuriositäten, Mitbringsel - und lächelt. „Das hier ist alles mein Leben. Eine Herzensangelegenheit.“

Seit fast vier Jahrzehnten ist Petra Kühnemund das Gesicht hinter dem Tresen und der ruhende Pol davor. Die 61-Jährige führt die Traditionsgaststätte mitten in der Cuxhavener Innenstadt mit norddeutscher Herzlichkeit und hanseatischem Durchhaltevermögen. Und sie schafft das, woran viele scheitern: Ihre Kneipe ist nicht nur ein Ort zum Trinken, sondern ein Ort zum Reden, Zuhören, Bleiben. Ein Zuhause auf Zeit - besonders für jene, die sonst keins mehr haben.

Vom Toto-Lotto-Laden zur Hafenkneipe

Die Geschichte beginnt im Jahr 1949. Damals eröffnet Walter Kühnemunds Großvater - der ebenfalls Walter hieß - an der Kapitän-Alexander-Straße einen Toto-Lotto-Laden. Arbeiter aus dem Hafen hielten auf dem Weg zu ihrer Schicht kurz an, reichten ihre Lottoscheine über den Tresen, kauften Zigaretten und eine Zeitung. „Damals konnte man noch mit dem Auto durch die Bahnhofstraße fahren“, erinnert sich Petra Kühnemund. „Das waren ganz andere Zeiten.“

Als sich das Geschäft wandelt - es wird mehr Bier getrunken als Lotto gespielt - zieht die Familie die logische Konsequenz: Es wird ausgeschenkt. Zunächst nebenbei. 1985 macht Harald Kühnemund Ernst und eröffnet die Kneipe offiziell. Petra steigt früh mit ein - zunächst in der Buchhaltung, dann hinter dem Tresen. 1996 übernehmen die jungen Leute Walter und Petra Kühnemund das Geschäft offiziell. Tante Marion, wie sie alle liebevoll nennen, managt weiterhin den Lotto-Laden nebenan.

Warum die Kneipe Käpt‘n Alexander heißt? Auch das hat mit Cuxhavener Geschichte zu tun. „Wir haben damals mit dem Stadtarchiv gesprochen und die Familie von Kapitän Alexander gefragt, ob sie einverstanden ist“, erzählt Petra Kühnemund. Der Sozialdemokrat, Kapitän Karl Alexander, der sich dem Nazi-Regime widersetzte und im KZ umkam, hat einen Stolperstein ganz in der Nähe der Kneipe. „Ein Zeitungsartikel über ihn hing hier mal“, sagt sie, „leider ist das Bild heruntergefallen.“ Aber der Name bleibt - als Erinnerung und Zeichen.

Ein Tresen als sozialer Ankerplatz

Wer einmal hier war, versteht sofort: Diese Kneipe ist anders. Vielleicht liegt es daran, dass die Zapfanlage nie genutzt wurde. „Hier gibt‘s nur Flaschenbier. Und das zu zivilen Preisen“, sagt Petra Kühnemund augenzwinkernd. „Wir sind eben ein Original.“

Der wahre Schatz aber sind die Menschen, die kommen. Und bleiben. Viele Gäste sind alleinstehend, Rentner, Menschen ohne Familie. „Für viele ist das hier wie ein erweitertes Wohnzimmer“, sagt sie. Man sitzt, trinkt ein Bier - oder auch zwei - und erzählt. Geschichten, Sorgen, kleine Erfolge. Petra Kühnemund hört zu, gibt Rat, vermittelt. „Ich weiß ganz viel von den Menschen. Und viele erzählen mir auch ganz persönliche Dinge“, sagt sie - ohne jeden Anflug von Eitelkeit.

Es gibt Gäste, die seit 40 Jahren kommen. Den 90-jährigen Herrn. Den Wattwagenfahrer. Oder den verstorbenen Maler, der sie seine „liebste Wirtin“ nannte. „Als wir beschlossen haben, sonntags zu schließen, sagte er: ‚Wir verzichten lieber sonntags auf dich als ganz.‘ Das hat mich sehr gerührt.“

Auch Corona war eine Zäsur - nicht nur wirtschaftlich. Nach dem Tod ihres Mannes musste Petra alles neu anmelden: Gewerbe, Konzession, Schankerlaubnis. „Meine Gäste haben mich durch diese Zeit getragen“, sagt sie. „Die sind morgens zur Apotheke gerannt, um sich testen zu lassen - nur, um am Nachmittag wiederkommen zu können.“

Zwei Söhne, viel Herz, keine Zapfanlage

Petra Kühnemund ist nicht nur Wirtin - sondern auch Mutter. Geboren wurde sie 1963 in Cuxhaven-Döse, machte bei Lohmann am Seedeich eine Ausbildung zur Industriekauffrau. Sie hat 1984 geheiratet. Ihre beiden Söhne - Jan-Niklas und Alexander - sind längst aus dem Haus, aber „mein ganzer Stolz“.

Jan-Niklas ist studierter Streetworker in Hamburg und hilft unter anderem obdachlosen Jugendlichen. Alexander schreibt in Lübeck an seiner Doktorarbeit in VWL. „Ich bin sehr stolz auf die beiden. Sie machen ihr Ding.“

Und sie selbst? Gönnt sich auch mal Auszeiten: Yoga, Sauna, ein gutes Buch. „Ich lese gern Krimis. Manchmal auch etwas Leichtes - eine kleine Schnulze. Das darf auch mal sein“, sagt sie und lacht.

Drei Frauen stemmen heute den Betrieb: Petra, die Tochter ihrer besten Freundin und eine langjährige Kollegin. Hilfe kommt auch von Molle, dem „Hausfreund“, der alles repariert. Gemeinsam halten sie den Käpt‘n Alexander am Laufen - mit Grünkohlwanderung, Pfingstfest, Schlagerparty. Und mit ganz viel Herz.

Wenn man Petra Kühnemund fragt, wie lange sie das noch machen will, kommt keine schnelle Antwort. Aber ein Satz bleibt hängen: „Solange meine Gäste mich brauchen, bin ich da.“

Petra Kühnemund hinter dem Tresen. Einen intakten Zapfhahn sucht man hier vergebens - seit Bestehen der Kneipe fließt das Bier ausschließlich aus Flaschen.

Petra Kühnemund hinter dem Tresen. Einen intakten Zapfhahn sucht man hier vergebens - seit Bestehen der Kneipe fließt das Bier ausschließlich aus Flaschen. Foto: Potschka

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