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Sozialarbeit

THausbesuch beim Ex-Häftling: Sie hilft Straffälligen im Kreis Stade zurück ins Leben

Lisa Tiedemann berät Menschen, die straffällig waren oder es werden könnten, in deren Zuhause.

Lisa Tiedemann berät Menschen, die straffällig waren oder es werden könnten, in deren Zuhause. Foto: Bisping

Ex-Häftlingen fällt es oft schwer, im Alltag Fuß zu fassen. Lisa Tiedemann von der Diakonie Stade unterstützt sie im eigenen Zuhause. Eine mobile Straffälligenhilfe für Menschen in Not.

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Von Alexandra Bisping
Samstag, 13.07.2024, 15:50 Uhr

Stade. Wenn Lisa Tiedemann losfährt, weiß sie nie, was sie erwartet. Sie kennt die Menschen, zu denen sie fährt, nur durch ein Telefonat. Sie weiß etwas von deren Lage: Die ist überwiegend problematisch. Lisa Tiedemann arbeitet als erste Sozialarbeiterin in der mobilen Straffälligenhilfe in Stade.

Die 24-Jährige macht Hausbesuche. Jede Woche wechselt sie zwischen den Standorten Buchholz, Zeven, Bremervörde und Stade. Zu den betreffenden Personen fährt sie entweder nach Hause - oder trifft sich mit ihnen, wenn ihr das sicherer erscheint, auf neutralem Terrain, zum Beispiel in einem Café.

Um an Straffälligenhilfe zu kommen, fallen nun Hürden

Die Diakonie in Stade bietet Straffälligen eine Anlaufstelle, es gibt zehn Übergangswohnungen. Die Beratung ist vor Ort. Wer dort nicht wohnt, musste bisher nach Stade kommen.

Für viele eine unüberwindbare Hürde, für finanziell schwach gestellte Menschen auch ein Geldproblem, weiß Tilo Wilkens von der Straffälligenhilfe. Denn mancher kann sich nicht mal das Fahrticket leisten und verschuldet sich dafür.

„Wir wollen die Menschen da abholen, wo sie sich befinden“, erklärt er. In den eigenen vier Wänden - das hat Vorteile, sagt Lisa Tiedemann. „Wenn die Menschen zur Anlaufstelle kommen, fehlen manchmal Unterlagen, die sie zu Hause vergessen haben.“ Das erschwert mitunter die Beratung.

Die mobile Hilfe wird drei Jahre lang getestet

Die Stelle der mobilen Straffälligenhilfe ist komplett neu und vorerst befristet auf drei Jahre. Ein Testballon. Das Thema habe aber schon seit 2020 im Raum gestanden, sagt Tilo Wilkens. Eigentlich kam es durch Lisa Tiedemann wieder ins Rollen.

Sie hat Soziale Arbeit studiert und ihr Orientierungspraktikum in der Stader Diakonie gemacht. Woher ihre Motivation kam? „Der Bereich Straffälligenhilfe hat mich fasziniert und interessiert“, sagt Lisa Tiedemann. „Und wir hatten danach überlegt, wie wir eine junge Frau halten können, die super im Job ist“, sagt Tilo Wilkens.

Zunächst ist der neu geschaffene Job eine 25-Stunden-Stelle. „Wir wollen überzeugen, wie effektiv diese mobile Hilfe ist“, so Tilo Wilkens. Täterarbeit sei Opferschutz. Zukünftige Straftaten zu verhindern und Haft zu vermeiden, sei eine der Kernaufgaben. Und: „Haftvermeidung spart Geld ein, 197 Euro pro Tag und Person.“

Finanzen prüfen und Hilfe zur Selbsthilfe anbieten

Wie genau sieht die Arbeit von Lisa Tiedemann aus? „Die Lage vor Ort checken, Einkommen und Ausgaben prüfen und mit dem Betreffenden noch verschlossene Briefe öffnen.“ Das löse oft die Distanz. Wichtig sei auch, zu klären wovon die Person lebt und ob sie einen Job hat.

Gibt es Schulden? Dann verweist sie auf die Schuldnerberatung, die übrigens auch mobil arbeitet. Sind Kinder da, kommt die Familienhilfe ins Spiel - oder eine Vermittlung zum Jugendamt.

Bei Behördengängen bietet Lisa Tiedemann ebenfalls Unterstützung an. Die junge Frau stellt aber auch klar: „Aufgaben sollen nicht abgenommen, die Leute nicht entmündigt werden.“ Es gebe den Menschen Selbstvertrauen, wenn sie alleine handeln und ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen könnten.

Positive Erlebnisse bestärken Tilo Wilkens und Lisa Tiedemann in ihrer Arbeit: Wenn Menschen, die sie begleitet haben, wieder richtig im Leben stehen. Und das Feedback, das die Sozialarbeiter schon bekommen haben: „Ohne Ihre Hilfe wäre ich wieder richtig abgerutscht.“ Tilo Wilkens hofft jetzt, „die Politik von der mobilen Hilfe überzeugen zu können, sodass es überall in Niedersachsen umgesetzt wird“.

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