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Justiz

THakenkreuz gepostet? Stader Gericht spricht vermeintlich Rechten frei

Vor dem Amtsgericht in Stade ging es um Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Vor dem Amtsgericht in Stade ging es um Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Foto: Vasel

Zwei Männer standen vor dem Stader Amtsgericht wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Herausgekommen sind eine Verurteilung und eine Einstellung.

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Von Susanne Helfferich
Sonntag, 23.11.2025, 17:30 Uhr

Landkreis. Pünktlich um 9.30 Uhr betritt der erste Angeklagte den Sitzungssaal 10 des Amtsgerichts. Er trägt einen St.-Pauli-Hoodie und Irokesenschnitt. Wie ein rechter Schläger sieht er nicht aus. Doch der 50-Jährige soll Anfang des Jahres bei Instagram ein Bild mit schwarzen Hakenkreuzen und dem Logo von IG Farben gepostet haben. Ein Unternehmen, das während des Nationalsozialismus Kriegsverbrechen begangen hat.

Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen dürfen in Deutschland nicht verbreitet werden. Wer das dennoch tut und erwischt wird, muss nach §86a mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe rechnen. Zu den Kennzeichen zählen Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen.

Und dennoch nehmen die Zahlen zu; zuletzt um 40,2 Prozent. Das Bundeskriminalamt berichtete im Mai, dass im Jahr 2024 mit 84.172 Taten ein neuer Höchststand erreicht wurde.

Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist im Jahr 2024 weiter angestiegen und erreicht damit einen neuen Höchststand. Insgesamt wurden 84.172 Straftaten erfasst – so viele wie nie zuvor.

Verteidiger: Post ist nicht zuzuordnen

Der Beschuldigte in Saal 10 schweigt. Sein Anwalt erklärt, dass weder Handynummer noch Geburtsdaten korrekt seien. Es sei kein Profilbild gepostet worden, dafür aber ein falscher Name. Der Post sei seinem Mandanten nicht zuzuordnen.

„Hakenkreuze im Internet werden massiv verfolgt“, wirft Amtsrichterin Schuppe in die Waagschale. Auf der anderen Seite ist der Beschuldigte ein unbeschriebenes Blatt. Die Beweislage ist dürftig. Die Richterin sieht zumindest Indizien. „Ein glasklarer Freispruch wird das nicht“, sagt sie deutlich. Und zum Beschuldigten: „Es wäre einfacher, wenn Sie mit uns redeten.“ Aus dem bricht es leicht genervt heraus: „Ich weiß nicht, was ich hier soll. Seit den 90er Jahren lebe ich Antifaschismus. Ich habe kein Handy und ich bin nicht bei Facebook.“

Nachdem er sich noch einmal fürs Protokoll deutlich als Antifaschist outet, erklärt sich Amtsanwalt Fontes mit der Einstellung des Verfahrens einverstanden. Der Beschuldigte hat die Anwaltskosten zu tragen.

Randale im Bus mit ausgestrecktem Arm

Gleicher Tag, gleicher Ort, gleiches Thema: Ein 41-Jähriger soll am Stader Bahnhof im Bus mit ausgestrecktem Arm den sogenannten Hitlergruß gezeigt haben. Der Beschuldigte ist kleinlaut und gibt das Vergehen sofort zu: Er habe harte Sachen mit Bier durcheinander getrunken. Er könne sich nicht mehr erinnern, aber seine Lebensgefährtin erinnert sich. Sie hatte ihm am nächsten Tag erzählt, dass er sich unmöglich verhalten habe und die „White Power“-Hand erhoben habe.

„Ich bin in keiner rechten Organisation“, versichert der Beschuldigte. Er sei „weg vom Alkohol“, habe einen Job und werde in wenigen Wochen Vater.

Ein Polizeibeamter bezeugt, dass der 41-Jährige sehr laut, vulgär und stark alkoholisiert gewesen sei. Zwei Jugendliche hätten ihm erzählt, dass der Beschuldigte den Hitlergruß gezeigt habe. Daraufhin habe er die Personalien aufgenommen.

Vorstrafenregister mit 20 Eintragungen

Die beiden sind alte Bekannte. Der Polizist kennt den Beschuldigten seit 20 Jahren - weil er immer wieder auffiel. Das Vorstrafenregister zählt 20 Eintragungen auf, darunter Betäubungsmitteldelikte, Körperverletzung, Bedrohung, Sachbeschädigung und Diebstahl. Doch in den vergangenen vier Jahren gab es keinen Fall von Körperverletzung. Der Beamte: „In letzter Zeit reißt er sich zusammen und ist seltener auffällig.“

Der Betreuer vom Verein für Sozialmedizin bestätigt, dass sein Schützling ein Jahr in einer offenen Therapieeinrichtung war. Er hätte jederzeit das Haus verlassen können, hat er aber nicht. Er sei offener und ruhiger geworden. Aber die Alkoholsucht sei schwer kontrollierbar.

Richterin Schuppe sieht die durch Alkohol bedingte Enthemmung als strafmildernde Komponente; ebenso das Geständnis und die Distanzierung von der Tat. Einig sind sich Amtsanwalt und Richterin, dass sich der 41-Jährige mit dem Recken des Armes schuldig gemacht hat. Für diesmal kommt er mit einer Geldstrafe davon.

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